Zur Grundausstattung vieler Corona-Demonstration in Wien zählen Trommler, Kuhglockengeläut, Bierverkäufer, ein Meer rot-weiß-roter Fahnen und der Auf-1-Kastenwagen. Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine gehören auch russische Fahnen dazu.

Foto: Markus Sulzbacher

Der vermeintliche Nachrichtensender Auf 1 legt täglich eins drauf: Da freut sich ein Studiogast über den russischen Überfall auf die Ukraine, ein anderes Mal wird gegen eine angebliche "Transgender-Propaganda" Stimmung gemacht, die "Sex von Erwachsenen mit Kindern hoffähig" machen wolle. Ständig ist von der "Corona-Diktatur" oder "Corona-Lüge" die Rede, von "Impf-Junkies", "kriminellen Kinderimpfungen" und der Impfung als "Instrument der Unterwerfung und Kontrolle". Untergangsszenarien werden an die Wand gemalt und seriöse Medien diskreditiert.

Auf 1 will verstärkt in Deutschland aktiv werden

Mit seinen Inhalten hat es Auf 1 geschafft, dass die Szene der Menschen, die Corona leugnen, den Sender als "ihr Medium" betrachtet und sich damit identifiziert. Bei Corona-Demonstrationen sind selbstgemachte Auf-1-Transparente zu sehen, die blauen Aufkleber des Onlinesenders sind selbst in entlegenen Orten auf Laternenmasten zu finden. Bei zahlreichen Demonstrationen taucht der Auf-1-Kastenwagen auf, aus dem heraus Flyer, Aufkleber oder Trillerpfeifen verteilt und Spenden gesammelt werden. Nun will Auf 1 verstärkt in Deutschland aktiv werden.

Foto: Markus Sulzbacher
Der Auf-1-Kastenwagen bei einer Corona-Demonstration in Wien.
Foto: Markus Sulzbacher
Auf-1-Pickerl als Accessoire bei Demos.
Foto: Markus Sulzbacher

Auf 1 zählt neben Report 24 und dem "Wochenblick" zu dem rechten Propagandacluster, der in den vergangenen Jahren in Oberösterreich entstanden ist. Vorreiter war die 2016 gegründete Wochenzeitung "Wochenblick", vor deren irreführender Berichterstattung der Presserat warnt. Gemeinsam verfügen diese Medien über eine beachtliche Online-Reichweite in Österreich und Deutschland. Hunderttausende besuchen monatlich deren Angebote, manchmal sogar über eine Million, wie der Onlinedienst Similarweb zeigt.

Auf 1 bringt auch LGBTIQ-feindliche Inhalte.
Foto: Screenshot

Für die Rechtsextremismusforscherin Bianca Kämpf vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW) eint alle drei Medien "ihr exzessives Verbreiten von Desinformation und Verschwörungsnarrativen: Im Aufwind der Pandemie wurde der 'Widerstand' gegen die 'Corona-Diktatur' zentral." Darin werden nicht zuletzt antisemitische Codes bedient, wenn etwa die Rede von "den Globalisten" oder "der Finanzelite" ist, so die Expertin. Seit einigen Wochen zirkulieren dort "zudem wieder verstärkt antifeministische, LGBTIQ-feindliche Inhalte, indem gegen 'den Gender-Wahn', die vermeintliche 'Frühsexualisierung' oder 'Globohomo' gewettert wird".

"Great Reset" und die "Globalisten" tauchen häufig auf

Aber auch der "Great Reset" und die "Globalisten" tauchen häufig in Beiträgen auf. Rechtsextreme, knallharte Corona-Leugner und Verschwörungserzähler verwenden die Begriffe für angebliche Weltherrschaftspläne einer "verschworenen Elite", die hinter der Pandemie und dem Ukraine-Krieg ("das neue Meisterstück der 'Great Reset'-Architekten") stecken solle, so die verquere Behauptung. Erzählungen, die nicht zufällig an die über 100 Jahre alte antisemitische Hetzschrift "Die Protokolle der Weisen von Zion" erinnern – in der "jüdische Weltverschwörer" für alles und jenes verantwortlich gemacht werden.

