Der 24-jährige Maler Leon Löwentraut ist für viele in der Kunstwelt ein rotes Tuch – einige beobachten den Hype um ihn jedoch aufmerksam.
Foto: Adrian Bedoy

Nur für einen Moment läuft nicht alles nach Plan. Als das Seil reißt, an dem die Verdeckung hängt, geht ein Raunen durch die kleine Menschentraube. Ein hellblonder Mann mit verspiegelter Sonnenbrille und blitzblanken Sneakers lacht vergnügt auf, auch in der anderen Ecke hält die Schnur den Widerstand nicht aus. Schließlich reißt Leon Löwentraut das Banner mit bloßen Händen herunter und bringt sein acht mal acht Meter großes Werk Lost Horizon zum Vorschein: Ein maskenhaftes Gesicht aus bunten Kringeln blickt von der Talstation der Salzburger Festungsbahn. Ein echter Löwentraut.

Man klatscht und klopft einander auf den Rücken – jetzt läuft es wieder. Immer wieder sucht der Blick des Künstlers die Kameras, an seinem Kragen lässt sich ein kleines Mikrofon entdecken. Das eigene Videoteam fehlt bei keinem seiner Auftritte, die fixer Bestandteil der Karriere des 24-jährigen Deutschen sind. Seit einigen Jahren tingelt er als "Shootingstar der Kunstszene" durch die Medien. Der Boulevard reißt sich um ihn, erst kürzlich brachte die Bild eine Homestory aus seiner Finca an der Algarve. Auch bei Barbara Stöckl im ORF war er gerade zu Gast. Der "Picasso aus dem Frühstücksfernsehen", schrieb der Spiegel. Löwentraut ist überall dabei – nun übernahm er eben die Gestaltung zu "130 Jahre Festungsbahn". Hauptsache, Präsenz.

Von der Salzburg AG und der Salzburg AG Tourismus wurde Löwentraut für die künstlerische Gestaltung der Talstation der Festungsbahn in Salzburg eingeladen.
Foto: Andreas Kolarik

Wichtigstes Werkzeug dabei ist die perfekte Inszenierung: Sein Instagram-Account (über 300.000 Follower) wirkt wie der eines Hollywood-Celebrity: Leon bei Vernissagen, Leon mit George Clooney, Leon am Strand mit Staffelei – dazwischen seine Gemälde in Hochglanz. Lachen sieht man ihn dort selten. Videos zeigen den Maler in Großaufnahme, mit ernstem Blick, dazu dramatische Musik. Löwentrauts Eröffnungen sind bekannt als extravagante Society-Events, sogar mit einer Kutsche soll er schon einmal vorgefahren sein.

"Helene Fischer der Kunstwelt"

Dahinter steckt nicht nur ein professionelles Marketing, sondern eine ganze PR-Maschinerie – namentlich die Leon Löwentraut GmbH. Vater Jörg, Mutter Heike und eigenes Beraterteam. Auch bei dem Termin in Salzburg tritt Leon wie ein Jungpolitiker mit einer Entourage gut gekleideter, braun gebrannter Menschen auf, allen voran seine Eltern. Das Timing ist ideal: Die Touristenmassen schieben sich durch die Altstadt, die Salzburger Festspiele eröffnen dieser Tage. Der perfekte Moment, um die Geschichte des Leon Löwentraut auch hier unter die Leute zu bringen.

Und die geht so: Leon malte bereits als Kind gerne, verkaufte sein erstes Werk mit zwölf Jahren und trat als 16-Jähriger bei Stefan Raab in TV Total auf. Doch schon in der Schule wurden seine Bilder nicht für Meisterwerke gehalten, sein Versuch, auf die Kunstakademie in Düsseldorf zu kommen, scheiterte. Auch nach internationalen Projekten und wirtschaftlichem Erfolg (seine Bilder kosten aktuell fünf- bis sechsstellige Summen) wird der Autodidakt von der traditionellen Kunstwelt wenig beachtet, seine Werke oft als Deko abgetan. Der Kunsthistoriker Wolfgang Ullrich bezeichnete Löwentraut als "Helene Fischer der Kunstwelt". Die Feuilletons belächeln ihn als buntes Medienphänomen.

