Feuer frisst sich durch Wälder und Landstriche, Qualm raubt den Atem – und wenn die Katastrophe vorübergezogen ist, bleibt kaum mehr als tote Asche übrig. Weltweit wüten extreme Waldbrände, geschürt von Trockenheit und Hitze. Die wiederkehrenden Feuersbrünste sind sogar so mächtig, dass manche Wissenschafter sie als charakteristisch für unsere Epoche ansehen.

Sie sprechen nicht vom Zeitalter des Menschen, dem Anthropozän. Und auch nicht vom Kapitalozän, bei dem betont wird, dass es nicht die menschliche Spezies an sich ist, die die Erde massiv umgestaltet und schädigt, sondern mächtige Vertreterinnen und Vertreter, die im System des Kapitalismus immer größeren Reichtum anhäufen und Mitmenschen wie auch anderen Lebewesen irreversible Schäden zufügen. Stattdessen hat schon der eine oder andere die Ära des Feuers – das Pyrozän – ausgerufen.

Eine Feuerwand unweit von Pallini, östlich der griechischen Hauptstadt Athen.
Foto: IMAGO/Panayotis Tzamaros

Menschen haben einen "Pakt mit dem Feuer" geschlossen, schreibt der Historiker Stephen Pyne von der US-amerikanischen Arizona State University, der den Begriff ab 2015 prägte. Während ein regenreicher Winter und Frühling das Pflanzenwachstum anregt, vertrocknen die Gewächse in den immer trockener und heißer werdenden Sommern und verwandeln sich in Zunder, der beim kleinsten Funken Feuer fängt, erklärte Pyne zuletzt in "Wired": "Der Klimawandel verstärkt diese Bedingungen."

50 Prozent mehr Waldbrände

Das sorge auch dafür, dass nicht nur der Süden, sondern auch das Zentrum Europas immer häufiger von Bränden betroffen ist. Der Ökologe Johann Goldammer, Leiter der Arbeitsgruppe Feuerökologie am Max-Planck-Institut für Chemie und des Global Fire Monitoring Center (GFMC) an der Uni Freiburg, fasst die problematischen Folgen, die Menschen und Feuer für Umwelt und Gesellschaft haben, ebenfalls unter dem Begriff des Pyrozäns zusammen: "In manchen Regionen bestimmt die Macht des Feuers damit die Entwicklung und das Schicksal der Vegetation", sagte Goldammer der "Süddeutschen Zeitung".

Auch in Deutschland kommt es derzeit immer wieder zu Bränden, hier auf der Autobahn bei Kassel am 20. Juli.

Die Zahl extremer Waldbrände wird bis zum Jahr 2030 weltweit um 14 Prozent steigen. Doch damit nicht genug: Bis Ende 2050 prophezeien Forschende einen Anstieg um 30 Prozent, bis zum Ende des Jahrhunderts werden heftige Waldbrände gar um 50 Prozent zunehmen. Diese Einschätzung stammt aus einem neuen Bericht des UN-Umweltprogramms (UNEP) und der Non-Profit-Organisation Grid-Arendal.

Aktuell zeigt sich: In Europa übersteigen die Kosten, die Schäden durch Waldbrände verursachen, für das Jahr 2022 bereits jetzt die des gesamten Vorjahres. Die bisher seit Jahresbeginn betroffene Fläche ist mit etwas mehr als 5.000 Quadratkilometern etwa doppelt so groß wie Vorarlberg. Womöglich reicht dieses Jahr an den Extremfall 2017 heran, das bisher schlimmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen des Europäischen Waldbrandinformationssystems (Effis).

Die Fotos und Videos, die von den verheerenden Bränden zeugen, sind also weit mehr als nur Momentaufnahmen. Sie geben einen Vorgeschmack darauf, was Europa und der Welt in noch größeren Dimensionen bevorsteht.

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Aktuell haben Feuerwehren in ganz Europa alle Hände voll zu tun. Von Portugal, Spanien und Frankreich über Italien und Slowenien bis nach Griechenland kämpfen Einsatzkräfte gegen Feuersbrünste, denen sie teils weitgehend machtlos gegenüberstehen.

