Bis zu zwei Becher Eis pro Tag bekommt Susi, wenn viele Fotos gemacht werden.

Foto: regine hendrich

Wien – Noch beobachtet Ami die Szene etwas skeptisch aus der Entfernung. Die schwarze Mopsdame sitzt in einer Ecke des Servitenmarkts in Wiens neuntem Bezirk. Sie traut sich noch nicht so recht zu dem Lastenrad, aus dem das Eis für Hunde verkauft wird. Vielleicht liegt Amis Zurückhaltung aber auch an dem etwa achtmal so großen, wenngleich sehr lieben c-Mix namens Susi, der ebendieses Eis gerade begeistert für die Fotos im StANDARD schleckt.

Seit einigen Wochen stehen Gloria Castka und Ines Haddu mit ihrer Firma gs’hund auf verschiedenen Märkten in Wien und auf der Pionierinsel in Klosterneuburg, um ihr Hundeeis anzubieten. "Das ist für die Hunde einfach eine nette Abkühlung", sagt Castka. Produziert wird das Eis in einer Wiener Manufaktur, die normalerweise Menschen-Gelato herstellt – bio, vegan und ohne Zucker. Deshalb ist das Eis im Papierbecher auch nicht cremig, sondern wie ein großer Eiswürfel aus Äpfeln, Hafer und Sojajoghurt.

Sinnstiftende Idee

Und obendrauf kommt das, was gs’hund eigentlich hauptsächlich macht: das Insektenleckerli. Aus den Larven der Schwarzen Soldatenfliege produziert das junge Unternehmen proteinreiche Belohnungssnacks für Hunde. "Wir sehen nicht ein, dass eine Kuh für unsere Hunde sterben muss", sagt Mitgründerin Castka. Das Bedürfnis nach einem sinnstiftenden Job führte die Studentinnen in die Produktion klimafreundlichen Hundefutters.

loria Castka (links) und Ines Haddu machten sich mit "gs'hund" selbstständig.
Foto: regine hendrich

Die Gründe für Insekten als Rohstoff liegen auf der Hand: Die Fleischproduktion verschlingt Unmengen an landwirtschaftlicher Fläche, Wasser und hat vor allem einen katastrophalen Klimafußabdruck. Und welche tierischen Produkte man dem eigenen Hund da verfüttert, weiß man schlussendlich nicht.

Hemmschwelle Insektenekel

Die Larve der Schwarzen Soldatenfliege ist aus Sicht der Gründerinnen dafür der perfekte Ersatz: Ihre Produktion verbraucht wenig Fläche und verursacht viel weniger Treibhausgase als Säugetierfleisch. Gefüttert werden die Insekten vom deutschen Produzenten mit Gemüseresten und Abfällen aus der Bierproduktion.

Während der Ekelfaktor bei Insektenprodukten für den Menschen zumindest in Mitteleuropa noch eine gewisse Hemmschwelle darstellt, sei das den Hunden egal, sagt Castka – und wirft sich dann selbst eine Larve in den Mund, um zu demonstrieren, dass auch diese Hürde überwindbar ist.

Zwei Gläser mit Anschauungsmaterial: Eines mit den ganzen Larven, eines mit dem daraus gewonnenen Pulver.
Foto: regine hendrich

Auch Ami, der schüchterne Mops, greift gerne zu, als ihr eine der getrockneten Larven angeboten wird – die Gründerinnen haben immer zwei Gläser mit Anschauungsmaterial mit, eines mit den ganzen Larven, eines mit dem daraus gewonnenen Pulver.

Guter Ersatz bei guter Haltung

"Grundsätzlich spricht nichts dagegen, die Larven in der Fütterung von Hunden als Ersatz für Fleisch einzusetzen", sagt Qendrim Zebeli, Leiter des Instituts für Tierernährung und funktionelle Pflanzenstoffe an der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Es komme aber stark auf die Qualität der Larven an – und was diese zu fressen bekommen haben.

Mops Ami war für das Eis nicht zu begeistern.
Foto: regine hendrich

Auch die Haltungsbedingungen seien wichtig. Säugetiere könnten verschiedene Schadstoffe viel besser "filtrieren", bei Insekten blieben sie eher im "Fleisch". Zebeli: "Ich würde ohne Bedenken Fleisch essen, aber bei Insekten würde ich es mir zweimal überlegen, ob ich sie ohne vorangegangene Analyse essen würde." Wenn der Rohstoff regelmäßig getestet wird, sei er aber als Ersatz für Fleisch geeignet.

Eis nicht ideal

Der Eisgenuss hingegen für Hunde ist hilfreich fürs Marketing, aber nicht zwingend für den Hund: "Etwas Gutes tut man dem Hund damit nicht", sagt Zebeli. Die ideale Temperatur von allem, was ein Hund zu sich nimmt, ist die Zimmertemperatur, sagt der Experte. Zu Kaltes könne Magenverstimmungen auslösen.

Durch das langsame Abschlecken der Eisschichten könnten die Hunde das Eis mit der Zunge aufwärmen, sagen die Gründerinnen.
Foto: regine hendrich

Seit 2021 arbeitet gs’hund an den Insektenleckerlis, ein 80-Gramm-Sackerl wird am Stand für 4,90 Euro verkauft, es gibt sie auch in ausgewählten Tierbedarfsgeschäften. Das sei aber nur der erste Schritt, sagen die Gründerinnen: Gerade stecken sie in den Vorbereitungen für Nassfutter aus Insekten. Jetzt schon verkaufen sie Wurfspielzeuge aus alten Kletterseilen.

Abkühlung in der Klimakrise

Das Hundeeis, räumen Castka und Haddu gerne ein, ist ein Gag – ihr Fokus sind die Leckerlis. Aber gerade wenn es so heiß ist, ziehe das Eis halt die Leute an, und man komme ins Gespräch über Hundegesundheit und Klimawandel. An Magenverstimmungen glauben sie nicht, weil die Hunde das harte Eis ohnehin nur Schicht für Schicht schlecken können und deshalb mit der Zunge wärmen, bevor es in den Magen kommt.

Und im Sommer sei das Eis für viele Hunde angenehm. Gerade weil Hunde in der heißen Stadt besonders leiden – wodurch sich Castka und Haddu in ihrem Bemühen um klimafreundliches Hundefutter bestätigt fühlen. (Sebastian Fellner, 21.7.2022)