TV total Classics

Image als "Grenzsprenger"

Auf Hochtouren wird deshalb an Leons Image gefeilt: Löwentraut als verkanntes Talent und "Grenzsprenger", wie ihn sein Galerist aus Mallorca, Gerhardt Braun, nennt. Statt über Inhalte der Bilder spricht dieser lieber von erfolgten Präsentationen und aktuellen Kunstrankings. "Leon geht keine traditionellen Wege", sagt er. Die Marke Löwentraut wird als jung, frisch, energisch und motiviert verkauft. Gerade war er auch beim Festival 4Gamechangers in Wien vertreten. Seine Webseite macht gleich klar: "Painting is quite simply my passion."

Der Künstler selbst reagiert betont gelassen auf Kritik: "Kunst ist Geschmacksache und kann auch begeistern, irritieren und polarisieren." Polarisierend ist Löwentraut gewiss, seine Kunst allerdings weniger. Tiefgründige Aussagen gibt es darin nämlich keine, die braucht es wohl auch nicht.

Seine Gemälde setzen sich aus bunten Kringeln und Formen zusammen, oft treten Gesichter daraus hervor. Die Farbe drückt er teils direkt aus der Tube auf die großformatigen Leinwände. Sein Malstil: "expressiv abstrakt". Die Referenzen zu seinen Vorbildern sind überdeutlich: Rakel von Richter, Masken von Picasso, Farbauftrag von Pollock. Laut Wikipedia-Seite ist Löwentraut "Action-Painter".

"Lost Horizon" am Fuße des Salzburger Mönchsbergs.
Foto: Andreas Kolarik

Früchte einer Strategie

Leons Wege verlaufen bisher dennoch abseits namhafter Galerien oder großer Einrichtungen. Zwar listet Löwentraut auf Instagram gleich mehrere Galerien auf, wobei ihn nur jene von Gerhardt Braun im eigenen Programm vertritt. Die Wiener Galerie Gerald Hartinger tut dies zwar auch, bietet aber Pop-Art-Werke aus dem Sekundärmarkt an. Die meisten seiner Ausstellungen hatte er in solchen Galerien, auf Messen oder als medienwirksame Projekte in Düsseldorf oder Dubai. Wessen sich der Maler rühmt, sind Einzelshows im Bayerischen Nationalmuseum und dem Bank Austria Kunstforum in Wien.

Erstaunlich, handelt es sich bei Letzterem doch um eine renommierte Kunsteinrichtung in Österreich, die sonst Sherman oder Hockney zeigt. Dass seine Ausstellung Leonismo dort allerdings als externe Einmietung nichts mit dem inhaltlichen Programm des Hauses zu tun hatte, wird gern verschwiegen. Die Strategie ging auf: Leon Löwentraut hatte eine Ausstellung im Kunstforum in Wien. Punkt.

Hype und Chancen

Direktorin Ingried Brugger wäre aber auch nicht abgeneigt, Löwentraut einzuladen, wenn es "ein geeignetes Framing" gäbe. Seine Vermarktung sieht sie als "sehr interessante und aggressive Promotion-Linie", fügt aber hinzu: "Es gibt Schlimmeres als einen Hype um einen, der Leinwände bunt bemalt."

Auch Alfred Weidinger, Geschäftsführer der OÖ Landes-Kultur GmbH, beobachtet den Löwentraut-Hype. Im Moment wäre er an dessen Werken zwar nicht interessiert, dies könne sich aber in Zukunft ändern. "Wenn jemand seine Arbeit mit einer derartigen Ernsthaftigkeit verfolgt, sollte man ihm eine Chance geben", so Weidinger. "Um sich ernsthaft zu etablieren, müssten seine Werke in international relevanten Kunstsammlungen sichtbar werden, das ist bisher nicht der Fall."

Löwentraut denkt ohnedies schon weiter. In ferner Zukunft sieht er seine Bilder in den großen Museen dieser Welt. Tate Modern in London, MoMA in New York oder Albertina in Wien fände er passend. Die Show geht weiter! (Katharina Rustler, 20.7.2022)