Neuauflage der "Protokolle der Weisen von Zion"

Für den deutschen Verfassungsschutz ist der "Great Reset" eine "Corona-bezogene Verschwörungstheorie mit antisemitischen Versatzstücken", wie im Verfassungsschutzbericht des Jahres 2021 zu lesen ist. Für die Erzählung werden jüdische oder als "jüdisch" klassifizierte Personenkreise wie die Familien Rothschild, Rockefeller oder der Investor George Soros und Microsoft-Gründer Bill Gates für die Pandemie verantwortlich gemacht und Impfungen als Instrument der Versklavung der Menschheit bezeichnet. Es ist eine zeitgemäße Neuauflage der "Protokolle der Weisen von Zion".

Gute Drähte zur FPÖ

Von "Globalisten" wimmelt es bei Auf 1. Der Onlinesender ging Ende Mai 2021 an den Start, Chefredakteur ist Stefan Magnet, der früher in der Neonazi-Gruppierung "Bund Freier Jugend" aktiv war und heute über gute Drähte zur FPÖ verfügt. Er referiert regelmäßig im Freiheitlichen Bildungsinstitut, seine Werbeagentur hat im Nationalratswahlkampf 2019 für die FPÖ Oberösterreich gearbeitet, und laut einem Bericht der "Krone" war er im Dezember 2016 in Moskau mit dabei, als die damalige Führungsspitze der Freiheitlichen einen Freundschaftsvertrag mit der Partei von Präsident Wladimir Putin unterzeichnete. Ein Vertrag, der 2021 auslief, wie der Parteichef Herbert Kickl betont. Die FPÖ schaltete Inserate bei Auf 1, mit Slogans wie "Gemeinsam gegen die Impfpflicht", und Freiheitliche sind oftmals im Studio zu Gast. Zuvor arbeitete Magnet für den "Wochenblick" und fiel unter anderem dadurch auf, dass er versuchte, die (mutmaßliche) sexuelle Orientierung von Journalisten zu einem Thema zu machen.

Stefan Magnet (links, wird gefilmt) 2021 bei einer Corona-Demo in Wien.
Foto: Markus Sulzbacher

Im Jahr 2018 postete Magnet auf Facebook, dass er ein "bekennender Putin-Versteher" und stolz darauf sei, bei der ersten Ausgabe der rechtsextremen Zeitschrift "Info-Direkt" mitgeredet zu haben, als das Cover "Wir wollen einen wie Putin" trug.

Es wundert daher wenig, wenn Magnet in seinem Sender verbreitet, dass Russland nur einer für das Frühjahr geplanten Invasion "der USA und ihrer Verbündeten in der Ukraine" zuvorgekommen sei. Als Experte zum Thema kommt der FPÖ-Bundesrat Johannes Hübner zu Wort, der seit Jahren mit Putin-freundlichen Positionen auffällt. Im Interview mit Auf 1 spricht der Politiker von einem "sogenannten Überfall" auf die Ukraine, von einer "angeblichen russischen Bedrohung ganz Europas", und er macht die USA wesentlich für den Krieg mitverantwortlich. Ganz so wie Wladimir Putin.

"Ich freu mich, dass es mal einer gemacht hat"

Mit dem deutschen Publizisten Jürgen Elsässer hatte Magnet vor einigen Wochen einen besonders laut tönenden Putin-Fan in das Auf-1-Studio geladen. Unwidersprochen konnte Elsässer den Überfall auf die Ukraine mit "Ich freu mich, dass es mal einer gemacht hat", kommentieren. Für Elsässer zeigt Putin nämlich so dem "globalistischen Imperium seine Grenzen" auf, der Krieg sei eine Reaktion auf den angeblichen "Volksaustausch" und verhindere, dass "unsere Kinder bald 70 Geschlechter haben".

Jürgen Elsässer, dessen "Compact-Magazin" von deutschen Behörden als "rechtsextrem" eingestuft wird.
Foto: APA

So macht Elsässer aus dem Angriffskrieg eine Notwendigkeit, die er mit rechtsextremen Mythen rechtfertigt. Wie "The Great Reset" ist auch das Wort "Globalisten" ein rechtsextremer Code, wie die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung schreibt: "Hinter den unverstanden bleibenden Innovationsschüben der letzten Jahrzehnte steht damit für völkisch denkende Rechtsextremisten ein alter Feind: der Jude."

