Die Finanzierung einer Strompreisstützung für die Bevölkerung fehlt Finanzminister Magnus Brunner noch.

Fotos: Robert Newald

So locker wie bei Magnus Brunner saß bei keinem Finanzminister das Geld. Kaum ein Monat ohne neues Entlastungspaket in Milliardenhöhe. In außergewöhnlichen Zeiten dürfe es keine Denkverbote geben, sagt Brunner.

STANDARD: Nach drei Energie- und Inflationsentlastungspaketen prüfen Ihre Experten nun doch einen Preisdeckel. Ist das Geld doch abgeschafft?

Brunner: Nein, natürlich nicht. Denn wir reden nicht über einen Preisdeckel, sondern über eine Art Rechnungsdeckel, also eine Begrenzung der Kosten. Das ist ein Riesenunterschied! Man muss auch differenzieren zwischen Strom und Gas. Wir reden über eine Begrenzung der Stromkosten. Das Wesentliche am Vorschlag von Wifo-Direktor Felbermayr ist, dass wir den Markt nicht außer Kraft setzen, sondern den Menschen einen Teil der Stromkosten erlassen. Der andere Teil bleibt im aktuell sehr hohen Marktpreis.

STANDARD: Sie sagen, Strom und/oder Gas? Warum nur Strom? Die Preissteigerungen beim Gas sind ja viel höher ...

Brunner: Genau das müssen wir uns jetzt seriös anschauen, denn die Problematik ist sehr komplex. Jeder braucht Strom, aber nicht jeder braucht Gas. Aber ja, der Gaspreis ist höher, und der Strompreis wird über die Merit-Order vom Gaspreis massiv mitbestimmt. Markteingriffe ergeben nur auf europäischer Ebene Sinn, sonst subventionieren wir den Strom, der zu Abnehmern in Deutschland, Italien oder Slowenien fließt. Ein Gaspreisdeckel macht national auch keinen Sinn, da brauchen wir europäische Lösungen, beispielsweise einen gemeinsamen Gaseinkauf. Da sind sich alle Experten einig.

Von einem Preisdeckel hält Finanzminister Magnus Brunner wenig, das funktioniere nur im internationalen Konzert.
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STANDARD: Es ist fast schon wieder lustig: Jetzt rufen alle nach der EU. Die Energie war jahrzehntelang Domäne der Nationalstaaten. Und jetzt ruft ausgerechnet Österreich nach Europa: "Machts endlich was!"

Brunner: Die Frage ist: Was ist wirksam? Das spanische Modell, für das es eine Ausnahme der EU gibt, ist nur dann sinnvoll, wenn es sich um einen mehr oder weniger abgeschlossenen Markt handelt wie auf der Iberischen Halbinsel. Österreich liegt aber mitten in Europa, und unsere Wirtschaft ist extrem vernetzt.

STANDARD: Zurück zum Rechnungsdeckel, wie Sie es nennen. Das klingt so, als wäre das aufkommensneutral, würde kein Steuergeld kosten.

Brunner: Nein, natürlich. Das kostet extrem viel Geld. Irgendjemand muss ja die Differenz zum Marktpreis zahlen. So ehrlich muss man sein, das ist ein Riesenaufwand, und es kostet uns. Deshalb muss geklärt werden, ob es für Gas und Strom gilt. Wie werden Haushalte behandelt, die mit Wärmepumpen heizen oder Photovoltaikanlagen haben? Wie ist es administrierbar? Genau diese Fragen müssen wir uns stellen – und natürlich, was es kostet. Geht es um Haushaltsgrößen? Geht es um Quadratmeter? Das ist nicht trivial.

STANDARD: Böse Zungen lästern, dass Wifo-Chef Gabriel Felbermayr jetzt die Suppe auslöffeln muss, die er sich selber eingebrockt hat ...

Brunner: (lacht) Er muss es dann bewerten. Die Energiewirtschaft und das Energieministerium sind gefordert, sie müssen das federführend ausarbeiten, und die Wirtschaftsforscher müssen es bewerten. So ist eigentlich die richtige Reihenfolge.

STANDARD: Bundeskanzler Karl Nehammer macht Druck, bis zur Heizsaison soll etwas Brauchbares vorliegen. Alle drängen plötzlich, es müsse ganz, ganz schnell gehen ...

Brunner: Das muss seriös und mit kühlem Kopf konzipiert werden. Jetzt wirken einmal die Steuerreform, die Energieentlastungspakete, und im Herbst kommt die nächste Entlastung bis hin zur Abschaffung der kalten Progression.

