Ranil Wickremesinghe ist neuer Präsident Sri Lankas.

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Die Protestierenden in Sri Lanka sind über dieses Ergebnis wohl nicht glücklich: Ranil Wickremesinghe wurde am Mittwoch mit 134 von 225 Stimmen im Parlament zum neuen Präsidenten des Krisenlandes gewählt. Er tritt somit in die Fußstapfen von Gotabaya Rajapaksa, den die Massen erst vor rund zwei Wochen aus dem Amt gejagt haben.

Für Neues steht der 73-jährige Politveteran dabei nicht. Die Protestierenden sehen in ihm viel eher den Erhalter eines "Systems Rajapaksa". Noch vor zwei Wochen stand Wickremesinghe deshalb so unter Druck, dass er versprechen musste, selbst zurückzutreten.

Doch es kam anders. Erst wurde er zum Übergangspräsidenten ernannt, seit Mittwoch ist er nun bis 2024 gewählter Präsident von Sri Lanka.

Dass gerade Wickremesinghe nun unter den Protestierenden als "Rajapaksa-Verbündeter" verpönt ist, ist eigentlich eine Ironie der Geschichte. Der UNP-Politiker galt immer als Oppositioneller und Erzrivale des Rajapaksa-Clans und seiner SLPP-Partei. Die Rajapaksas prägten die Politik der Insel seit Jahrzehnten. Korruption, Geldwäsche, Kriegsverbrechen – die Liste der mutmaßlichen Vergehen ist lang.

Gewiefter Pragmatiker

Auch Wickremesinghe – ebenfalls Spross einer Politikerfamilie – musste sich in seiner bisherigen Laufbahn bereits Korruptionsvorwürfe gefallen lassen. Doch anders als die Rajapaksas gilt Wickremesinghe nicht als brutaler Populist, sondern als gewiefter Pragmatiker: Geschickt weiß er, zur richtigen Zeit die richtigen Allianzen einzugehen.

So war der gelernte Jurist seit den 1990er-Jahren bereits sechsmal Premierminister. Schon in den späten 1970er-Jahren saß er im Parlament. "Wir müssen an einer neuen Strategie arbeiten, um die Wünsche der Menschen zu erfüllen", richtete er nach seinem Wahlsieg aus.

Beobachter erwarten aber, dass er gegen die Proteste hart durchgreifen wird. Auf den Straßen war die Stimmung dementsprechend ernüchtert. Nur wenige waren vor das Parlament gekommen. "Wir sind schockiert", sagte ein Teilnehmer, "werden aber weiterkämpfen." (Anna Sawerthal, 21.7.2022)