Im Herbst dürften die Preise für Strom noch einmal ordentlich anziehen.

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"Österreichischer Strom zu 100 Prozent aus Wasserkraft" – mit diesem Slogan wirbt der Energiekonzern Verbund bereits seit Jahren um Kundinnen und Kunden. Dass das Unternehmen Anfang Mai dennoch seine Preise an die europäische Energiebörse anpasste und damit satte Gewinne einfährt, sorgte bei vielen Menschen für Unverständnis – so sehr, dass sie ein gerichtliches Vorgehen forderten.

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) kommt dieser Forderung nun nach – und zieht im Auftrag des Sozialministeriums gegen Verbund vor Gericht. Konkret beanstanden die Verbraucherschützer einen Wertsicherungsklausel in seinen Kundenverträgen. Demnach passt Verbund die Preise an den Österreichischen Strompreisindex (ÖSPI) an. Dieser Index orientiert sich wiederum an der europäischen Energie-Börse, wo die Preise in den letzten Monaten aufgrund der Entwicklung am Gasmarkt stark gestiegen sind.

Zahlreiche Beschwerden

Wer damit wirbt, Strom aus österreichischer Wasserkraft zu produzieren, dürfe seine Preise aber nicht einfach an das Niveau der Energiebörse anpassen, argumentieren die Verbraucherschützer. "Für viele Konsumentinnen und Konsumenten ist es vollkommen unverständlich, warum Verbund seinen Preis an einen Börsenpreis bindet, obwohl er den Strom für Haushaltskunden wohl zu einem überwiegenden Teil selbst produziert und durch die gestiegenen Preise erhebliche Übergewinne erwirtschaftet hat", sagt Thomas Hirmke, Leiter des Bereichs Recht beim VKI.

Die Verbraucherschützer seien in letzter Zeit mit massiven Beschwerden zu Preiserhöhungen von Energieanbietern konfrontiert gewesen. Man habe die Klausel von Verbund nun umfassend geprüft und sei dabei zur Ansicht gelangt, "dass es wesentliche rechtliche Argumente gegen eine Zulässigkeit der von Verbund verwendeten Anpassungsklausel für Strompreise gibt".

Verbund verteidigt sich

Konkret argumentiert der VKI damit, dass der Strompreisindex "in keinem relevanten Zusammenhang mit den tatsächlichen Gestehungskosten" steht, sagt Jurist Hirmke zum STANDARD. Der Index sei kein "sachlich gerechtfertigter Parameter" für die Stromerhöhungen, die Vertragsklausel daher "gröblich benachteiligend".

Verbund sah das auf Anfrage des STANDARD bereits im Juni anders: Die Vertragsklausel sei "gesetzeskonform". Es seien dabei insbesondere auch höchstgerichtliche Entscheidungen in den zuletzt vom VKI geführten Verfahren gegen Energielieferanten berücksichtigt worden. Das Unternehmen verweist zudem auf bereits getroffene Maßnahmen. Demnach bekommen Kunden zwei Monate Gratis-Strom. Auch die Mittel des Verbund-Stromhilfefonds der Caritas für 2022 verdoppelt worden. Zudem schlug der Vorstand angesichts der Übergewinne eine Sonderdividende von 400 Millionen Euro für das Jahr 2022 vor.

Gesetzliche Änderung

Der Nationalrat hatte erst kürzlich mit einer Novelle des Elektrizitätswirtschaftsgesetzes (ElWOG) eine Preisanpassung erleichtert und dabei gleichzeitig die Anwendung des Konsumentenschutzgesetzes (KSchG) ausgeschlossen. Der VKI geht zwar davon aus, dass die Klausel gar nicht nach diesem Regime zu beurteilen ist. "Aber selbst wenn, wäre sie aus unserer Sicht auch nach herkömmlichem Zivilrecht unzulässig", sagt Hirmke.

Ähnlich hatte im Juni auch Bernhard Koch, Honorarprofessor für Zivilrecht an der WU Wien, argumentiert. Ob das Konsumentenschutzgesetz anwendbar sei oder nicht, mache im Ergebnis keinen Unterschied, sagte Koch damals im STANDARD-Gespräch. Auch das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) verlange bei Preiserhöhungen eine sachliche Rechtfertigung. Das Verhältnis der Kosten zum vereinbarten Preis müsse ungefähr gleich bleiben.

Zur Erklärung: Bei sogenannten Floater-Tarifen orientieren sich die Strompreise für betroffene Konsumentinnen und Konsumenten automatisch an den jeweiligen Marktpreisen. Aber auch bei herkömmlichen Verträgen dürfen Energieanbieter die Preise anpassen. Konsumenten haben dann theoretisch die Möglichkeit, einer angekündigten Anpassung zu widersprechen. In der Praxis bringt das derzeit allerdings wenig, weil ein Umstieg auf andere Anbieter oftmals noch teurer ist.

Anzeige bei EU-Kommission

Auch Peter Kolba, Obmann des privaten Verbraucherschutzvereins (VSV), hatte vor einigen Wochen ein rechtliches Vorgehen gegen Verbund gefordert. Gegen die Novelle des Elektrizitätswirtschaftsgesetzes, die die Anwendung des Konsumentenschutzgesetzes ausschließt, hatte der VSV zudem Anzeige bei der EU-Kommission erstattet und ein Vertragsverletzungsverfahren gefordert. "Ich kann ja nicht eine ganze Branche vom Konsumentenschutz ausnehmen", sagte Kolba damals zum STANDARD.

Der VKI will mit seiner Klage nun grundsätzlich klären, inwieweit Wertsicherungsklauseln zulässig sind. Gerade in Zeiten hoher Inflation und steigender Preise würden derartige Klauseln für Verbraucherinnen und Verbraucher, aber auch für Unternehmen eine immer wichtigere Rolle spielen. "Wir erwarten uns von dieser Klage eine Klarstellung, welche Grundvoraussetzung eine Wertsicherungsklausel im Konsumentenvertrag erfüllen muss", ergänzt Jurist Hirmke. (Jakob Pflügl, 19.7.2022)