Der Hintertuxer Gletscher im Tiroler Zillertal sieht derzeit nicht so idyllisch aus.

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Hintertux – Ein seit Donnerstag in den Social Media kursierendes Video, das offenbar die Gletscherschmelze in einem Tiroler Gletscherskigebiet zeigt, sorgt inmitten der Hitzewelle für Aufregung. Zu sehen sind Menschen, die an einem Schlepplift durch stark geschmolzenen, schwärzlichen Schnee pflügen. Im Video sind Rufe von "Waterskiing" zu hören. Das Video wurde etliche Male angesehen, in der Diskussion werden "Sommerskitourismus" in Zeiten der Klimakrise und "Geldgier" kritisiert. Es handle sich um den Hintertuxer Gletscher, wurde der APA bestätigt, allerdings sei die Aufnahme nicht von heuer.

Das sehe er daran, dass im Hintergrund Gletscherflächen abgedeckt sind, die im heurigen Winter nicht abgedeckt worden seien, sagte Matthias Dengg, Mitglied der Geschäftsführung. Aus welchem Jahr die Aufnahme stammen könnte, traue er sich nicht zu sagen. Aber: "Solche Phasen kommen immer wieder vor", relativierte Dengg und räumte ein: "Die Verhältnisse sind zurzeit sehr schwierig." Die Pisten sähen auch im Moment ähnlich aus, wie es die Szene im Video suggeriere.

Gletscher spürt Hitzewelle

Im Normalfall hat man diese Verhältnisse erst ab Mitte August bis zum Herbsteinbruch im September. Den schneearmen Winter in Kombination mit einem außergewöhnlich warmen Frühling nannte Dengg als Grund für die derzeitige Situation.

Die aktuelle Hitzewelle habe ihr Übriges getan. "Es ist aktuell auch in der Höhe ungewöhnlich warm", hielt Dengg fest. "Eis und Schnee schmelzen – das wurde in den letzten Tagen auch ausführlich von Expertinnen und Experten kommentiert." Die Schmelze betreffe alle Gletscher. In Tirol gibt es "fünf Gletscherskigebiete und über 600 Gletscher", rief Dengg in Erinnerung.

"Symbolbilder" des Klimawandels

Gepostet wurde das Video auf Twitter am Donnerstagvormittag von Jasmin Duregger, Klima- und Energieexpertin bei Greenpeace. Sie habe das Video in mehreren Whatsapp-Gruppen geschickt bekommen, sagt sie dem STANDARD. Für sie sind die Bilder "Symbolbilder, die jetzt aufschlagen". Sie zeigen, dass "wir den Klimaschutz sträflich vernachlässigen". "Wir fahren weiter auf Gletschern Ski und verbrennen Öl und Gas, obwohl wir wissen, dass die einzige Lösung des Problems Klimaschutz und ein Ende der fossilen Energien ist", sagt Duregger.

Ähnliche Worte findet der stellvertretende Tiroler Landesumweltanwalt Walter Tschon: Die Bilder von den Gletschern würden zeigen, "wohin die Reise geht". Alle Skigebiete, auch jene auf Gletschern, kämpfen mit denselben Symptomen. Seit rund fünf Jahren werde in Tirol sogar auf über 3.000 Metern beschneit.

Problem der Erosionen: "Es bröckelt"

Die Bewilligungsverfahren für weitere Beschneiungsteiche würden zunehmen und auch jene Verfahren für Sicherheitsmaßnahmen in den Gletschergebieten. Wegen der Erwärmung gebe es "immense Probleme" mit Erosionen, "es bröckelt, auch in der Nähe der Lifte", sagt Tschon zum STANDARD.

Er rechnet damit, dass in fünf Jahren rund ein Drittel aller Skigebiete werde zusperren müssen. "Wir brauchen eine Alternative zum Wintersport und einen neuen Zugang zum Skisport", fordert er.

In den Kommentaren postete ein User ein ähnliches Video, das ebenfalls auf dem Hintertuxer Gletscher aufgenommen wurde – scheinbar "vor einigen Tagen". In diesem Video sind Skifahrer talwärts unterwegs – in tiefen Rinnen, die weniger einer Spur, sondern eher einer Wasserrutsche gleichen.

Nachfrage nach Sommerskifahren vorhanden

Auf der Website präsentiert sich der Hintertuxer Gletscher als "Österreichs einziges Ganzjahresskigebiet" und wirbt mit "365 Tage Schneespaß" und bis zu 20 Pistenkilometern im Sommer. Die Nachfrage in den Sommermonaten sei nach wie vor vorhanden, erklärte Dengg. Doch seien es vor allem (angehende) Profisportlerinnen und -sportler und Skilehrerinnen und -lehrer, die zum Training auf den Gletscher fahren.

Dies bestätigte auf APA-Anfrage auch der Österreichischer Skischulverband (ÖSSV). Während der Sommermonate könnten sich die meisten Interessierten Zeit für die Ausbildung nehmen, so die Erklärung des Verbands, warum die Kurse im Sommer stattfänden. Seit Jahren würden diese auf dem Hintertuxer Gletscher durchgeführt. In diesem Jahr seien es drei Sommerskikurse, an denen im Schnitt 70 Personen aus allen Bundesländern Österreichs teilnehmen, sowie je ein Snowboard- und ein Dual-Kurs. "Im Vorfeld sind viele Anfragen gekommen, ob der Kurs stattfindet", erklärte die Mitarbeiterin. Die Verunsicherung sei ob der aktuellen hohen Temperaturen groß gewesen. Die Ausbildungsleiter hätten sich aber "trotz wenig Schnee" dafür entschieden: "Sie kennen sich gut aus." (APA, lalo, 21.7.2022)