Steyr-Automotive-Eigentümer Siegfried Wolf verwundert mit seinem "Endlösungen"-Zitat.

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Es ist ein mehr als fragwürdiger Vergleich, den der österreichische Manager und Investor Siegfried Wolf im Gespräch mit der Wochenzeitung Die Zeit gezogen hat. In einem mehrseitigen Porträt des Oligarchen Oleg Deripaska kritisiert Wolf, dass Deripaska, sein langjähriger Kompagnon und ein enger Vertrauter Putins, auf der Sanktionsliste der EU steht.

"Sanktionspolitik hat noch nie etwas gebracht", spricht Wolf den beiden Redakteuren aufs Band. "Hier wird Leuten das Eigentum weggenommen, die hier viel investiert haben und die wir mal willkommen geheißen haben. Das hat es ja schon mal gegeben, dass man Leute vertreibt und nach Endlösungen sucht." Das Zitat autorisierte Wolf später auch noch.

Systematische Ermordung

Wofür das Wort "Endlösung" in der NS-Herrschaft und spätestens seit den Nürnberger Prozessen in ganz Europa steht, ist Allgemeinwissen: für die Verfolgung und systematische Ermordung von Jüdinnen und Juden durch die Nationalsozialisten bis zu deren Kapitulation 1945. Hat der Geschäftsmann die Opfer der Shoah mit reichen Russen verglichen, die nicht mehr überall ihre Geschäfte machen dürfen?

Mit der Frage konfrontiert, lässt der Sprecher Wolfs dem STANDARD am Donnerstag ein Statement zu dem Sager zukommen: "Herr Wolf hat sich im Gespräch mit der Zeit kritisch zum Sanktionsmechanismus der EU gegenüber Russland geäußert. Es war und ist aber in keiner Weise die Haltung von Herrn Wolf, dies mit der Judenverfolgung im Nationalsozialismus zu vergleichen oder gar gleichzusetzen." Eine Erklärung, wer sonst mit Vertriebenen und was sonst mit "Endlösungen" gemeint war, bleibt er schuldig.

Holocaustverharmlosungen, also unzulässige Vergleiche, die das Leid – absichtlich oder durch Unwissen – von Opfern der NS-Diktatur relativieren, gab es zuletzt besonders oft in den Reihen der Corona-Leugner.

"Weitverbreitete Unart"

Bernhard Weidinger, Politologe und Experte für das NS-Verbotsgesetz beim Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, hat damit Erfahrung: "Es ist eine weitverbreitete Unart, jede subjektiv als ungerecht empfundene Maßnahme mit den größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte zu vergleichen und diese damit zu relativieren."

Wolfs Zitat aber ziehe den Holocaust "geradezu ins Lächerliche. Sanktionen gegen milliardenschwere Stützen eines Kriegsverbrechen verantwortenden Diktators in die Nähe der millionenfachen physischen Vernichtung von Menschen auf Basis von Rassenwahn und eliminatorischem Antisemitismus zu rücken zeugt von einem bemerkenswerten Mangel an historischer Sensibilität." Es handle sich um "einen in seiner Brutalität außergewöhnlichen Schlag ins Gesicht der Opfer des NS-Regimes und ihrer Nachkommen", sagt Weidinger. (Colette M. Schmidt, 22.7.2022)