In der spanischen Region Losacio stoßen Feuerwehrleute an ihre Grenzen.
Foto: Emilio Fraile/Europa Press via AP

In Spanien entstand etwa im Naturreservat Las Batuecas – Sierra de Francia, unweit der Stadt Salamanca, ein Feuer. Die untenstehenden Satellitenbilder zeigen, wie die Region am 13. Juli 2022 im Vergleich zum gleichen Tag des Vorjahres aussah.

Datenquelle: Copernicus Sentinel data (2022), Esa.

Mehr als 4.000 Hektar Land sind dort bereits verbrannt, 600 Menschen wurden evakuiert, heißt es vonseiten der regionalen Behörden.

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Auslöser dieses Zeitalters des Feuers ist neben dem Klimawandel auch die veränderte Landnutzung, schreiben die am UN-Bericht beteiligten Wissenschafterinnen und Wissenschafter. "Generell steigt sowohl die Dürre- als auch die Waldbrandgefahr mit jedem Zehntel Grad globaler Erwärmung weiter an", sagt Karsten Haustein vom Institut für Meteorologie der Uni Leipzig. Er selbst war nicht an der UN-Studie beteiligt.

Verkohlte Bäume unweit von El Pont de Vilomara in Spanien.
Foto: AP Photo/Emilio Morenatti

Was nach dem Feuer übrig bleibt, bietet einen tristen Anblick.

Das trifft auch auf viele Regionen im spanischen Nachbarland Portugal zu. An der Algarveküste können Urlauberinnen und Urlauber beobachten, wie Hubschrauber Meerwasser für Löschflüge sammeln.

Auch an französischen Stränden sind die Rauchwolken naher Waldbrände sichtbar. Das Land ist in diesem Sommer stark betroffen.

Qualm in Sichtweite: Waldbrand in La Teste-de-Buch (Frankreich), unweit der berühmten Wanderdüne.
Foto: THIBAUD MORITZ / AFP

In der Region der größten europäischen Wanderdüne, der Dune du Pilat bei Arcachon, kam es zu schwer eindämmbaren Bränden. Bei über 40 Grad wurden rund 8.000 Personen evakuiert. Mehr als 4.000 Hektar Wald waren in La Teste-de-Buch vom Brand betroffen.

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Videos zeigen, wie manche Straßen unbefahrbar wurden.

Aus Griechenland stammen einige besonders bestürzende Bilder. Wie bereits im vergangenen Jahr sind mehrere Regionen waldbrandgefährdet, an einigen Orten entstanden verheerende Feuer.

Im Nordosten Athens ist das Feuer in bewohnte Gegenden vorgedrungen. Starke Winde fördern seine Verbreitung.
Foto: AP/Thanassis Stavrakis

Elf Löschflugzeuge und fünf Helikopter waren etwa 25 Kilometer von Athen entfernt im Einsatz. Der Qualm der Brände zog bis in die Hauptstadt.

Akropolis im Rauch.
Foto: AP/Petros Giannakouris

Auch hier waren Evakuierungen unvermeidlich.

Im griechischen Penteli wurde eine ältere Frau vor den Flammen gerettet, die ihrem Zuhause näher kamen.
Foto: AP/Thanassis Stavrakis

"Generell befördern Hitze und Dürre Waldbrände, aber es benötigt auch brennbares Material und etwas, das den Waldbrand entzündet", sagt Jakob Zscheischler vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), Leipzig.

In der Nacht zeigen sich die schwelenden betroffenen Bereiche noch deutlicher, hier in Anthousa.
Foto: APA/AFP/ARIS OIKONOMOU

Während auch Blitze einen Brand auslösen können, ist im Großteil der Fälle menschliche Fahrlässigkeit – oder absichtliche Brandstiftung – der Auslöser. Hitze und Dürre führen dann dazu, dass sich der Waldbrand weiter ausbreiten kann.

Die Eindämmung der Brände verlangt der Feuerwehr – hier in Griechenland – einiges ab.
Foto: EPA/KOSTAS TSIRONIS

Auf Fotos wird deutlich, wie klein die Flugzeuge und Hubschrauber, die zum Löschen im Einsatz sind, im Verhältnis zur Feuersbrunst oft sind, hier in Slowenien:

Im slowenischen Miren fliegt ein Helikopter zur Brandbekämpfung in die Nähe des Feuers. Hier sind auch österreichische Hubschrauber im Einsatz.
Foto: IMAGO/Luka Dakskobler/Zuma Wire

2022 sind auch europäische Länder außerhalb des Südens des Kontinents unerwartet stark betroffen – in Großbritannien wüten ebenfalls extreme Waldbrände.