STANDARD: Stichwort "wirken lassen": Wie erklären Sie sich, dass sich nach dem x-ten Entlastungspaket in der Bevölkerung der Eindruck verfestigt, die Politik tue nichts gegen Inflation und Energiekrise?

Brunner: Das ist eine gute Frage. Denn im Jänner und im März und zuletzt im Juni haben wir schnell reagiert und auch große Volumina bewegt, während andere europäische Länder ihre Maßnahmen teilweise noch nicht einmal durchs Parlament gebracht haben. Wir waren extrem schnell und haben versucht, sehr zielgerichtet zu helfen.

Bei der CO2-Bepreisung will Finanzminister Brunner sehr genau hinschauen.
Foto: Robert Newald

STANDARD: Die Regierung pumpt Milliarden an Steuergeld in die Stützung des Strompreises, und im Herbst setzen wir den CO2-Preis drauf, der die Preise wieder hochtreibt. Klingt irgendwie pervers, nicht?

Brunner: (lacht) Der CO2-Preis ist im Kombipack mit der Entlastung über den regionalen Klimabonus als Teil der Steuerreform konzipiert, jetzt ergänzt durch den neuen Antiteuerungsbonus. Prinzipiell stehe ich zur CO2-Bepreisung, aber wir leben in außergewöhnlichen Zeiten, da ändert sich die Lage laufend, da darf alles ständig hinterfragt werden. Da ist es sicher legitim, wenn manche darüber nachdenken, wie man damit umgehen soll und ab wann. Diese Diskussion führen wir laufend, ob man zum Beispiel den CO2-Preis einführt und im Gegenzug eine weitere Entlastung über den Stromrechnungsdeckel andenkt.

STANDARD: Sie sind der Meinung, dass man über den CO2-Preis reden muss? Irgendwann muss man damit beginnen, und diese geringe Steigerung macht das Kraut auch nicht fett, oder?

Brunner: Ich stehe prinzipiell zur CO2-Bepreisung. Aber vielleicht muss man an anderer Stelle entlasten. Darüber müssen wir reden.

STANDARD: Die Strompreisstütze kostet viel, sehr viel Geld. War die Abschaffung der kalten Progression ein Fehler?

Brunner: Nein, keineswegs. Wir müssen die schleichende Steuererhöhung stoppen. Das ist ein Akt der Fairness und eine notwendige strukturelle Maßnahme. Jetzt ist nicht die Zeit der Bequemlichkeit.

STANDARD: Bei der Finanzierung der Strompreisstützung sind Sie mir elegant ausgewichen. Der italienische Ministerpräsident Mario Draghi ist kein linkslinker Marxist, aber selbst er hat eine Steuer auf Windfall-Profits eingeführt, sie soll nun von zehn auf 25 Prozent angehoben werden. Es wäre doch nur fair, alle Profiteure der hohen Energiepreise zu schröpfen und nicht nur die (teil)staatlichen, oder?

Brunner: Da muss man differenzierter argumentieren. Ja, eine Windfall-Profit-Tax war auch auf dem Tisch, und ich bin froh, dass wir über die Öbag vom Verbund eine Sonderdividende und die Kunden einen Bonus bekommen haben. Das war fair. Aber eine Windfall-Profit-Tax hätte auch Erneuerbare-Anbieter betroffen, die wären bestraft worden – und wir reden ständig über den ökologischen Wandel.

STANDARD: Warum nicht? Erneuerbare Übergewinne sind auch Windfall-Profits ...

Brunner: Ich bin bei solchen Markteingriffen sehr zurückhaltend. Ich halte das nicht für zielführend.

Markteingriffe sind für Finanzminister Brunner Tabu und eine Steuer auf die Zufallsgewinne der Energiekonzerne ebenfalls.
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STANDARD: Bei der OMV haben Sie sich auch nicht getraut – wegen Abu Dhabi? Die verdienen ohne Ende ...

Brunner: An der OMV halten wir 31,5 Prozent, und das ist ein international agierender Konzern. Aktienrechtlich gibt es da gewisse Vorgaben.

STANDARD: Man hört, dass die Reorganisation im Finanzministerium fertig ist, und das soll gravierende Änderungen bzw. Konsequenzen im Haus zur Folge haben. Das mächtige Generalsekretariat soll Federn lassen ...

Brunner: Das ist richtig. Wir werden die Struktur im Haus verändern. Das Generalsekretariat wird aufgelöst, es wird eine Präsidialsektion geschaffen, wie sie andere Ministerien haben und auch das Finanzministerium bis vor wenigen Jahren hatte. In dieser Präsidialsektion werden Abteilungen wie Recht, Personal und Vergaben gebündelt. (Luise Ungerboeck, 19.7.2022)