Sparen für den Winter, lautet der Appell von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

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Laut Daten des deutschen Unternehmens Gascade sind für Donnerstag tatsächlich Gaslieferungen über Nord Stream 1 angekündigt.

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Wien/Moskau/Brüssel – Die Ankunft der Siemens-Turbine aus Kanada wird für Sonntag erwartet. Stichtag für die Wiederaufnahme des zwecks Wartungsarbeiten unterbrochenen Gaslieferungsbetriebs der Ostseepipeline Nord Stream 1 nach Lubmin in Deutschland ist freilich bereits heute, Donnerstag. Und es deutet einiges darauf hin, was der russische Präsident Wladimir Putin in Aussicht gestellt hatte: Es werde wieder Gas nach Europa fließen.

Laut Daten des deutschen Unternehmens Gascade sind für Donnerstag tatsächlich Gaslieferungen über Nord Stream 1 angekündigt. Gascade betreibt die beiden Empfangspunkte der Pipeline Nord Stream 1 im deutschen Lubmin (Vorpommern). Für beide Punkte sind laut Gascade-Website Gaslieferungen vorgemerkt. Diese Vormerkungen – sogenannte Nominierungen – seien Voraussetzung, damit nennenswerte Mengen transportiert werden können, hatte eine Gascade-Sprecherin zuvor erklärt. Es seien circa 800 Gigawattstunden nominiert, teilte die deutsche Bundesnetzagentur mit.

Schaumgebremst

An den drei Tagen vor den Wartungsarbeiten waren es etwa 700 Gigawattstunden. Offiziell bestätigt werden nominierte Mengen üblicherweise am späten Abend. Ab 6 Uhr früh des folgenden Tages weiß man dann, ob auch physisch Gas kommt.

Geliefert wurde im übrigen die ganze Zeit, wenn auch schaumgebremst. Die Gasspeicher in Österreich haben sich trotz Wartung weiter gefüllt. In den ersten acht der zehn Tage dauernden Servicetätigkeit flossen rund zwei Terawattstunden (TWh) Erdgas in die Speicher. In den acht Tagen vor Beginn der Wartung waren es 2,6 TWh. Das liegt natürlich daran, dass die Jamal-Pipeline nach Polen nicht mehr benutzt wird, weil der Gasliefervertrag mit Polen ausgelaufen ist. Verringert sind auch die Kapazitäten aus der Druschba-Pipeline durch die Ukraine, was im russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und die Kampfhandlungen in der Ostukraine begründet ist.

Speicher in Österreich halb gefüllt

Aktuell sind die Speicher in Österreich zu 50 Prozent gefüllt, vor zehn Tagen betrug der Füllstand laut der Gasspeicherdatenbank AGSI 48,3 Prozent. Der Füllstand von 50 Prozent entspricht einer Gasmenge von 47,8 TWh. Das ist mehr als die Hälfte des gesamten Jahresverbrauchs an Erdgas in Österreich. Der Zuwachs liege über den ursprünglichen Erwartungen der Regulierungsbehörde E-Control, betonte man im Klimaschutzministerium. Die fehlenden Mengen könnten zu einem substanziellen Teil auf dem Spotmarkt beschafft werden. Auch legt die Republik wegen der Gaskrise erstmals eine strategische Reserve von insgesamt 20 TWh an.

Auch ohne Turbine

Wie auch immer die Entwicklung weitergeht: Gazprom beklagte am Mittwoch, immer noch auf Dokumente für die Turbine von Siemens Energy zu warten, die es erlaubten, den Motor unter den Bedingungen der Sanktionen Kanadas und der EU in die Kompressorstation Portowaja einzubauen. Das stelle die Sicherheit des Pipelinebetriebs infrage.

Berlin hält die Argumentation für einen Vorwand. Die EU-Kommission zeigte sich betont unbeeindruckt: Die Wartung einer Turbine könne kein Grund für einen Stopp der Gaslieferungen nach Europa sein, erklärte Industriekommissar Thierry Breton. Die Turbine sei auf dem Rückweg von Kanada nach Russland, "es gibt keine Begründung dafür, sie nicht einzusetzen". Abgesehen davon wäre es technisch hochgradig ungewöhnlich, wenn es kein Backup gäbe, also Kompressoren, die im Fall eines Ausfalls einspringen. Lebensadern wie Gasleitungen haben üblicherweise redundante Systeme im Hintergrund.

Die von Putin angezeigte Alternative, man könnte doch die umstrittene Pipeline Nord Stream 2 verwenden, sei ein Ablenkungsmanöver. Diese sei in Deutschland nicht zertifiziert und daher nicht in Betrieb, stellte Breton klar. (ung, tom, dpa, Reuters, 20.7.2022)