Befürworterinnen und Gegner von Entscheidungen sieht man schnell, Unentschlossene sind hingegen schwer fassbar. Dabei nehmen sie eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung ein.

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Für jede Umsetzung müssen einige Mittel bereitgestellt werden: Kapital, Ressourcen, technische Ausstattungen etc. Jede Entscheidung läuft darauf hinaus, dass mit deren Hilfe etwas anders wird. Eine neue PR-Aktion will das Kaufverhalten beeinflussen, der veränderte Speiseplan der Kantine soll zu gesünderem Essen animieren, neue Regeln sollen die IT-Sicherheit trotz Homeoffice gewährleisten. Energieknappheit oder Pandemien erfordern drastische Entscheidungen, die fast immer Verhaltensänderungen verlangen.

Das ist oft schwierig, weil der Mensch ein Gewohnheitstier ist. Aus gutem Grund, Routinen erleichtern das Leben und entlasten das Gehirn. Gleichzeitig führt das dazu, dass sich viele gegen Organisationsänderungen sträuben oder wehren. Widerstände werden gern als Begründung für Hindernisse bei der Umsetzung genannt. Betroffene sehen das meist anders, etwa Jacques, der Diener in Denis Diderots Roman: "Herr, belieben Sie mir etwas anderes zu befehlen, wenn Sie wollen, dass ich Ihnen gehorchen soll."

Aber: Menschen sind auch anpassungsfähig. Üblicherweise ändern Leute ihr Verhalten, wenn sie sich etwas erhoffen (eine Verbesserung) oder etwas befürchten (eine Verschlechterung oder Strafe). Also stellt sich die Frage: Carrots or sticks? