Ein altes Haus abzureißen und stattdessen neu zu bauen, braucht im Vergleich zu einer Vollsanierung vier Mal so viele Ressourcen.

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Wie wir bauen, sollte sich schleunigst ändern. Das zeigen unter anderem diese Zahlen: 37 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen sind auf den Gebäudesektor zurückzuführen, ebenso wie 50 Prozent des weltweiten Ressourcenverbrauchs und 36 Prozent des Müllaufkommens.

Eine Schraube, an der gedreht werden kann, ist das Volumen unserer Neubauten. "Jeder Bauherr will ein Drittel mehr Fläche, als er Geld hat", sagt der Architekt Juri Troy und erzählt, dass der erste Planungsschritt meist sei, gemeinsam mit den Kundinnen und Kunden die Quadratmeterzahl zu reduzieren – nicht nur aus Kostengründen. Denn die Reduktion an Volumen bringe auch die größte Ressourceneinsparung. Die Qualität eines Hauses leide darunter keinesfalls, es müsse bei der Planung von Raum ein Umdenken stattfinden: "Nicht jede Funktion in einem Haus braucht auch ein eigenes Zimmer", sagt der Architekt.

Häufig wird noch in alten Strukturen gedacht: Dann entstehe eine 60 Quadratmeter große Gangfläche, und es wird Zimmer an Zimmer gereiht. "Wir haben jahrzehntelang so gebaut, zigtausende Häuser stehen herum, die so aussehen. Dadurch hat sich diese Struktur ganz tief in die Köpfe der Menschen eingebrannt", sagt Troy und weiß, dass fast alle, die bauen wollen, ihr eigenes Elternhaus im Hinterkopf haben: "Damit wird das zur Referenz, was so viele Jahre lang falsch gelaufen ist."

Flächenverbrauch steigt

Im Schnitt hat in Österreich jede und jeder 45 Quadratmeter Wohnfläche zur Verfügung, in manchen Bundesländern sind es noch zehn Quadratmeter mehr. Und der Flächenverbrauch steigt jedes Jahr weiter an. "Vier Menschen leben statistisch damit auf 200 Quadratmetern – da stellt man sich doch die Frage, was machen die dort?", sagt Troy. Spätestens wenn die Kinder ausgezogen sind, müssen sich viele dann überlegen, wie sie die leerstehenden Zimmer nun nutzen sollen.

Neben der Größe unserer Gebäude spielt auch die Art, wie wir bauen und wohnen wollen, eine Rolle. Gute Architektur kann viel richten; sie bestimmt etwa, wie heiß es im Sommer in einem Gebäude wird. "Wer eine Klimaanlage braucht, hat bei der Planung viel falsch gemacht", sagt Troy. Nicht zuletzt, weil Klimaanlagen die Erderwärmung weiter befeuern.

Auch wo und wie Fenster eingesetzt werden, beeinflusst, wie stark der Wohnraum geheizt oder gekühlt werden muss. "Wir sollten alle überdenken, was wir in einem Zuhause wirklich brauchen", sagt Christina Brunner vom Fensterhersteller Velux. Als Beispiel: "Was bringen große Fensterfronten, wenn gegen Hitze und Einblicke am Ende ohnehin immer mit Vorhängen alles zugezogen wird und man weder Ausblick noch Lichteinfall hat?"

Sie plädiert auch dafür, bestimmte Komfortansprüche zu überdenken. Es sei nicht notwendig, im Sommer wie in Kühlschränken zu wohnen: "Wenn es draußen 32 Grad hat, sind drinnen 26 Grad auch in Ordnung. Genauso reichen auch im Winter 22 Grad." Man könne ja einen Pullover anziehen.

Langfristig rentabel

Wer sich ein gutes, durchdachtes Haus wünscht, das Energie sparen hilft und somit dem Klima nicht weiter schadet, ist bei Architektinnen gut aufgehoben. Etwa so viel wie zehn Quadratmeter Nutzfläche kostet eine Planung mit Architekt. Ein Preis, den viele hierzulande nicht bereit sind zu zahlen. Dabei rentiert sich das langfristig, weil es beim Wohnen nicht nur um die Anschaffungskosten geht, sondern auch um den laufenden Betrieb – hier können über die Jahre durch gute Planung Kosten eingespart werden.

Generell sind kostengünstiges Bauen und Nachhaltigkeit auf lange Sicht keine Gegensätze. "Wir müssen wegkommen von dieser Geiz-ist-geil-Mentalität, bei der wir uns lieber was Günstiges anschaffen, das wir aber dafür in zwei Jahren ersetzen müssen", sagt Troy. Gebäude solle man eher als Investition ins Leben sehen, dessen Strukturen man auch in 100 Jahren noch nutzen will. "Leider wird heutzutage viel abgerissen, was eigentlich nicht sehr alt ist, aber von sehr schlechter Qualität", sagt der Architekt.

Neubau stoppen

Dabei spielt auch die Qualität der Baustoffe und ihre Nachhaltigkeit eine Rolle. "Früher war es ganz normal, dass mit dem Material gearbeitet wurde, das in der Umgebung vorhanden war – das war von sich aus energieeffizienter", sagt Troy. Heute ist das anders. Baustoffe werden in Plastik verpackt und von weit her transportiert, was zusätzlich zu ihrer Produktion den CO2-Ausstoß erhöht. "Wir haben verlernt, so zu bauen, wie es ursprünglich logisch war. Dort sollten wir aber wieder anknüpfen", wünscht sich der Architekt. Eine Möglichkeit wäre etwa, Material von abgerissenen Gebäuden für Neubauten oder Sanierungen wiederzuverwenden.

Zu guter Letzt wird von Planern und Wissenschaftern in der jüngeren Vergangenheit immer wieder die Forderung laut, den Neubau von Gebäuden komplett zu stoppen. "Es gibt so viel Leerstand, den wir umnutzen könnten, bevor wir wieder an den Neubau und weitere Versiegelung von Boden denken", sagt auch Brunner.

Stefan Breuer vom Studiengang Architektur an der Fachhochschule Kärnten stimmt zu: Ein Neubau brauche im Vergleich zu einer Vollsanierung viermal so viele Ressourcen, weiß er. "Wir sollten uns fragen, ob man Neubauten überhaupt noch braucht. Eigentlich können wir es uns nicht mehr erlauben, abzureißen und effizientere Gebäude hinzustellen", sagt er. Es sei höchste Zeit, den CO2-Verbrauch zu reduzieren und ihn nicht noch weiter zu befeuern. (Bernadette Redl, 30.7.2022)