Das Fach "Digitale Grundbildung" ist ab Herbst Pflicht für alle 10- bis 14-Jährigen.

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Die "Digitale Grundbildung" gibt es seit 2018 an den Schulen Österreichs. Vorerst nur als "Verbindliche Übung", also ohne Noten, wird das Digitalfach im kommenden Schuljahr zur Pflicht für alle Zehn- bis 14-Jährigen an Mittelschulen und AHS-Unterstufen. Doch am Unterrichtsmaterial gibt es massive Kritik: Das Schulbuch "vernetzt" enthält laut dem IT-Experten Martin Leyrer eine Fülle an grundlegenden Fehlern.

Veraltete Bilder, falsche Darstellung

Das beginnt bei der Darstellung eines Computers: Ein Bild zeigt einen Rechner mit PS/2 Ports für Maus und Tastatur sowie seriellen und parallelen Anschlüssen – vor allem Letztere sind jedoch spätestens seit den frühen 2000ern kaum noch im Einsatz, da sie durch den moderneren USB-Anschluss abgelöst wurden.

Seriell, parallel, PS/2: Ein Blick in die Computergeschichte.

Aber es sind nicht nur Details für Technik-Feinspitze und veraltete Fotos, sondern auch handfeste inhaltliche Fehler: Wie futurezone berichtet, findet sich auf Seite 29 folgender Satz: "Am Institut Cern in Genf wird das World Wide Web, der Ursprung des Internets, entwickelt." Das ist faktisch falsch, so Leyrer.

Zwar wird das World Wide Web umgangssprachlich oft mit dem Internet gleichgesetzt, es ist jedoch nicht dasselbe. Die Entwicklung des Internets begann 1969 als Arpanet und wurde zuerst zur Vernetzung von Uni-Großrechnern und Forschungsstätten genutzt – Internet steht ja für INTERconnected NETworks. Das World Wide Web entstand 1989 am Cern. Tim Berners-Lee ist sein Erfinder, und es ist nur eine von vielen Anwendung des Internets. An einer anderen Stelle im Buch wird sein Name falsch geschrieben und aus Tim Berners-Lee wird Tim Burners-Lee.

WWW und Internet sind nicht dasselbe: Darüber machen sich sogar Tim Berners-Lee und Vinton G. Cerf lustig.

Auf Seite 29 in dem Schulbuch heißt es außerdem: "Die Firma Amazon bringt in den USA den ersten Smartspeaker Echo auf den Markt. Dieser Lautsprecher erkennt und verarbeitet mit dem künstlichen Intelligenzsystem Alexa." Das Problem daran: Alexa ist keine künstliche Intelligenz.

Auf derselben Seite heißt es, Alan Turing hätte 1936 die Turingmaschine entwickelt. "Diese Maschine arbeitete im Wesentlichen schon so wie heutige Computer", heißt es da. Auch das ist nicht korrekt: Die Turing-Maschine war ein mathematisches Modell und kein physisches Gerät, so Leyrer.

Digitale Variante wird überarbeitet

"World Wide Web und Internet werden im täglichen Sprachgebrauch mittlerweile austauschbar verwendet, aber in einem Schulbuch für Digitale Grundbildung ist das aus didaktischer, pädagogischer und technischer Sicht falsch", sagt Leyrer im Gespräch mit futurezone. "Das Schulbuch spiegelt wider, welchen Stellenwert IT-Ausbildung in Österreich hat", so Leyrer, der seit 30 Jahren mit Computern in der IT arbeitet. Warum die Fehler bislang niemandem aufgefallen sind? "Die Lehrkräfte, die sich auskennen, benützen dieses Buch wahrscheinlich nicht. Und jene, die es benötigen, erkennen die Fehler nicht. Es gibt auch keine zentrale Feedback-Stelle, bei der man Fehler melden kann. Eine fachliche Prüfung findet offenbar weder im Verlag noch im Ministerium statt."

Aber im Gespräch mit dem STANDARD findet Leyrer auch ein wenig Lob für das Buch: "Die wichtigen Inhalte sind zum Glück im Buch: Welche Daten sollen wir im Web/Internet preis geben, kritischer Umgang mit Medien, etc. Hierauf wurde überraschender Weise bei der Erstellung des Lehrplans nicht vergessen. Es sind halt auch die üblichen "wie benutze ich Programm XY" enthalten, aber hier setze ich auf die Lehrerinnen und Lehrer, dass sie im Unterricht die Prioritäten passend setzen." Außerdem verweist Leyrer auf die Inititative saferinternet.at

Der Schulbuchverlag ÖBV hat inzwischen angekündigt, die digitale Ausgabe bis zum Herbst zu überarbeiten. "Unsere Lehrmittel werden – abgesehen vom intensiven Begutachtungsprozess – mindestens zweimal, oft dreimal lektoriert und kontrolliert", teilte der ÖBV mit. Diese Bearbeitungen erfolgen üblicherweise durch eine Fachredaktion, sowie gemeinsam mit externen Fachleuten. "Im vorliegenden Fall ist ein Experte aus der Mediendidaktik im Kernteam, um sicherzustellen, dass komplexe technische Zusammenhänge lehrplangemäß und altersgerecht für 10- bis 14-Jährige aufbereitet werden", teilte das Unternehmen mit. Der gesamte Prozess vom Konzept bis zum fertigen Layout kann bis zu zwei Jahre dauern. (red, 19.7.2022)