Auf dem Papier ist Kanzler Karl Nehammer ein Kommunikationsprofi. Er absolvierte an der Universität Krems bei Peter Filzmaier den Masterlehrgang Politische Kommunikation und machte eine Ausbildung zum Kommunikationstrainer am Managementinstitut der Industrie.

An Nehammer ist sehr anschaulich zu beobachten, wie weit Theorie und Praxis auseinanderklaffen können.

Karl Nehammer sagte den Besuch der Bregenzer und Salzburger Festspiele ab.
Foto: AP Photo/Geert Vanden Wijngaert

Sein Kommunikationsverhalten ist sehr auffällig. Beim Parteitag sprudelte es aus ihm heraus, dass ihm heute vor seinen Parteifreunden das Virus völlig egal sei. Die Affäre um die betrunkenen Cobrabeamten in seiner Wohnung war ein einziges Kommunikationsdesaster. Und jüngst warnte der Kanzler: "Wenn wir jetzt so weitermachen, gibt es für euch nur zwei Entscheidungen: Alkohol oder Psychopharmaka."

Aufgestachelt von der SPÖ-Opposition, er soll nicht so viel in der Weltgeschichte herumfahren, sondern sich hierorts um die Krise kümmern, sagte Nehammer jetzt spontan den Besuch der Bregenzer und Salzburger Festspiele ab. Er wolle sich stattdessen auf den Kampf gegen die Teuerung konzentrieren.

Nehammer will sich also als "Krisenkanzler" in die Kommunikation einbringen und ist dabei in die Populismusfalle getappt. Die Festspiele sind nicht ein reines Politikervergnügen, sondern zum einen auch eine Möglichkeit, sich zu vernetzen, die Bewältigung der Krisen auch auf dieser kulturellen Ebene zu besprechen. Und es geht auch darum, der Kunst, den Künstlern und Künstlerinnen, diesem für Österreich so sinnstiftenden Teil der Gesellschaft seine Wertschätzung zu zeigen. Auch dieser Sektor hat in den Jahren der Pandemie besonders gelitten und wird auch in der Wirtschaftskrise die unbedingte Unterstützung der Regierung brauchen.

Darum geht es und nicht um einen parteipolitisch-populistischen Nutzen dieser Absage des Besuchs der Festspiele. So fühlt man Absicht, und man ist verstimmt. (Walter Müller, 20.7.2022)