
Strache beim Prozessauftakt am 6. Juni dieses Jahres.
Wien – Es waren zwei Wörter mit Folgen: "Wie vereinbart" war der Betreff der Überweisungen, die von Unternehmer Siegfried Stieglitz an den FPÖ-nahen Verein Austria in Motion gingen. Was denn da vereinbart worden sei, fragte sich die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) im Zuge ihrer Ermittlungen nach Ibiza – und die Antworten auf diese Frage sollen seit Anfang Juni vor Gericht geklärt werden.
Aus Sicht der WKStA ist klar: Vereinbart war, dass Stieglitz für diese Spende einen Aufsichtsratsposten erhalten werde. Schlussendlich landete der Immobilienunternehmer ja im Aufsichtsrat der Asfinag; auch bei den ÖBB war er im Gespräch gewesen.
Am Dienstag versuchte Stieglitz’ Verteidigung, die zwei Wörter mit der Zeugenaussage einer Mitarbeiterin zu entkräften. Die gab nämlich an, nahezu alle Überweisungen mit dem Betreff "Wie vereinbart" zu versehen. Das sei auch in diesem Fall ohne Hintergedanken erfolgt. Stieglitz habe sie angewiesen, den inkriminierten Betrag in der Höhe von 10.000 Euro zu stückeln und zeitversetzt zu überweisen. Hinterfragt habe sie das nicht, so die Zeugin vor Gericht.
Sie sei es auch gewesen, die der FPÖ zuvor eine Busmiete verrechnet habe. Stieglitz habe seinen alten Freund Strache nämlich im Wahlkampf unterstützen, aber nicht als Spender aufscheinen wollen. Hätte er den Blauen sein "mobiles Büro" kostenfrei als Wahlkampfbus zur Verfügung gestellt, wäre das jedoch als Sachspende publik geworden.
"Kostenrecherche"
Daher sollte seine Mitarbeiterin dann nach einer "Kostenrecherche" eine Rechnung ausstellen – die übrigens ungefähr in der Höhe jener Summe war, die Stieglitz später spendete. Das habe er nämlich getan, damit er sich nicht an der FPÖ bereichere, gab Stieglitz mehrfach an.
Er selbst habe in möglichst viele Aufsichtsräte einziehen wollen, hatte der Unternehmer vor der WKStA ausgesagt. Um diese Pläne ging es dann nach der Befragung der Zeugin, als wieder Strache selbst auf dem "heißen Stuhl" Platz nahm. Die Richterin fragte ihn da zu Sidelettern der türkis-blauen Regierung, in denen ja auch Personalia vermerkt waren. Es habe viele Sideletter gegeben, er selbst habe diese nicht gehabt, sagte der frühere Vizekanzler. Überhaupt habe sich die ÖVP nicht immer an die Vereinbarungen gehalten, wollte Strache ausführen, was für die Richterin jedoch nichts zur Sache tat.
Am frühen Nachmittag erschien zu dieser Thematik dann ein weiterer prominenter Zeuge, der frühere Infrastrukturminister Andreas Reichhardt. Der blaue Beamte war einst Generalsekretär von Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) gewesen, außerdem von 2018 bis 2019 Aufsichtsrat bei ÖBB und Asfinag. Bei Stieglitz' Bestellung dorthin war Reichhardt also hautnah dabei gewesen. Er gab vor der Richterin an, "keine Wahrnehmung" zu einer Gegenleistung in diesem Konnex gehabt zu haben. Stieglitz sei ein "tadelloser" Aufsichtsrat gewesen, jemand mit Immobilien-Know-how sei "eine gute Sache". Das hätte auch für die ÖBB gegolten, doch dort sei trotz Stieglitz’ Wünschen "jemand anderer in den Aufsichtsrat" gekommen.
Der weitere Fahrplan
Mehr Einblicke erhofft sich die Richterin von Gilbert und Philipp Trattner. Ersterer ist in Aufsichtsräten der ÖBB aktiv, Letzterer – dessen Sohn – im Sportministerium, das ja einst von Strache geleitet worden war.
Ein Urteil ist erst nächste Woche zu erwarten, avisiert wird Freitag, der 29. Juli. Elf Monate zuvor, Ende August 2021, war Strache ja bereits der Bestechlichkeit schuldiggesprochen worden, da war es um Vorgänge rund um den Privatklinikenfonds und Unterstützung für Straches Freund Walter Grubmüller gegangen. Strache hat dagegen berufen, das Verfahren läuft noch. Ermittelt wird außerdem in der Causa Casinos und in der Spesenaffäre. Es gilt die Unschuldsvermutung. (Fabian Schmid, Renate Graber, 19.7.2022)