Ingrid Reischl, die abwechselnd mit dem ÖVP-nahen Peter Lehner den Vorsitz der Konferenz der Sozialversicherungsträger innehat und stellvertretende Obfrau der AUVA ist, sieht Rechte missachtet. Der Verwaltungsgerichtshof gibt ihr recht.

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Wien – Wieder etwas Neues zu Besetzungsvorgängen an der Spitze des Dachverbands der Sozialversicherungsträger: Ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs liegt nun vor, wonach bei der Bestellung Martin Brunningers und seines Stellvertreters, Alexander Burz, Rechte missachtet worden seien. Dieses Erkenntnis kommt nur wenige Tage nach der Suspendierung und dem Rücktritt Brunningers, dem Büroleiter des Dachverbands der Sozialversicherungsträger, vergangene Woche. Allerdings steht es damit nicht in Zusammenhang.

Die damalige Überleitungskonferenz (ÜK) hatte Ende Juni 2019 viermal getagt, um Büroleitung und Stellvertreter zu bestellen. Am 25. Juni 2019 zum Beispiel gleich zweimal. Dazu ist wichtig zu wissen, dass in dieser Konferenz zehn Mitglieder sitzen sollten, die den Büroleiter und dessen Stellvertreter bestellen sollten. Kommt etwas zur Abstimmung, muss es bei erstmaliger Abstimmung einstimmig zu einer Entscheidung kommen. In einer neuerlichen Sitzung reichen aber sieben Stimmen, womit die roten Arbeitnehmervertreter in dem Gremium überstimmt werden konnten.

Zu spät informiert

Ebenjene waren es auch, die rechtliche Schritte gegen den Bestellvorgang angestrengt hatten – Ingrid Reischl, die abwechselnd mit dem ÖVP-nahen Peter Lehner den Vorsitz der Konferenz der Sozialversicherungsträger innehat und stellvertretende Obfrau der AUVA ist, ÖGK-Obmann Andreas Huss, und Peter Schleinbach von der Pensionsversicherungsanstalt (PVA). Der Verwaltungsgerichtshof entschied nun, dass Mitglieder des damals Überleitungskonferenz genannten Gremiums zu spät eingeladen worden seien und Unterlagen zu spät ausgehändigt wurden.

"Es sind fundamentale Rechte, dass rechtzeitig zu den Sitzungen eingeladen wird und dass sie auch die Unterlagen bekommen – diese Rechte sind verletzt worden", fasste Anwalt Dominik Öllerer zusammen.

Ministerium wartet noch

Nun sei das Gesundheitsministerium wieder am Zug, die Entscheidungen von damals zu prüfen – und aus Sicht der drei Arbeitnehmervertreter auch aufzuheben. Im Ministerium hieß es, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs dort noch nicht eingelangt sei und man daher noch keinen Kommentar dazu abgeben könne.

Was dieses Erkenntnis in weiterer Konsequenz für weitere Schritte bedeutet, die die beiden Betreffenden in ihren Funktionen gesetzt haben, ist noch unklar. Burz, der ehemals als ÖVP-Politiker tätig gewesen war und mit Brunningers Rücktritt dessen Aufgaben übernommen hat, dürfe keine eigenständigen Entscheidungen mehr fällen, waren sich Reischl und Co einig.

Viel Kritik an Büroleiter

Brunningers Name war in den vergangenen Tagen in den Schlagzeilen, weil ihm vorgeworfen wird, bei der Veranlagung von Rücklagen gegen die Geschäftsordnung verstoßen zu haben. Er wurde suspendiert und verkündete daraufhin seinen Rücktritt. Es gilt die Unschuldsvermutung. Brunninger war seit 1. Juli 2019 Büroleiter des Dachverbands der Sozialversicherungsträger gewesen, davor hatte er international Karriere gemacht, beispielsweise im Bankenbereich mit Schwerpunkt Gesundheitswesen und als Berater. Durch die Kassenreform unter Schwarz-Blau wurde seine Position neu geschaffen. Brunninger wird nachgesagt, über ein FPÖ-Ticket in diese Funktion gekommen zu sein, er selbst sagt, dass er kein FPÖler sei. Brunninger weist die Vorwürfe zur angeblichen Verletzung der Geschäftsordnung vehement zurück und sagte dem STANDARD, dass im Dachverband schon lange gegen ihn gearbeitet werde.

In einem Rechnungshof-Rohbericht wird kritisiert, dass das Bestellungsverfahren intransparent gewesen sei. Die fachliche Eignung sei nur zu zehn Prozent gewichtet worden, zu 30 Prozent ein Persönlichkeitstest, der persönliche Eindruck bei einem Interview mit einem Personalberater hingegen zu 60 Prozent. Allerdings sei, so berichtet "Profil", dem Rechnungshof nicht dargestellt worden, auf welchen Grundlagen der Personalberater seine Einschätzung traf. Es gebe dazu keine internen Unterlagen des Dachverbands.

"Nicht wirklich angekommen"

Reischl sagte am Dienstag auf die Frage, ob die Zweifel an Brunningers fachlicher Eignung sich dann, als er in der Position war, bestätigt hätten, ihr Eindruck sei gewesen, dass er nicht wirklich angekommen sei in der Sozialversicherung. Er habe sich damit schwer getan, dass es eine Selbstverwaltung gibt, Spielregeln und eine Geschäftsordnung. Im STANDARD-Gespräch hatte Brunninger gesagt, dass ihm bei Vorhaben wie etwa einem gemeinsamen Immobilienmanagement oder anderen Maßnahmen, die er infolge der Kassenfusion geplant habe, in dem rot-schwarz dominierten Dachverband der Sozialversicherungsträger Steine in den Weg gelegt worden seien. (Gudrun Springer, 20.7.2022)