Im Gastblog beschreibt der Mediator Ulrich Wanderer, welches Potenzial Eheverträge nicht nur im Fall einer Scheidung, sondern für die generelle Stabilität einer Partnerschaft haben können.

So romantisch die Idee der Ehe sein kann, so unromantisch wird in der Regel der Gedanke an einen Ehevertrag erlebt – insbesondere wenn man diesen als vorweggenommene Scheidungsvereinbarung versteht. Einmal davon abgesehen, dass die dem Ehevertrag innewohnenden Möglichkeiten der juristischen Regelung nur in einer durchaus überschaubaren Zahl von Fällen genutzt werden, bietet schon alleine der Wunsch eines Partners oder einer Partnerin nach einer notariellen Vereinbarung hinsichtlich des Zusammenlebens oder auch einer potenziellen Vermögensaufteilung im Rahmen einer Scheidung beträchtliches Konfliktpotenzial.

Ein Ehevertrag ermöglicht Klarheit in einer Partnerschaft, erfordert aber für eine erfolgreiche Umsetzung von beiden Seiten Wertschätzung und Verständnis.
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Wie kann hier das Handwerkszeug der Mediation helfen, einerseits die Stimmung im Vorfeld des Hochzeitstags nicht zu ruinieren, andererseits dem Wunsch nach einer juristisch soliden Basis der zu schließenden Ehe nachzukommen?

Rosarote Liebe und präventive Konsensfindung

Was wie ein klassischer Gordischer Knoten scheint, der nur mit unromantischer Brutalität durchtrennt werden kann, entpuppt sich bei etwas genauerem Hinsehen als Möglichkeit, die Kommunikation der Partnerschaft für jene Fälle zu testen, in denen Missverständnisse an der Weggabelung von Konsens und Streit stehen. Es ist nachvollziehbar, dass der durch die rosaroten Brillengläser geschönte Blick des verliebten Partners oder der Partnerin in ein stirnrunzelndes Kopfschütteln gewandelt wird, kommt das Thema des Ehevertrags erstmalig auf dem sprichwörtlichen Tisch.

Es beim Kopfschütteln zu belassen und entweder auf den Vertrag zu verzichten oder ihn gar gegen den Willen des anderen durchzusetzen wäre wohl kaum im Sinne einer guten ehelichen Kommunikation. Zugegebenermaßen selten, aber doch immer öfter kontaktieren heiratswillige Paare aus diesem Grund Beratungsstellen oder Mediatoren und Mediatorinnen, insbesondere wenn es im Vorfeld – aus welchem Grund auch immer – bereits positive Erfahrungen mit Mediation gegeben hat.

Welche Motive führen zukünftige Ehepaare oder auch einzutragende Partner und Partnerinnen zu einer Mediation? Welche Erwartungshaltungen kann es geben – und, vor allem, können diese auch erfüllt werden?

Schlechte Erfahrungen benötigen Verständnis

In der Praxis liegen oftmals schlechte Erfahrungen am Anfang des Gedankens, sich mit der Thematik Ehevertrag zu beschäftigen. Manchmal wurden diese Erfahrungen in vorhergehenden Beziehungen gemacht, manchmal ist es den Eltern des Brautpaars wichtig, das Familienvermögen vor einem potenziellen Scheidungskrieg zu bewahren.

Stand bereits einmal eine nerven- und kontozehrende Scheidung in der Lebensgeschichte einer der nun heirats- oder eintragungswilligen Personen, so gilt es, einen Spagat aus Verständnis und Wertschätzung zu schaffen: Verständnis für die Bedenken aufgrund der gemachten Erfahrungen, Verständnis für das Bedürfnis, die neue Bindung auch juristisch auf profunde Beine zu stellen und so die einmal erlebten Dispute in der Vergangenheit zu belassen.

Andererseits sind natürlich gerade im Vorfeld einer Eheschließung Feingefühl und Wertschätzung dahingehend gefragt, die Vertrauensbasis – schließlich will man ja doch das restliche Leben miteinander verbringen – zu bewahren und dem Partner oder der Partnerin nicht per se zu unterstellen, in mittlerer oder fernerer Zukunft einen Scheidungskrieg vom Zaun zu brechen. Von der anderen Person ist Wertschätzung hinsichtlich der Bedenken gefragt, um sich auf die unromantisch anmutende Rechtsbelehrung hinsichtlich der Möglichkeiten und der Bedeutung des Ehevertrags einzulassen und so die im Raum stehenden Bedenken zu entkräften.

