Das Innenministerium hat 2019 und 2021 Anzeige gegen die Agentur für europäische Integration gestellt – nun folgten Hausdurchsuchungen

Foto: APA/Punz

Anfang Juni posierten seine Mitglieder für ein Projekt mit der jordanischen Antikorruptionskommission noch vor der Internationalen Anti-Korruptions-Akademie in Laxenburg, nun ist ein Verein aus Wien selbst in den Fokus der Justiz gerückt. Die Agentur für Europäische Integration und wirtschaftliche Entwicklung, kurz AEI, wird ebenso wie ihre Geschäftsführerin und ein Mitarbeiter des Bundeskriminalamts von der Staatsanwaltschaft (StA) Wien beschuldigt, Untreue begangen zu haben.

Es soll um rund 500.000 Euro gehen, die vom AEI an diesen Polizisten überwiesen wurden. Der ist seit vergangenem Herbst im Krankenstand, sein Arbeitsplatz wurde am Mittwoch von Ermittlern durchsucht – ebenso wie das Büro einer Abteilungsleiterin im Finanzministerium, die nebenberuflich der AEI vorsteht.

Partner mehrerer Ressorts

Der Fall ist brisant, die nun bekannt gewordenen Vorwürfe könnten nur die Spitze des Eisbergs sein. "250 internationale Projekte mit 38 Partnern mit einem Fördervolumen in der Höhe von mehr als 220 Millionen Euro" will die AEI seit ihrer Gründung im Jahr 2003 durchgeführt haben, dafür arbeitete sie mit mehreren Ministerien zusammen.

Das war zuletzt Gegenstand einer parlamentarischen Anfragenserie, die der grüne Abgeordnete David Stögmüller eingebracht hatte. Darin ging es um einen deutlichen Anstieg der Mitarbeiterzahl in diesem Verein, der mit verschiedenen Ministerien EU-geförderte Projekte zu illegaler Einwanderung und Sicherheit im Ausland umgesetzt hat.

Die Anfang Juli übermittelten Beantwortungen dieser Anfragen zeigten schon, dass Feuer am Dach ist: Das Verteidigungsministerium antwortete dem Grünen gar nichts, weil Interessen der Strafverfolgungsbehörden gefährdet werden könnten.

Das schrieb auch das Finanzministerium, das allerdings ergänzte, dass insgesamt fünfzig seiner Beamtinnen und Beamten nebenberuflich beim AEI tätig waren. Das Innenministerium gab wiederum an, bezüglich dreier Projekte mit der AEI die Interne Revision eingeschaltet zu haben; erstmals schon in der Ära von Innenminister Herbert Kickl, mittlerweile FPÖ-Chef.

Nach den Hausdurchsuchungen, über die DER STANDARD zuerst berichtete, gab das Innenministerium dann zusätzlich an, schon 2019 und 2021 Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft Wien gestellt zu haben. "Das Innenministerium kooperiert in dieser Angelegenheit daher nicht nur eng mit der Staatsanwaltschaft, sondern hat die ursprüngliche Initiative zu den heute bekannt gewordenen Ermittlungen gesetzt", hieß es aus der Herrengasse. Genau wie im Finanzministerium werden nun dienstrechtliche Konsequenzen geprüft; Vertragspartner mit der AEI mag keines der Ministerien mehr sein.

In den parlamentarischen Anfragen hob der grüne Abgeordnete Stögmüller hervor, dass Aufsichtsratsmitglieder der GmbH und Vereinsführung eine Nähe zur FPÖ aufwiesen. Das dürfte aber daran liegen, dass der Aufsichtsrat zuletzt von blau geführten Ministerien geführt wurde.

Die erwähnte Managerin war hingegen früher Sprecherin von Alfred Finz, der Anfang der 2000er-Jahre Staatssekretär im damals von Karl-Heinz Grasser geführten Finanzministerium war. Finz, der auch Obmann der Wiener ÖVP war, hatte bis zuletzt in der AIE Funktionen: 2018 bis 2019 war er Aufsichtsratsvorsitzender, danach Mitglied im Fachbeirat. Seine ehemalige Pressesprecherin machte weiter im Finanzministerium Karriere, sie wurde 2012 zur Abteilungsleiterin.

Vergangenes Jahr war sie auch in den U-Ausschuss geladen, weil sie für Aktenlieferungen an ebendiesen zuständig war. Die Beamtin repräsentiert die AEI nach außen, etwa in Interviews oder bei Veranstaltungen. Schon vergangenen Herbst wehrte sie sich via Aussendung gegen "haltlose Anschuldigungen" und "parteipolitische Einflussnahme", gegen die man gerichtlich vorgehen werde.

Twinning-Projekte

Die AEI rekrutierte jedenfalls für ihre Projekte viel Fachpersonal aus den Ministerien. Vor allem war sie mit Twinning-Projekten befasst: Vereinfacht erklärt geht es bei denen darum, dass sich Länder erprobte, funktionierende Strukturen von einem anderen Land "abschauen"; das gibt es beispielsweise zwischen EU-Beitrittskandidaten und EU-Mitgliedsländern. Gefördert wird das dann mit EU-Geld.

Tätig war die AEI beispielsweise in Serbien und Bosnien-Herzegowina, aber auch außereuropäisch in Sambia oder Jordanien.

Dem Vernehmen nach soll es aber auch abseits der strafrechtlichen Ermittlungen viele Fragen zur Gebarung des Vereins geben. So steht im Raum, dass nebenbeschäftigte Beamtinnen und Beamte exorbitant hohe Stundensätze für ihre Beratungstätigkeiten erhalten haben.

Stögmüller hofft nun auf Ministeriumsinfos für den U-Ausschuss: "Wir warten auf die Akten." Aufklärung fordert er auch von Innenministerium und Finanzministerium. Die Vorgänge seien "hoch dubios". (Renate Graber, Fabian Schmid, 21.7.2022)