Vier ERC-Grants gehen an die Hauptuniversität Wien, einer an die Universität Innsbruck.
Foto: Peter Wienerroither, Universität Wien

Grant muss man in der österreichischen Hauptstadt nicht lange suchen – und sogar begehrte wissenschaftliche Fördergelder, die mit dem gleichen Begriff (in englischer Aussprache) bezeichnet werden, unterstützen die Wiener Forschung. An der Universität Wien wird in dieser Hinsicht sogar die Marke der einhundertsten Forschungsförderung durch den Europäischen Forschungsrat ERC durchbrochen: Vier der hochdotierten Grants gehen an die Hauptuni, die damit bei bisher 102 ERC-Grants hält. Ein weiterer Förderpreis geht an die Universität Innsbruck.

Die Preisträger erhalten zwischen 1,5 und 3,5 Millionen Euro für ihre "grundlagenorientierte Pionierforschung mit hohem Innovationspotenzial", wie die Uni Wien mitteilte. Dazu gehört die Historikerin Kerstin von Lingen vom Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien: Sie widmet sich in ihrem "Advanced Grant"-Projekt den komplexen Praktiken der Neuansiedlungspolitik der UN und alliierter Staaten während und nach dem Zweiten Weltkrieg, als Millionen von Menschen in Europa und Asien vertrieben wurden. Sie will Antworten auf die Frage bekommen, wie Gesellschaften die enorme Aufgabe von Zwangsvertreibung und Neuansiedlung bewältigen können und Integration gelöst werden kann. Die Forschung soll auch dazu beitragen, die heutige Welt mit ihren großen Flucht- und Migrationsbewegungen besser zu verstehen.

Wahrnehmung der Außenwelt

Der Neurobiologe Manuel Zimmer vom Department für Neurowissenschaften und Entwicklungsbiologie der Uni Wien will in seinem "Advanced Grant"-Projekt neue Mikroskopie- und Computertechnologien entwickeln, um die Gehirnaktivität von völlig frei kriechenden Fadenwürmern (C. elegans) zu messen und zu analysieren, die auf der Suche nach Nahrung natürliche Umgebungen erkunden und durchqueren. Damit soll geklärt werden, warum die mit eigenen Handlungen gekoppelte Wahrnehmung der Außenwelt über das ganze Gehirn verteilt stattfindet.

Theoretisch-historisch wird es bei Philosoph Georg Schiemer, der einen "Consolidator Grant" erhielt. Schiemer, der ab Herbst 2022 Vorstand des Instituts Wiener Kreis an der Uni Wien wird, führt eine erste interdisziplinäre und vergleichende Untersuchung der Wende zum formalistischen Denken in der Logik, der Mathematik und der Wissenschaftstheorie im frühen 20. Jahrhundert. Dabei konzentriert er sich auf die Philosophie des Logischen Empirismus, dem zeitgleich verlaufenden Grundlagenstreit in der Mathematik sowie auf Beiträge zur mathematischen Logik zwischen 1900 und 1940.

Nicht-binäre Quantencomputer

Im Mittelpunkt des "Starting Grant"-Projekts der Virologin Anouk Willemsen vom Department für Mikrobiologie und Ökosystemforschung der Uni Wien stehen Riesenviren, die sich in Einzellern vermehren und sich durch ihre enorme Größe, die jener von Bakterien ähnelt, sowie durch ihre für Viren ungewöhnliche genetische Ausstattung auszeichnen. Sie will mit ihrer Forschung besser verstehen, wie Riesenviren ihre komplexen Genome erhalten haben, und Einblicke in den molekularen Dialog zwischen Viren, Bakterien und ihren gemeinsamen Wirten bekommen.

Dem Physiker Martin Ringbauer vom Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck wurde ein "Starting Grant" des ERC zuerkannt. Die binäre Art der Informationsverarbeitung, die mit zwei Zuständen (0 und 1) arbeitet, ist nicht nur die Basis von klassischen Computern. Auch Quantencomputer werden nach diesem binären Vorbild entwickelt. Doch die Bausteine von Quantencomputern können deutlich mehr als nur Null und Eins, mit einer binäre Rechenweise wird also Rechenleistung verschenkt. Ringbauer will daher Quantencomputer entwickeln, die mit mehr Zuständen als Null und Eins arbeiten. (APA, red, 21.7.2022)