Phönix aus der Asche: Durch die Hitze eines Feuers öffnen sich die Zapfen der Riesenmammutbäume und geben mit den Samen die nächste Generation der Bäume der Superlative frei.

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Verheerende Waldbrände halten Europa derzeit in Atem. Von Portugal und Spanien über Frankreich bis Italien und Griechenland haben Feuerwehren alle Mühe, die Brände unter Kontrolle zu bringen. Vielerorts scheinen sie auf verlorenem Posten zu kämpfen. Der Bevölkerung vieler Länder bietet sich – nicht nur in Europa – ein Bild der Verwüstung.

Riesige Flächen stehen auch in den USA in Flammen, was bereits für zwei bedenkliche Rekorde sorgte. Bisher wurden heuer schon mehr als 35.000 Waldbrände verzeichnet, die ein Areal von rund 1,9 Millionen Hektar zerstörten. Sowohl die Anzahl der Brände als auch die verbrannte Fläche liegen weit über dem Durchschnitt, heißt es seitens des National Interagency Fire Center.

Nacht im brennenden Yosemite-Nationalpark. Bisher brachen im Jahr 2022 in den USA mehr als 35.000 Waldbrände aus – ein besorgniserregender Rekord.
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Kalifornien als Feuerhotspot

An der Westküste des Kontinents bedrohen Waldbrände einige der ältesten Lebewesen des Planeten: die Riesenmammutbäume (Sequoiadendron giganteum) im Yosemite-Nationalpark. Um die teils mehr als 3.000 Jahre alten Bäume vor den Flammen zu schützen, installierten Einsatzkräfte ein Netz aus Sprinkleranlagen rund um die Stämme.

Der als Washburn-Feuer bezeichnete Brand war am 7. Juli ausgebrochen. Seither versuchen dutzende Feuerwehren, unterstützt durch Löschhubschrauber, die Flammen unter Kontrolle zu bringen. Bisher gelang es, deren Ausbreitung zu verlangsamen.

Dutzende Feuerwehren beteiligen sich am Kampf gegen des Washburn-Feuer. Unterstützung kommt auch aus der Luft.
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Fachleute befürchten zwar, dass es bis zum erleichternden "Brand aus" noch dauern wird. Doch der südliche Teil des Yosemite-Nationalparks, gekennzeichnet durch die mächtigen Riesenmammutbaum-Haine, blieb vor den Flammen verschont.

Auf dem Mariposa Grove genannten Gebiet wachsen rund 500 Exemplare der monumentalen Bäume. Wie die Parkverwaltung bekannt gab, könnten diese nun sogar vom Washburn-Feuer profitieren. Dieses fraß sich auch durch ein stark überwuchertes Waldgebiet, das bereits für ein kontrolliert gelegtes Feuer vorgesehen war. Solche kontrollierten Brände helfen, Wälder gezielt auszudünnen und trockenes Laub zu beseitigen, das anderenfalls als eine Art Brandbeschleuniger wirkt.

Die ikonischen Riesenmammutbäume des Yosemite-Nationalparks konnten vor den Flammen gerettet werden – allerdings nur mit immensem Aufwand.
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Keine Verjüngung ohne Flammen

Für die Bestände von Sequoiadendron giganteum spielen Waldbrände aber auch aus einem anderen Grund eine essenzielle Rolle. Dieser zeigte sich in den 1950er-Jahren, nachdem in dem kalifornischen Schutzgebiet über Jahrzehnte hinweg Feuer rigoros im Keim erstickt wurden. Zeitgleich begann auch eine rätselhafte Stagnation: Kaum ein kleiner Riesenmammutbaum spross mehr aus dem Boden, die Wälder verjüngten sich nicht mehr. Es schien, als hemme etwas ihre Erneuerung.

In einer Reihe aufsehenerregender Experimente entfachte Richard J. Hartesveldt, Professor am San Jose State College, kleine, kontrollierte Waldbrände im Yosemite-Nationalpark, genauer der Mariposa Grove. "Das Feuer muss in die Ökosysteme der Mammutbäume zurückgebracht werden", schloss er aus seinen Versuchen.

Ein Feuerwehrmann bei Löscharbeiten unweit der Mariposa Grove, der Heimstätte der ältesten und größten Mammutbäume der Erde.
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Diese zeigten, dass sich die Zapfen der Riesenmammutbäume erst durch die aufsteigende Hitze eines Brandes öffnen und die Samen freigeben. Sie fallen auf den durch mineralreiche Asche gedüngten Boden, sinken ein und beginnen zu keimen. Da die vorangegangenen Feuer den Waldboden auch von wucherndem Gestrüpp befreiten, mussten die jungen Pflänzchen mit weniger pflanzlichen Konkurrenten um Sonnenlicht buhlen.

Selbst ihre bereits hochgewachsenen Verwandten profitierten und profitieren von Waldbränden, die weniger feuerfeste Pflanzen vernichten und den größten Lebewesen der Erde ausreichend Platz und Licht verschaffen.

Feuerliebhaber der Pflanzenwelt

Rund um den Globus sind heute neben den nordamerikanischen Mammutbäumen eine Reihe von Pflanzen bekannt, die die zerstörerische Kraft des Feuers für ihren Fortbestand benötigen. In der Fachsprache werden diese Gewächse Pyrophyten genannt, meist gedeihen sie in Gebieten wie Trockenwäldern, Savannen oder Steppen, in denen natürliche Feuer regelmäßig auftreten.

