Die ersten Aufnahmen des James-Webb-Weltraumteleskops (JWST), die vergangene Woche präsentiert wurden, waren spektakulär und zeigten eindrucksvoll, wozu die Menschheit auch fähig ist. Dass die Euphorie der Wissenschaft und in den Medien kein bloßer Hype war, bestätigt sich schon wenige Tage später. Denn mit dem JWST dürfte nach nur wenigen Wochen Betrieb die Beobachtung der entferntesten bekannten Galaxie gelungen sein.

Laut einer Vorabpublikation am Preprint-Server Arxiv stammt das Licht dieser Galaxie mit der Bezeichnung Glass-z13 aus einer Zeit knapp über 300 Millionen Jahre nach dem Urknall vor ziemlich genau 13,8 Milliarden Jahren. "Wir sehen potenziell das am weitesten entfernte Sternenlicht, das irgendjemand jemals gesehen hat", sagt Erstautor Rohan Naidu vom Zentrum für Astrophysik der US-Universität Harvard begeistert und bringt die Entdeckung damit auf den Punkt.

Damit würde die bisherige Rekordhalterin Gn-z11, noch mithilfe des Hubble-Weltraumteleskops gefunden, um 100 Millionen Jahre übertroffen. Noch unbestätigt ist freilich eine weitere Anwärterin, nämlich HD1, die erst im April präsentiert wurde und ähnlich alt und ähnlich weit entfernt wie Glass-z13 sein dürfte (DER STANDARD berichtete).

Roter Kreis mit hellem Zentrum

Die neue Entdeckung gelang einem Team von 25 Astronominnen und Astronomen aus aller Welt und basiert auf vorläufigen Daten eines Instruments des JWST, das Infrarotstrahlen einfängt. Werden die Daten sichtbar gemacht, erscheint die Galaxie wie ein roter Kreis mit einem helleren Zentrum. Und die "Röte" ist es auch, die Aufschluss über das Alter gibt, um es sehr vereinfacht zu formulieren.

Dieser rote Fleck ist Glass-z13, die neue Rekordhalterin.
Foto: Naidu et al, P. Oesch, T. Treu, GLASS-JWST, NASA/CSA/ESA/STScI

Ermittelt wird das Alter astronomischer Objekte nämlich mittels der sogenannten Rotverschiebung: Je höher diese ist, desto länger hat die Durchquerung des Lichts dieses Objekt in sich ausdehnendem Raum gedauert – und desto weiter zurück in der Vergangenheit sehen wir es. Mittlerweile dürfte Glass-z13 aufgrund ebendieser Ausdehnung des Universums mehr als 33 Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt sein.

Eine grobe Chronologie unseres Universums von rechts nach links. Darauf sind auch die ungefähren Orte der beiden neu entdeckten Galaxien markiert. Die obere Achse gibt die Rotverschiebung (z) an, die untere Achse die Zeit in Milliarden Jahren.
Grafik: Harikane et al., NASA, EST and P. Oesch/Yale.

Die neue Rekordanwärterin wurde zusammen mit einer anderen, sehr weit entfernten Galaxie, Glass-z11, entdeckt, deren Licht aus einer Zeit 420 Millionen Jahre nach dem Urknall stammen dürfte. Gemeinsam mit zwei weiteren besonders alten Galaxien – darunter auch Kandidatin HD1 – deuten diese beiden Objekte darauf hin, dass es möglicherweise eine Population sehr heller Galaxien gibt, die sehr schnell viele Sterne gebildet haben. Glass-z11 scheint bereits die Merkmale einer Scheibengalaxie aufzuweisen.

Unabhängige Prüfung fehlt noch

Die Auswertung wurde zwar bereits beim Fachmagazin "Astrophysical Journal" eingereicht, allerdings bisher noch nicht unabhängig überprüft. Das Team gibt sich zwar zurückhaltend: JWST sei ein brandneues Observatorium, das noch Unwägbarkeiten aufweisen könnte, die noch nicht berücksichtigt wurden. Aber glücklicherweise sei JWST in der Lage, die Entfernung dieser Objekte mit einer anderen Methode zu testen.

Fachleute reagierten trotzdem bereits begeistert auf die mögliche Entdeckung. "Astronomierekorde purzeln bereits, und weitere geraten ins Wanken", schrieb Thomas Zurbuchen auf Twitter.

Der gebürtige Schweizer ist Chefwissenschafter der US-Weltraumagentur Nasa und würde normalerweise erst dann jubeln, nachdem Studienergebnisse von anderen Wissenschaftern überprüft worden seien. "Aber das sieht sehr vielversprechend aus."

Spiraltraum in Purpur

Sieht die älteste Galaxie nicht allzu spektakulär aus, lieferte das JWST in der Zwischenzeit auch noch einen echten Augenschmaus in Violett: ein grandioses Bild der "nur" 35 Millionen Lichtjahre entfernten Messier-Spiralgalaxie M74 (NGC 628) im Sternbild Fische:

Geht es noch beeindruckender?
Foto: Nasa

Der Vergleich mit bisherigen Aufnahmen macht sicher, dass JWST auch ästhetisch ein echter Gewinn ist. Auf dem unten angeheften Tweet der Astrophysikerin Allison Kirkpatrick (University of Kansas) ist noch einmal die neue Aufnahme vom James-Webb-Weltraumteleskop zu sehen, rechts die bis dahin beste, die vor dem JWST aufgenommen wurde. (tasch, 21.7.2022)