Die Vorfälle vom 24. Juni beschäftigen die marokkanische Justiz.

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Das erstinstanzliche Gericht im nordmarokkanischen Nador hat am Dienstagnachmittag eine Gruppe von 33 Flüchtlingen aus dem Sudan und dem Tschad zu je elf Monaten Haft sowie einer Geldstrafe von umgerechnet 50 Euro verurteilt. Sie wurden für schuldig befunden, "die illegale Ein- und Ausreise von Menschen in Marokko organisiert und erleichtert zu haben, Beamte in Ausübung ihrer Funktion beleidigt und Gewalt gegen sie ausgeübt sowie Widerstand gegen die Staatsgewalt geleistet zu haben".

Die 33 gehören zu den insgesamt 65 Menschen, die am 24. Juni verhaftet wurden, als 1.500 bis 2.000 Flüchtlinge und Migranten – meist aus dem subsaharischen Afrika – versuchten, die Grenzanlagen zwischen Marokko und der spanischen Exklave Melilla zu überwinden. Dabei kamen laut marokkanischen Behörden 23 Flüchtlinge ums Leben. Die Marokkanische Vereinigung für Menschenrechte (AMDH) spricht gar von 37. Insgesamt sollen 140 Grenzschützer und 76 Migranten Verletzungen erlitten haben.

Weiterer Prozess am 27. Juli

Die AMDH, deren Vertreter das Gerichtsverfahren verfolgte, spricht von einem "sehr harten Urteil gegen Asylbewerber, die nur Schutz suchen". Am 27. Juli müssen weitere 28 Flüchtlinge vor den Richter. Ihnen wird das Gleiche vorgeworfen wie den jetzt verurteilten 33. Allerdings sollen sie illegale Ein- und Ausreise "regelmäßig organisiert" haben. Dies erfüllt den Tatbestand des "Menschenhandels", worauf deutlich höhere Strafen stehen. Zudem sollen sie einen Beamten entführt und einen Waldbrand gelegt haben.

Am Mittwoch traf der spanische Ombudsmann für Bürgerrechte, Ángel Gabilondo, in Melilla ein. Er wollte sich mit Behörden, Hilfsorganisationen und Menschen treffen, denen es gelang, nach Melilla zu kommen, um herauszufinden, was in jenen frühen Morgenstunden des 24. Juni passierte. Die AMDH wirft den Grenzschützern auf beiden Seiten der Grenze unangemessenen Einsatz von Gewalt vor und belegt dies mit Bildern und Videos. Richterliche Ermittlungen gibt es in Spanien bisher nicht. Ministerpräsident Pedro Sánchez lobte den Einsatz der Grenzschützer auf beiden Seiten wiederholt. (Reiner Wandler aus Madrid, 21.7.2022)