"Wir bringen nicht Menschen zur Kunst, sondern die Kunst zu den Menschen", erklärte Prishtinas Bürgermeister Përparim Rama.

Foto: Atdhe Mulla

Prishtina – Mit der 14. Ausgabe der europäischen Wanderbiennale Manifesta sollen ab Freitag nicht nur maßgebliche Impulse für die Stadtentwicklung der kosovarischen Hauptstadt Prishtina gesetzt werden. Der Kunstevent soll auch ein Signal dafür sein, dass eine Visa-Liberalisierung und weitere europäische Integration des Kosovo überfällig sind, verdeutlichten bei der Eröffnungspressekonferenz am Donnerstag verantwortliche Politiker der jungen Balkanrepublik sowie Vertreter der Manifesta.

"Es hätte keinen anderen Ort geben können, an dem die Präsenz der Manifesta dringlicher wäre", sagte die niederländische Direktorin Hedwig Fijen. Sie bezog sich damit auch auf politische Spannungen am Westbalkan, die im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine an Brisanz gewonnen haben. Sie müsse jedoch schmerzvoll eingestehen, dass auch die ukrainische Hauptstadt Kiew für die Manifesta 14 zur Auswahl gestanden sei, die Entscheidung sei letztlich jedoch für Prishtina gefallen. Fijen kündigte gleichzeitig Initiativen in der Ukraine an, das ganze Land könnte etwa 2028 zum Austragungsort der Wanderbiennale avancieren, sagte sie.

"Die Manifesta ist Ausdruck unseres legitimen Verlangens, mit anderen Nationen in der Region und in Europa gleich behandelt zu werden", proklamierte der kosovarische Kulturminister Hajrulla Çeku. Er bezeichnete die Abhaltung des Kunstevents als "deutlichsten Beweis" dafür, dass sich Prishtina nicht von anderen Manifesta-Austragungsstädten unterscheide und auch deshalb die Visapflicht für Kosovaren ihre Bedeutung verloren habe. Zudem sei die Veranstaltung eine Möglichkeit, international ein realistisches Bild des Kosovo zu vermitteln, betonte Çeku, der auch seine Hoffnung auf vermehrten Kulturtourismus zum Ausdruck brachte.

Dialog, Autoverkehr und Donna Haraway

"Wir bringen nicht Menschen zur Kunst, sondern die Kunst zu den Menschen", erklärte Prishtinas Bürgermeister Përparim Rama. Die Idee habe darin bestanden, in einer gemeinsamen Anstrengung von Manifesta und Prishtina die Transformation des öffentlichen Raums voranzutreiben. "Es gilt die Möglichkeiten zu erkennen, die die Stadt bietet und die Manifesta als Plattform für Diskussionen zu verwenden", erläuterte Rama. Auf Nachfrage machte der studierte Architekt und Städteplaner deutlich, dass im Dialog mit den Stadtbewohnerinnen und Stadtbewohnern vor allem auch Regeln erarbeitet werden sollen, die zur Überwindung einer bisher kaum regulierten Stadtentwicklung beitragen. Insbesondere soll es dabei auch um eine Aufwertung der Fußgänger gehen, die in der vom Autoverkehr dominierten Stadt bisher schwer benachteiligt sind, verdeutlichte er.

Für inhaltliche Fragen der Manifesta 14 sind die Australierin Catherine Nichols und der Italiener Carlo Ratti verantwortlich, die nicht als Kuratoren, sondern als "kreative Mediatoren" bezeichnet werden. Unter dem sperrigen Titel "It matters what worlds world worlds: how to tell stories otherwise", eine Anspielung an ein Zitat der US-amerikanischen Feminismusforscherin Donna Haraway, stellen sie in drei zentralen und 25 kleineren Locations in Prishtina und Umgebung 103 künstlerische Positionen aus. Erstmals in der Geschichte der Manifesta dominieren lokalen Künstlerinnen und Künstler: Mehr als ein Drittel der Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben ihre Wurzeln im Kosovo, weitere 25 Prozent stammen aus anderen Staaten des Westbalkans. (APA, 22.7.2022)