In West Norfolk, Brancaster Staithe, zerstörten Brände Natur und Gebäude.
Foto: IMAGO/Paul Marriott

Je heißer es wird, desto stärker ändert sich die Dynamik von Waldbränden. Nimmt die Trockenheit in der Vegetation zu – wie es derzeit auch in Österreich der Fall ist –, brennt diese bei auftretenden Feuern auch intensiver. "Als Folge des Klimawandels erleben wir nun extreme Hitzewellen sowie Dürren, und damit steigt natürlich auch die Feuergefahr", fasst Somidh Saha vom Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) zusammen.

Der Forscher beschäftigt sich unter anderem damit, wie Wälder für eine Zukunft der zunehmenden Waldbrände gerüstet werden können. Dabei ist Vielfalt Trumpf: "Unsere künftigen Wälder, die nach den Bränden wiederhergestellt werden, müssen in ihrer Artenzusammensetzung vielfältiger sein als Monokulturen", erklärt Saha. Denn durch eine diverser gestaltete Waldgemeinschaft erhöht sich die Widerstandsfähigkeit gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels.

Das Feuerinformationssystem der Nasa, Firms, stellt Waldbrände weltweit auf einer Karte dar. Zu sehen sind alle erfassten Brände der vergangenen 24 Stunden, Stand: 21. Juli 2022, 14:20 Uhr. Die Karte zeigt fern der Eurozentrik: Auch Afrika und Südamerika sind aktuell stark betroffen.
Bild: FIRMS Fire Map, Nasa

Klarerweise geht das Problem der Waldbrände weit über Europa hinaus. Andauernde Buschfeuer in Australien halten den Kontinent bereits seit Oktober 2019 auf Trab. Bisher wurden 8,5 Millionen Hektar Fläche von den Flammen, die kaum unter Kontrolle zu bringen sind, zerstört. Und in den USA waren unlängst nicht nur die ikonischen Riesenmammutbäume des kalifornischen Yosemite-Nationalparks von Feuern bedroht. Das gesamte Land erlebt heuer eine Brandsaison der Superlative. Bisher verzeichnete das National Interagency Fire Center im Jahr 2022 mehr als 35.000 Waldbrände, die bislang 1,9 Millionen Hektar Fläche verbrannten.

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Was bei den Bränden eine wichtige Rolle spielt: Einige Baumarten kommen mit Feuer besser zurecht als andere. Bei manchen Kiefernarten ist das empfindliche Gewebe im Inneren durch eine dicke Borke vor den letalen Temperaturen eines Großfeuers geschützt. Portugiesische Korkeichen, einige Palmen der afrikanischen Savanne sowie Eukalyptusbäume sind gänzlich feuerresistent. Dem australischen Eukalyptus hilft eine feuerleitende Oberfläche, lediglich seine Borke und die Blätter werden Raub der Flammen.

Um die Brandsituation zukünftig kontrollieren zu können, plädieren Fachleute auch dafür, stärker auf die Ausbildung von Fachleuten für die Waldbrandbekämpfung zu setzen. Zudem müssten wesentlich mehr Ressourcen für die Forschung zur Brandvermeidung und -bekämpfung, die Feuerökologie und die Wiederherstellung von Wäldern nach Bränden bereitgestellt werden.

Das Nasa Scientific Visualization Studio erstellte diese "Klimaspirale", die im Zeitraum von 1880 bis 2021 die monatliche globale Temperaturabweichung im Vergleich zu den Basiswerten zwischen 1951 und 1980 darstellt. Die ansteigenden Durchschnittstemperaturen sorgen dafür, dass es auch immer mehr Waldbrände gibt.

Letztendlich sei es aber auch von größter Bedeutung, grundlegende Probleme anzugehen und die Klimakrise – soweit noch möglich – einzudämmen. Denn die Prognosen stützen sich teilweise auf optimistische Zukunftsperspektiven, denen zufolge Staaten bereits bis 2030 oder bis zur Mitte des Jahrhunderts weitestgehend CO2-neutral leben. Davon ist die Welt noch sehr weit entfernt – und liefert so dem mächtigen Feuer, das dem Pyrozän seinen Namen gibt, weiteren Brennstoff. (Marlene Erhart, Julia Sica, Martin Stepanek, 21.7.2022)