Karl Nehammer bleibt zu Hause und macht keinen Urlaub.

MAGO/Michael Indra

Es ist ja nicht nur die Frage, ob man Urlaub macht, sondern auch, wo. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner erntete 2019 einen veritablen Shitstorm, als Fotos von ihr in einem sehr exklusiven Lokal in Saint-Tropez an der Côte d’Azur auftauchten. Im Jahr darauf musste sie sich rechtfertigen, warum sie auf Zypern Urlaub macht – in Corona-Zeiten und noch dazu im Ausland. Die SPÖ-Chefin hielt dagegen, sie sehe sich als Europäerin und wolle auch den griechischen Tourismus unterstützen. Außerdem sei der Urlaub schon lange gebucht gewesen.

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat seinen geplanten Urlaub in Griechenland nun – medienwirksam – abgesagt, der griechische Tourismus muss auf ihn und seine Familie dieses Jahr verzichten. "Der Kanzler will seine volle Aufmerksamkeit auf den Kampf gegen die Teuerung lenken, deshalb hat er seinen für die erste Augusthälfte geplanten Griechenland-Urlaub storniert", erklärt sein Sprecher in der "Kronen Zeitung". Statt eines Sommerurlaubs im August will Nehammer also im Kanzleramt arbeiten, zum Ausgleich soll es nur zwei verlängerte Wochenenden mit der Familie geben, wohl im Inland, weil sich das politisch besser vermarkten lässt.

Keine Termine in Tirol

Nach Tirol wird es den Kanzler urlaubsmäßig wohl nicht verschlagen, auch als Parteichef und Kanzler ist er dort nicht gefragt: Der neue ÖVP-Obmann und Spitzenkandidat Anton Mattle will im anlaufenden Wahlkampf ganz ohne Nehammer auskommen, es seien keine Termine vereinbart. Nehammers Rezept gegen die Krise, Alkohol oder Psychopharmaka, kam in Tirol nicht besonders gut an.

SPÖ-Chefin Rendi-Wagner kombiniert heuer sicherheitshalber In- und Ausland und fährt gar nicht weit weg: Sie werde in Italien urlauben und davor auf der Tauplitz die Erholung suchen. Auch die anderen Oppositionschefs geben an, im Land zu bleiben, Neos-Frontfrau Beate Meinl-Reisinger urlaubt im Salzkammergut, FPÖ-Chef Herbert Kickl liebt es zünftig in den Bergen.

Vizekanzler Werner Kogler hat sich noch nicht entschieden, ob und wohin. Der Grüne will nur urlauben, wenn es Zeit und Krise erlauben, und wenn, dann verreist er selbstverständlich mit dem Zug, wird also wohl auch in der Nähe bleiben.

Koglers Zugang zum ewigen Aufregerthema "Politiker und ihr Urlaub" hält die Politikwissenschafterin Kathrin Stainer-Hämmerle für noch am praktikabelsten: "So nah wie möglich und immer erreichbar, wenn es notwendig ist, um rasch zurückkehren zu können."

Angst vor dem Boulevard

Alles andere wie eine komplette Absage eines Urlaubs sei "vorauseilender Gehorsam vor dem Boulevard", meint Stainer-Hämmerle. Denn dass Bundeskanzler Nehammer nun seinen Griechenland-Urlaub gecancelt habe, hänge wohl mit der Angst zusammen, "dass irgendjemand ein Bild veröffentlicht, auf dem der Kanzler unter dem Sonnenschirm liegend zu sehen ist. Das ließe sich wunderbar in Schlagzeilen verpacken: Der Kanzler genießt den Sommer, während daheim die Menschen sich bei den Caritas-Läden anstellen müssen und sich das Essen nicht mehr leisten können", sagt Stainer-Hämmerle.

Andererseits, und das müsse in die Waagschale gelegt werden: "Auch Politiker sind Menschen mit Familie, sie brauchen eine Auszeit und Erholung." Der Staat habe nichts von ausgebrannten, übermüdeten Politikern, die aufgrund des Stresses wochenlang ausfallen, "siehe den Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner".

Stainer-Hämmerles Rat: Politiker sollten Urlaub machen, um sich zu erholen, aber erreichbar und rasch wieder einsetzbar sein. "Die nächsten Monate werden anstrengend genug sein", warnt die Politikwissenschafterin. (Walter Müller, Michael Völker, 21.7.2022)