EZB-Präsidentin Christine Lagarde könnte am Donnerstag einen weitreichenderen Schritt verkünden als bisher angenommen.

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Frankfurt – Die Europäische Zentralbank (EZB) erwägt laut Insidern für die anstehende Zinswende einen kräftigen Schritt nach oben, um die ausufernde Inflation einzudämmen. Laut der Nachrichtenagentur Reuters wird auf der Sitzung am Donnerstag neben einer Erhöhung um einen Viertelprozentpunkt auch eine mögliche Anhebung um einem halben Punkt zur Sprache kommen.

Es gebe eine breite und noch offene Debatte, wie hoch der Schritt letztlich ausfallen solle. Einige Währungshüter mahnten mit Blick auf eine womöglich heraufziehende Rezession allerdings zur Vorsicht.

Lagarde hatte Anhebung um 0,25 Prozentpunkte in Aussicht gestellt

Die EZB wollte sich auf Anfrage nicht zu den Informationen äußern. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte eigentlich nur eine Anhebung um einen Viertelprozentpunkt in Aussicht gestellt und erst für September eine womöglich kräftigere Erhöhung. Sie hatte jedoch die Tür für eine kräftigere Zinswende offengelassen.

Der Euro stieg nach den Signalen für eine womöglich kräftigere Zinswende um ein Prozent auf 1,0245 Dollar. Die Aussicht auf einen größeren Zinsschritt setzte zugleich den Staatsanleihen im Euroraum zu. Im Gegenzug zogen die Renditen an. "Es wäre überraschend, wenn sie sich für eine Anhebung um 50 Basispunkte entscheiden würden, da die Mehrheit der politischen Entscheidungsträger eine Anhebung um 25 Basispunkte signalisiert hat", sagte Jan von Gerich, Chefanalyst des Finanzkonzerns Nordea. Der Ausverkauf an den Anleihemärkten deute aber darauf hin, dass Anleger kein Risiko eingehen wollten und sich nun für einen größeren Zinsschritt der EZB in Stellung brächten.

Preissteigerung weit über Inflationsziel

Der rasante Anstieg der Energiepreise hat die Inflation im Euroraum auf ein neues Rekordniveau getrieben und setzt die EZB damit unter Zugzwang. Die Verbraucherpreise legten im Juni um 8,6 Prozent zum Vorjahresmonat zu. Im Mai hatte die Teuerung bereits bei 8,1 Prozent und im April bei 7,4 Prozent gelegen. Die EZB verfehlt damit ihr Inflationsziel deutlich. Sie strebt zwei Prozent als optimalen Wert für die Wirtschaft an.

Nach mehr als einem Jahrzehnt einer ultralockeren Geldpolitik wollen die Währungshüter nun am Donnerstag erstmals wieder ihre Zinszügel straffen. Unter den führenden Notenbanken ist die EZB in puncto Zinswende ein Nachzügler. In den USA hat die Federal Reserve schon viel früher auf den anhaltenden Inflationsschub mit Zinserhöhungen reagiert. Die Fed hob im Juni ihre Leitzinsen sogar um 0,75 Prozent an, was der größte Zinsschritt seit 1994 war. Die EZB hält dagegen ihren Schlüsselsatz noch auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent, auf dem er bereits seit März 2016 liegt. Seit 2014 liegt zudem der Einlagensatz im Minusbereich, was für Banken Strafzinsen bedeutet, wenn sie bei der Notenbank überschüssige Liquidität parken. Seit Herbst 2019 steht der Satz bei minus 0,5 Prozent. (APA, Reuters, 19.7.2022)