Bedenken aus der Familie

Bringen Eltern des Ehepaars ihre Bedenken im Vorfeld der Eheschließung ein, so ist es wichtig, einerseits deren Rolle im gesamten System zu adressieren, aber andererseits auch die Unterstützung des Brautpaars wertzuschätzen. Werden Grundstücke zum Hausbau an einen oder beide Heiratswilligen überschrieben, ist das Interesse der Eltern an einer klaren Regelung des rechtlichen Schicksals der Liegenschaft verständlich. Wenngleich die juristische Ausformulierung auch hinsichtlich der zu erwartenden Wertsteigerung des Grundes durch den Hausbau ebenso fordernd werden könnte – wie auch die Einrechnung allfälliger Kreditraten, falls der Hausbau fremdfinanziert werden sollte, Notarinnen und Anwälte wohl einige Stunden beschäftigen wird –, so bedeutet die emotionale Arbeit mit dem Medianden oder der Mediandin die Basis für weitere Schritte.

Regelung der Firmenanteile und katholische Rechtsansichten

Im Rahmen einer Vortragsreihe zu den rechtlichen Folgen der Eheschließung ergaben sich für mich zwei spannende Unterhaltungen. Eine davon leitete ein Teilnehmer mit der Frage nach einem Ehevertrag bezüglich der Anteile seiner Firma ein, welche er aus jedweder ehelichen und auch gegebenenfalls nachehelichen Diskussion heraushalten wollte, die andere ergab sich aus der Anwesenheit eines Richters des katholischen Ehegerichts zum allgemeinen Wesen des Ehevertrags aus seiner Sicht.

In der ersten Frage bezüglich der Firmenanteile wollte der Fragende sicherstellen, dass auch aufgrund der damit zusammenhängenden Arbeitsplätze die alleinige Verfügungshoheit über sämtliche Firmenangelegenheiten wie bisher bei ihm bleiben könnte. Ebenso wie auch die daraus resultierenden Einnahmen, welche zu einem großen Teil in die Betriebsanlagen reinvestiert werden sollten. Hier gilt grundsätzlich, dass jene Einnahmen, die zum Beispiel ausschließlich durch die Arbeit eines Ehegatten aus seinem Eigentum – seien es Anlagen, Mietgewinn oder eben Erlös aus betrieblicher Arbeit – kommen, auch ausschließlich diesem Ehegatten während der Ehe zustehen. Dass bei einer allfälligen Scheidung über das "gemeinsam Ersparte" diskutiert werden kann, ist eine andere Sache. Je klarer jedenfalls das "Schicksal" der Einnahmen aus jenen Quellen, die ausschließlich ein Part in die Ehe eingebracht hat, geregelt wird, desto weniger diskussionsbegründenden Zweifel gibt es in der Zukunft.

Genau in diese Richtung argumentierte auch der katholische Geistliche in seiner Eigenschaft als Teil des "Ehegerichts". Sogar vor katholisch-richterlichen Augen war ein Ehevertrag, welcher sich nicht um die Scheidungsfolgen, sondern nur um die Vermögensaufteilung während aufrechter Ehe kümmert, keinerlei Problem, zumal rechtliche Sicherheit ein stabilisierendes Element darstellen kann. Diese Argumentation konnte in der Folge bei so manchem Fall helfen, in dem der Wunsch nach einem Ehevertrag als Misstrauen gedeutet wurde.

Mediation zum Misstrauensabbau

"Bis dass der Tod Euch scheidet" – oder wer auch immer, ist man versucht hinzuzufügen. Oftmals wird aufgrund ebendieses Zynismus der Wunsch nach einer konkreten juristischen Basis der Ehe als Misstrauen abgetan. Hier den richtigen Ton zu treffen, die Wünsche nach juristischer Klarheit mit der Hoffnung auf romantisches Vertrauen unter einen Hut zu bringen ist ein wichtiges Element der Mediation, gerade im Vorfeld der Trauung, sei sie nun konfessionell oder rein standesamtlich. (Ulrich Wanderer, 26.7.2022)