Fallen die Eltern aus, werden Pflegeeltern gegenüber Urgroßeltern bevorzugt – auch dann, wenn letztere als Obsorgeberechtigte besser geeignet wären.

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Können Eltern die Obsorge ihres Kindes nicht mehr ausüben, werden laut Gesetz entweder Großeltern oder Pflegeltern damit betraut. Nur dann, wenn aus diesem Kreis niemand infrage kommt, wird die Obsorge einer "anderen geeignete Person" übertragen.

In einem aktuellen Fall vor dem Obersten Gerichtshof (OGH) würde das allerdings dazu führen, dass Pflegeeltern gegenüber den Urgroßeltern eines Kindes automatisch bevorzugt werden. Laut OGH ist das nicht mit dem Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern vereinbar. Das Höchstgericht will die Bestimmung daher vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) aufheben lassen (OGH 30.5.2022, 2 Ob 42/22y).

Junge Urgroßeltern

Die Eltern des betroffenen Kindes konnten die Obsorge aufgrund prekärer Familienverhältnisse nicht mehr ausüben. Großeltern stehen nicht zur Verfügung – aber Urgroßeltern, die mit Ende sechzig vergleichsweise jung sind. Bei ihnen hätten die Kinder laut den Richterinnen und Richtern bessere Entwicklungschancen. Auch aus "kinderpsychologischer Sicht" wäre die Obsorge bei den Urgroßeltern besser aufgehoben als bei den Pflegeeltern.

Aufgrund der Gesetzeslage müssen die Gerichte aber zwingend ein Pflegeelternpaar mit der Obsorge betrauen, das vom Kinder- und Jugendhilfeträger ausgesucht wird. Dass die Urgroßeltern eigentlich besser geeignet sind, ändert daran nichts.

Verstoß gegen Kinderrechte?

Aus Sicht des Obersten Gerichtshofs widerspricht diese Rechtslage dem Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern. Danach hat jedes Kind "Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge, die für sein Wohlergehen notwendig sind, auf bestmögliche Entwicklung und Entfaltung sowie auf Wahrung seiner Interessen". Dieses Kindeswohl muss bei allen Maßnahmen die "vorrangige Erwägung sein".

Das "starre Rechtsverhältnis" im Gesetz, das Pflegeltern und Großeltern vor Urgroßeltern stets bevorzugt, verhindert laut OGH aber diese "geforderte Beachtung des konkreten Kindeswohls", weshalb die Bestimmung verfassungswidrig sei. Jetzt liegt der Ball beim Verfassungsgerichtshof. (japf, 21.7.2022)