Im Finanzministerium kam es am Mittwoch erneut zu Hausdurchsuchungen

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Unerwarteter Besuch ist Mittwochvormittag im Finanzministerium in Wien eingetroffen. Ermittler der Staatsanwaltschaft (StA) Wien und Polizeibeamte haben den Arbeitsplatz einer Abteilungsleiterin durchsucht. Es geht um eine Causa, in der der Verdacht auf den Missbrauch von EU-Fördergeldern durch eine Agentur erhoben wird. Die Beamtin ist eine Managerin dieser Organisation, der Agentur für Europäische Integration und wirtschaftliche Entwicklung (AEI).

Die StA Wien bestätigt die Hausdurchsuchung auf Anfrage des STANDARD. Es gehe um den Verdacht auf Untreue, auch im Rahmen des Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes. Die AEI war 2003 gegründet worden und hat laut eigenen Angaben seither "250 internationale Projekte mit 38 Partnern mit einem Fördervolumen in der Höhe von mehr als 220 Millionen Euro" durchgeführt. Dabei geht es überwiegend um sogenannte Twinning-Projekte, also vereinfacht gesagt um Partnerprojekte zwischen einem EU-Mitgliedsland und einem Beitrittskandidaten oder anderen Mitgliedsstaat, der Reformen durchführt. Die werden dann von der EU finanziert.

Mitarbeiterzahl stieg deutlich

Auch das Finanzministerium bestätigt, dass es in der Früh in einer Abteilung eine Hausdurchsuchung gegeben habe. Die sei in Zusammenhang mit einer Vereinstätigkeit gestanden. Man kooperiere "vollumfänglich" und sei an rascher Aufklärung interessiert, sagte ein Sprecher. Zudem sei eine interne Prüfung von dienstrechtlichen Konsequenzen eingeleitet worden. Dem Vernehmen nach tauchten die Ermittler auch beim Verein selbst und in Privatwohnungen auf. Das Innenministerium bestätigte eine "Nachschau im Sinne der Amtshilfe", ermittelt werde gegen einen Mitarbeiter des Bundeskriminalamts. Er sei seit Herbst vergangenen Jahres im Krankenstand; entsprechende disziplinarrechtliche Maßnahmen würden derzeit geprüft. Die Anzeige in der Causa war vom Innenministerium selbst eingebracht worden, es hatte 2019 und 2021 Sachverhaltsdarstellungen an die StA Wien übermittelt.

Die AEI war zuletzt Gegenstand einer parlamentarischen Anfragenserie, die der grüne Abgeordnete David Stögmüller eingebracht hatte. Darin ging es um einen deutlichen Anstieg der Mitarbeiterzahl in diesem Verein, der mit verschiedenen Ministerien EU-geförderte Projekte zu illegaler Einwanderung und Sicherheit im Ausland umgesetzt hat. Das Verteidigungsministerium soll den Rechnungshof eingeschaltet haben, das Innenministerium seine interne Revision und die Finanzprokuratur.

Viele Beamte mit Nebenverdienst

Laut parlamentarischer Anfragebeantwortung haben 50 Mitarbeiter des Finanzministeriums eine Nebenbeschäftigung im AEI, zudem 15 Bedienstete des Innenministeriums. Es besteht der Verdacht auf intransparente Finanzgebarung und hohe Honorare für Mitarbeiter. DER STANDARD hat erfahren, dass gegen zwei Personen und die AEI GmbH sowie ihren Eigentümer, einen gleichnamigen Verein, ermittelt wird. Es soll dem Vernehmen nach um rund 500.000 Euro gehen, die der Verein an einen Mitarbeiter des Bundeskriminalamts überwiesen habe.

"Es ist ein hoch dubioser Verein", sagt Stögmüller, der die Vorgänge auch im U-Ausschuss behandeln will. "Wir warten auf die Akten". Aufklärung fordert er auch von Innenministerium und Finanzministerium.

In den parlamentarischen Anfragen des grünen Abgeordneten hebt dieser hervor, dass Aufsichtsratsmitglieder der GmbH und Vereinsführung Nähe zur FPÖ aufwiesen. Das dürfte aber daran liegen, dass der Aufsichtsrat zuletzt von blau geführten Ministerien geführt wurde. Tatsächlich beauftragte das Innenministerium noch in der Ära des jetzigen Parteichefs Herbert Kickl eine Interne Revision rund um ein AEI-Projekt.

Die erwähnte Managerin war früher Sprecherin von Alfred Finz, der Anfang der 2000er-Jahre Staatssekretär im damals von Karlheinz Grasser geführten Finanzministerium war. Finz, der auch Obmann der Wiener ÖVP war, hatte auch bis zuletzt in der AIE Funktionen: 2018 bis 2019 war er Aufsichtsratsvorsitzender, danach Mitglied im Fachbeirat. Seine ehemalige Pressesprecherin machte weiter im Finanzministerium Karriere, sie wurde 2012 zur Abteilungsleiterin.

Vergangenes Jahr war sie auch in den U-Ausschuss geladen, weil sie für Aktenlieferungen an ebendiesen zuständig war. Die Beamtin repräsentiert die AEI nach außen, etwa in Interviews oder bei Veranstaltungen. Schon vergangenen Herbst wehrte sie sich via Aussendung gegen "haltlose Anschuldigungen" und "parteipolitische Einflussnahme", gegen die man gerichtlich vorgehen werde.

Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung. Aus dem Verteidigungsministerium heißt es auf Anfrage des STANDARD, man habe die Zusammenarbeit Ende 2021 beendet, weil man trotz mehrfacher Nachfrage keinen Einblick in die Finanzgebarung des Vereins erhalten habe. (Renate Graber, Fabian Schmid, 20.7.2022)