Die dicke Borke der Riesenmammutbäume schützt sie vor Feuerschäden. Um die Brandgefahr gering zu halten, wird der Waldboden um die Riesen auch von Totholz und anderem brennbaren Material befreit.
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Die Anpassungsstrategien, um sich gegen negative Folgen von Waldbränden zu schützen, sind vielfältig: Bei manchen Kiefernarten – und auch bei den Mammutbäumen – schützt die dicke Borke das empfindliche Gewebe im Inneren (das Kambium, in dem sich die teilungsaktiven Zellen befinden) vor den letalen Temperaturen eines Brandes.

Portugiesische Korkeichen, manche Palmen der afrikanischen Savanne sowie Eukalyptusbäume sind feuerresistent. Den australischen Eukalyptus schützt eine feuerleitende Oberfläche, lediglich seine Borke und die Blätter werden Raub der Flammen.

Feuer schafft Platz für junge Mammutbaum-Sprösslinge und befreit den Waldboden zudem von trockenem Pflanzenmaterial, das folgende Brände befeuern könnte.
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Brandgefährliche Zunahme

Weltweit hängt knapp die Hälfte aller Ökosysteme von Feuer ab oder ist von ihm beeinflusst. Gemein ist all diesen Gebieten die Widerstandskraft ihrer Pflanzendecke gegenüber Waldbränden. Das gilt jedoch nur, wenn die Flammen im Rahmen ihrer natürlich gegebenen Grenzen bleiben – also etwa nur so lange brennen, wie es trockene Laubstreu und Totholz am Waldboden zulassen.

Der Klimawandel führt allerdings zu einer Häufung von Waldbränden und lässt diese zudem intensiver werden. Bis zum Jahr 2025 rechnen Fachleute damit, dass die Zahl der Feuer um 14 Prozent höher liegen wird als heute. Bis zum Ende des Jahrhunderts gehen die Vereinten Nationen von einer Steigerung ihrer Gesamtzahl um 50 Prozent aus.

Wegen der steigenden Häufigkeit von Waldbränden wird das einst lebensspendende Element Feuer heute selbst für hartgesottene Waldökosysteme zum Problem.
Foto: AP/National Park Service

Naturgewalt im (Klima-)Wandel

Die zunehmende Hitze in Kombination mit teils extremer Trockenheit verschärft die Lage nochmals. Viele Wälder haben schon heute größte Schwierigkeiten, sich von den knapp aufeinander folgenden Bränden zu erholen. Dass die Regenerationsfähigkeit der Forste sinkt, liegt an teilweise enorm trockenen Böden und niedrigen Grundwasserständen.

Eine Studie US-amerikanischer Forschender von rund 3.000 jungen Bäumen von 90 Brandflächen im Westen der USA machte deutlich, dass der Klimawandel das gesamte Ökosystem Wald umkrempelt. Im Mittelpunkt der Untersuchung der University of Montana stand die Regenerationsfähigkeit von Wäldern nach verheerenden Waldbränden.

Waldgemeinschaften in tieferen Lagen erholten sich bis in die 1990er-Jahre problemlos von aufgetretenen Feuern. Zwischen den frühen 1990ern und dem Jahr 2015 kam es aber zu einem markanten Bruch: Die Fähigkeit der Wälder, sich nach Waldbränden zu erholen und zu verjüngen, nahm rapide ab, wie das Wissenschaftsteam herausfand.

Wurzeln erreichen Grundwasser nicht

Die Feuchtigkeit in den oberen Bodenschichten sowie deren Oberflächentemperatur verändern sich dahingehend, dass junge Bäume nach einem Feuer Probleme mit dem Wachstum haben. Ihre Wurzeln reichen häufig nicht tief genug, um unter derart veränderten Umständen das Grundwasser zu erreichen.

Zwar wurden die Untersuchungen an Douglasien und Ponderosa-Kiefern vorgenommen, dennoch seien die Ergebnisse auch auf ähnliche Waldgemeinschaften weltweit umlegbar. "Die daraus folgenden Veränderungen der Landschaft werden sich nicht graduell über die nächsten Jahrzehnte zeigen, sondern rasch geschehen", warnt Studienleiter Solomon Dobrowski.

Das Washburn-Feuer gilt Fachleuten als Schutz für die Riesenmammutbäume vor künftigen Waldbränden. Seine Eindämmung erfordert aber nach wie vor große Kraftanstrengung.
Foto: AP/Eric Paul Zamora

Glimpfliches Ende

Die Riesenmammutbäume der kalifornischen Mariposa Grove seien dank des nun aufgetretenen Brandes in Zukunft bestens vor verheerenden Waldbränden geschützt, erklärte der im Yosemite-Nationalpark tätige Waldökologe Garrett Dickmander gegenüber dem "Wall Street Journal".

Für andere Waldgemeinschaften müssen künftig aber Managementpläne erstellt werden, um ihnen trotz des Klimawandels Verjüngung und Wachstum zu ermöglichen. In Europa betrifft das insbesondere den Mittelmeerraum, wo Dürre und ausbleibende Niederschläge die Gefahr von Waldbränden erhöhen. (Marlene Erhart, 23.7.2022)