Aus schwarz-weiß wird bunt: Quantencomputer lernen mehr Zustände als null und eins.
Illustration: Uni Innsbruck/Harald Ritsch

Computer kennen, auf der Ebene der Schaltkreise, nur wahr und falsch. Die binäre Architektur aus Nullen und Einsen ist wesentlich für die Präzision von Computern und für ihren durchschlagenden Erfolg verantwortlich. Bei bestimmten mathematischen Problemen kommt ihre Leistungsfähigkeit aber an ihre Grenzen. Hier sollen Quantencomputer Abhilfe schaffen, indem sie nicht nur null und eins erlauben, sondern auch Überlagerungen der beiden Möglichkeiten – analog zu Schrödingers Katze, die tot und lebendig zugleich sein kann.

Quantencomputer können mehr

Der Innsbrucker Experimentalphysiker Martin Ringbauer ist nun einen Schritt weitergegangen. "Die physikalischen Bausteine des Quantencomputers können deutlich mehr als nur null und eins", erklärt Ringbauer. "Die Einschränkung auf binäre Systeme nimmt diesen Computern viel von ihrem echten Potenzial."

Gemeint ist damit nicht eine Überlagerung von Zuständen wie bei Schrödingers Katze, sondern tatsächlich ein zusätzlicher, nichtbinärer Zustand, etwa eine Katze im künstlichen Tiefschlaf, um das makabre Gedankenspiel Schrödingers weiterzuspinnen.

Das Team um Thomas Monz vom Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck berichtet in der Fachzeitschrift "Nature Physics", wie es ihm nun gelungen ist, einen Quantencomputer zu realisieren, der dieses Potenzial voll ausnutzen und damit mehr Rechenleistung mit weniger Quantenteilchen erreichen kann.

Verstecktes Potenzial

Information in Nullen und Einsen zu speichern ist zwar nicht die effizienteste Art zu rechnen, aber die einfachste – und einfach heißt auch oft verlässlich und wenig fehleranfällig.

In der Quantenwelt sieht das anders aus, da es kaum Systeme mit nur zwei Zuständen gibt. "Im Innsbrucker Quantencomputer wird Information beispielsweise in einzelnen gefangenen Kalziumatomen gespeichert, die jeweils acht Zustände haben, von denen bisher aber nur zwei zum Rechnen verwendet wurden", erklärt Thomas Monz. Ähnliches gilt für fast alle existierenden Quantencomputer weltweit.

Optimal für Computer und Anwendungen

Wie die Innsbrucker Gruppe nun gezeigt hat, ist es möglich, einen Quantencomputer so zu konstruieren, dass das volle Potenzial der Atome ausgenutzt werden kann. Dafür werden alle vorhandenen Zustände als sogenannte Qudits, zusammengesetzt aus den Wörtern "quantum" und "digits", zum Rechnen verwendet. Dieses neue Rechenmodell ist optimal auf die Quantenhardware abgestimmt, und die Forschenden konnten zeigen, dass der neue Quantencomputer genauso verlässlich arbeitet wie einer, der nur null und eins benutzt.

Martin Ringbauer mit seinem Experiment. Der Tisch vor ihm trägt optische Instrumente zur Manipulation von Lasern, denen bei solchen Versuchsaufbauten eine große Bedeutung zukommt.
Foto: Uni Innsbruck

Ähnlich sieht es mit den Anwendungen aus. Denn viele der Aufgaben, die Quantencomputer brauchen – etwa in den Bereichen der Physik, der Chemie und der Materialwissenschaften –, sind auf natürliche Weise für Qudits formuliert. Versucht man, diese für übliche Quantencomputer umzuschreiben, werden sie oft zu kompliziert für heutige Maschinen. "Mit mehr als null und eins zu rechnen ist nicht nur optimal für die Quantencomputer, sondern auch deutlich natürlicher für viele Anwendungen", sagt Martin Ringbauer. Dieser Ansatz ermögliche es, das volle Potenzial unserer Quantencomputer auszuschöpfen.

Die Forschungen wurden unter anderem vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF, vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung sowie von der Europäischen Union finanziell unterstützt. Kürzlich erhielt Ringbauer für sein Projekt einen ERC Starting Grant des Europäischen Forschungsrats, der mit 1,5 Millionen Euro dotiert ist. (red, APA, 21.7.2022)