Umweltministerin Tanya Plibersek war sichtlich gerührt, als sie sich am Dienstag in Canberra den Medien stellte. Der neueste Fünfjahresbericht einer Gruppe von 30 Expertinnen und Experten zum Zustand der australischen Umwelt sei ein "schockierendes Dokument". Bergbau, Rodungen, invasive Pflanzen- und Tierarten sowie Klimawandel werden in dem Bericht als Hauptverursacher einer Vielzahl von Umweltproblemen verantwortlich gemacht, mit denen sich der fünfte Kontinent konfrontiert sieht.

Opfer des Raubbaus an der Natur: Der australische Koala gilt inzwischen als hochgradig gefährdet.
Foto: Saeed KHAN / AFP

So ist laut den Wissenschaftern die Zahl der bedrohten Arten allein in den letzten fünf Jahren um acht Prozent gestiegen. Die Belastung vieler Ökosysteme sowohl auf dem Land als auch im Meer durch die Folgen des Klimawandels habe zum Teil dramatisch zugenommen. In praktisch allen Ökosystemen habe sich die Situation in den letzten Jahren verschlechtert, so die Forscher.

Besonders dramatisch ist die Entwicklung bei den Säugetieren. Australien hält unter den Kontinenten den traurigen Rekord, in den etwas über 200 Jahren seit Beginn der Kolonialisierung im Jahr 1788 39 der rund 400 Säugetierarten verloren zu haben. Seit der letzten Studie im Jahr 2016 seien 17 weitere Säugetierarten, 19 Amphibien- und 17 Vogelarten neu auf die Liste der bedrohten Arten aufgenommen worden oder gelten sogar als vom Aussterben bedroht. Auch der Koala gilt inzwischen als hochgradig gefährdet.

Teils massive Zerstörung von Lebensraum

Dieses vielleicht ikonischste Tier Australiens leidet wie viele andere unter der Zerstörung von Lebensraum. Umweltschutzverbänden zufolge hat Australien eine ähnlich hohe Rodungsrate wie das Amazonasgebiet. Der Bericht schreibt, zwischen 2000 und 2017 seien rund 7,7 Millionen Hektar Land abgeholzt worden, oftmals illegal. Die Täter blieben in der Regel unbestraft.

Während im tropischen Norden des Kontinents der Boden mehrheitlich zur Zucht von Fleischrindern genutzt wird, fallen im Süden die Lebensräume der Koalas der Zersiedelung zum Opfer. Vor allem kleinere Säugetiere und Vögel werden von ins Land eingeführten Schädlingen gefressen, allen voran Füchsen und verwilderten Hauskatzen.

Klimawandel verschärft die Lage

Die Folgen des Klimawandels haben wesentlich zur Verschlechterung der Situation beigetragen. Die Intensität und Häufigkeit extremer Wetterereignisse ändere sich, so die Forscher. In den letzten fünf Jahren hätten extreme Ereignisse wie Überschwemmungen, Dürren, Waldbrände, Stürme und Hitzewellen alle Teile Australiens betroffen. Die saisonalen Feuerperioden würden immer länger und dauerten inzwischen bis zu acht Monate.

Fachleute fordern seit Jahren, Australien als führender Exporteur von Kohle müsse auf die Förderung des erwiesenermaßen klimaschädigenden Rohstoffs verzichten, sollte die Welt die globalen Temperaturen in den Griff bekommen wollen.

Plibersek machte "mehr als ein Jahrzehnt Untätigkeit und vorsätzliche Ignoranz" der Vorgängerregierung unter Ex-Premierminister Scott Morrison verantwortlich für die Eskalierung. Morrison hatte den Bericht seit vergangenem Jahr vorliegen, die Veröffentlichung vor den jüngsten Wahlen aber verhindert. Die klimaskeptische Haltung und der Fokus auf die weitere Ausbeutung fossiler Ressourcen durch die Konservativen hätten laut Analysten dazu beigetragen, dass die Regierung Ende Mai die Macht an die sozialdemokratische Labor Party verlor. Kurz nach Amtsübernahme erhöhte der neue Premierminister Anthony Albanese das Klimaschutzziel Australiens. (Urs Wälterlin, 19.7.2022)