Geld von einer russischen Stiftung

Elsässer ist eine zentrale Figur der sogenannten Neuen Rechten, der in seinem "Compact-Magazin" die Themen des Milieus populistisch aufbereitet. Tiefsinniges ist in dem Blatt nicht zu finden, dafür Beiträge des Identitären-Chefs Martin Sellner. Dass Elsässer sich wie eine Belangsendung aus Moskau anhört, verwundert wenig. Er hat erst Ende Mai dieses Jahres bestätigt, dass Geld von einer russischen Stiftung an "Compact" geflossen ist. Zuvor hatten Medien dies öffentlich gemacht. Laut Elsässer hat die Stiftung, das "Institut de la Demokratie et de la Cooperation" mit Sitz in Frankreich, bei mehreren "Compact"-Konferenzen "französische und russische Referenten gestellt und deren Spesen bezahlt". Bei einer dieser Konferenzen trat auch Wladimir Iwanowitsch Jakunin auf, damals Chef der russischen Eisenbahnen, einer der wichtigsten russischen Manager und enger Vertrauter von Putin. Die Stiftung hat in der Vergangenheit auch die rechtsextreme französische Partei von Marine Le Pen finanziell unterstützt.

Redaktion in Berlin

Ein weiterer "Compact"-Mitarbeiter soll nun ein Aushängeschild von Auf 1 in Deutschland werden. Martin Müller-Mertens soll als Deutschland-Korrespondent von Berlin aus für den Sender arbeiten. Zusätzlich werde eine "feste Redaktion in Berlin aufgebaut", hieß es vergangene Woche auf dem Auf-1-Telegram-Kanal.

"Regelmäßig falsche Informationen"

Neben Auf 1 hat sich auch Report 24 im vergangenen Jahr im Milieu der Corona-Leugner etabliert und "verbreitet seit seiner Gründung regelmäßig falsche Informationen über die Corona-Maßnahmen und Impfungen", wie die deutsche Rechercheplattform "Correctiv" schreibt. Die Berichterstattung ist im Wortlaut ähnlich wie bei Auf 1, meist ist dieser schärfer und schriller.

Ein Report-24-Transparent auf einem Lkw bei der Corona-Demonstration am 9. Juli in Wien.
Foto: Markus Sulzbacher

Hier sind etwa Artikel zu lesen wie "Krankgeimpft und Alleingelassen" oder "Medienkompetenz heißt zu verstehen, dass der Mainstream immer, auch zur Ukraine-Krise, lügt". Es wird die Frage gestellt, ob der US-Präsident Joe Biden pädophil sei, und es werden unbelegte Behauptungen zu angeblichen Forschungslaboren für Biowaffen in der Ukraine aufgestellt.

Unter einem Dach: Auf 1, Report 24 und Info-Direkt

Der Angriff auf die Ukraine wird als verständliche Reaktion beschrieben: "Dass [Putin] das dekadente Treiben vor seiner Haustür nicht ewig tolerieren würde, speziell auch, was die Ausdehnung der Nato bis an die russische Grenze betrifft, sollte ziemlich klar sein." Report 24 hat seinen Sitz in Oberösterreich, bis vor kurzem wurde eine Adresse in Linz angegeben, dort, wo auch Auf 1 und die rechtsextreme Plattform "Info-Direkt" registriert waren.

Michael Scharfmüller bei einer Corona-Demonstration 2021 in Wien, dahinter Stefan Magnet (mit schwarzem Schal).
Foto: Markus Sulzbacher

"Info-Direkt" wird von Michael Scharfmüller geleitet, der gemeinsam mit Magnet beim "Bund Freier Jugend" aktiv war und mit seiner Zeitschrift Identitären sowie Politikerinnen und Politikern von FPÖ und AfD ein Podium bietet, mit der Einschränkung, dass nicht über die Zeit 1933 bis 1945 berichtet wird, wie Scharfmüller betont.

Presserat warnt vor "Wochenblick"

Laut "Correctiv"-Recherchen sollen Teile der Report-24-Redaktion zuvor beim "Wochenblick" gearbeitet haben. Die Wochenzeitung wurde zuletzt im März vom Presserat für unkorrekte Recherchen und in verzerrtem Kontext wiedergegebene Zitate gerügt. Auch im "Wochenblick" ist ständig von der "Corona-Diktatur", "Corona-Folterknechten", "Maskenterror" und der "sogenannten Pandemie" die Rede. Aktuelle Schlagzeilen lauten: "Wegen islamischem Opferfest: Flüchtlinge stehlen und schächten Hausziege 'Pepper'", "WEF-Globalisten: Mit erzwungener Energiewende zum Great Reset" oder "Soros-Besuch bei Schallenberg: Welche neue Globalisten-Order holte Regierung ab?".

