Das Nordirland-Protokoll sieht vor, dass die Provinz Teil des EU-Binnenmarkts und der Europäischen Zollunion bleibt.

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London/Brüssel – Die Europäische Kommission hat am Freitag im Nordirland-Streit vier neue Verfahren gegen Großbritannien eingeleitet. Die EU-Behörde wirft London vor, wesentliche Teile des Protokolls über die Handelsvereinbarungen nach dem Brexit für Nordirland nicht eingehalten zu haben. Der Schritt folgt auf die Freigabe des Gesetzesentwurfes zum Nordirland-Protokoll durch das Unterhaus des britischen Parlaments am Mittwoch.

Mit dem geplanten Gesetz sollen die Brexit-Vereinbarungen zu der britischen Provinz einseitig von London außer Kraft gesetzt werden können. Die EU hatte sich zuvor über das Vorhaben äußerst besorgt gezeigt und Konsequenzen angedroht. Vertragsverletzungsverfahren können zu einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof führen und mit einer Geldstrafe enden.

Risiko eines Handelsstreits

Bevor das Gesetz in Kraft treten kann, muss es jedoch noch durch die zweite Parlamentskammer, das House of Lords. Das soll nach der Sommerpause geschehen.

Im Oberhaus dürfte der Entwurf auf deutlicheren Widerstand stoßen. Sollte sich die Regierung mit den Plänen aber durchsetzen, dürfte es zu schweren Verwerfungen mit Brüssel kommen. Im schlimmsten Fall droht ein Handelskrieg.

Nordirland soll Sonderstatus verlieren

Die Regierung in London will mit dem Gesetzesvorhaben erzwingen, dass Brüssel die erst 2019 im Rahmen des Brexit-Vertrags geschlossene Vereinbarung über den Sonderstatus für Nordirland wieder aufmacht. Die EU-Kommission schließt das strikt aus und will stattdessen über Lösungen im Rahmen der bestehenden Vereinbarung verhandeln.

Das Nordirland-Protokoll sieht vor, dass die Provinz Teil des EU-Binnenmarkts und der Europäischen Zollunion bleibt. Damit sollten Warenkontrollen an der Grenze zum EU-Mitglied Irland verhindert werden, um ein Wiederaufflammen des Konflikts zwischen Befürwortern und Gegnern einer Vereinigung der beiden Teile Irlands zu verhindern. Notwendig sind nun aber Kontrollen zwischen Nordirland und dem Rest des Vereinigten Königreichs. Diese Konsequenz will die Regierung in London nachträglich aufheben, ohne jedoch eine alternative Lösung vorzulegen. (APA, 22.7.2022)