Geld von der FPÖ und staatliche Förderungen

Finanziert wird der "Wochenblick" unter anderem durch die FPÖ, Spenden und staatliche Förderungen. Im Vorjahr bekam das Blatt 11.721 Euro an Vertriebsförderung für Wochenzeitungen aus der Presseförderung, auch 2020 flossen rund 34.400 Euro aus der Corona-Sonderpresseförderung.

Darüber hinaus inserierte die FPÖ in der Vergangenheit wiederholt im Blatt. So pumpten FPÖ-Mitglieder der oberösterreichischen Landesregierung in der vergangenen Legislaturperiode rund 108.000 Euro in den "Wochenblick", wie die Beantwortung mehrerer von den Grünen gestellter Anfragen zeigt. Auch von der Bundesregierung kamen Mittel. Die Medientransparenzdaten offenbaren, dass vom damals unter Herbert Kickl (FPÖ) geführten Innenministerium 19.000 Euro flossen und vom Verkehrsministerium unter Norbert Hofer (FPÖ) 20.000 Euro.

"Wochenblick"-Chefredakteurin Bernadette Conrads (erste Reihe, dritte Person von rechts) 2014 bei einer Demonstration der rechtsextremen Identitären in Wien.
Foto: APA

Die Geschäfte des "Wochenblicks" wie auch die von deren Medieninhaberin – der Medien 24 GmbH – führt Norbert Geroldinger. Der einstige FPÖ-Gemeinderat beschäftigt mittlerweile Bernadette Conrads als Chefredakteurin, die vor Jahren in Wien für die FPÖ kandidierte und bei einer Demonstration der "Identitären Bewegung" in der ersten Reihe mitmarschierte. Conrads folgte Elsa Mittmannsgruber, die zu Auf 1 wechselte.

Nähe zur FPÖ

Sowohl bei Auf 1 als auch beim "Wochenblick" fällt die Nähe zur FPÖ auf, obwohl sie sich formal parteiunabhängig geben. Laut Rechtsextremismusexpertin Kämpf "lässt sich feststellen, dass sowohl innerhalb der jeweiligen Artikel als auch etwa durch regelmäßige Gastkommentare, Interviews und Inserate den freiheitlichen Inhalten und Personen ihre vermeintlich 'alternative' Plattform – in Abgrenzung zu den 'Mainstream-Medien' beziehungsweise der 'Lügenpresse' – geboten wird. Selbiges gilt für die AfD, die zwar weniger häufig, aber ebenso positiv rezipiert wird."

Community-Pingpong

Ihre beachtliche Reichweite verdanken Auf 1, Report 24 und der "Wochenblick" auch der Unterstützung reichweitenstarker Facebook- und Telegram-Auftritte, die regelmäßig bestimmte Inhalte teilen. Etwa FPÖ-Auftritte oder auch der Telegram-Kanal der Impfgegnerpartei MFG, über die augenscheinlich wohlwollend berichtet wird. Auf diese Strategie setzte auch der ehemalige FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache, indem er bestimmte Artikel auf seiner Facebook-Seite für seine rund 780.000 Fans teilte. Dieses Community-Pingpong erklärte Richard Schmitt, der bis 2019 Chefredakteur von krone.at war, danach bei oe24.at anheuerte und nun bei exxpress.at arbeitet, folgendermaßen: "Wenn Strache einen normalen Bericht von uns auf Facebook teilt, dann merken wir, das haut die Quote auf das 1,5-Fache hoch. Und umgekehrt kriegt er natürlich auch mehr Traffic, wenn wir ihn pushen."

"Flood the zone with shit"

Es sieht so aus, als hätten sich die Medienprojekte aus Oberösterreich etwas vom Großmeister der extrem rechten, verschwörungstheoretischen Desinformation abgepaust, dem zeitweiligen Donald-Trump-Berater Steve Bannon.

Steve Bannon gibt die Strategie vor.
Foto: Imago

Dessen Devise war: "Flood the zone with shit." Soll heißen: Überflute die Leute mit unsinnigem, hetzerischem, absurdem, faktenverdrehendem, aber für Uninformierte glaubwürdigem Zeug. So lange, bis auch normale Bürgerinnen und Bürger nicht nur nicht mehr wissen, was die Fakten sind, sondern auch glauben, dass es prinzipiell gar keine gesicherten Fakten gibt. Oder überhaupt keine Wahrheit. In diesem Zustand extremer Desorientierung sind sie dann geneigt, dem nächsten populistischen Führer zu folgen. (Markus Sulzbacher, 20.7.2022)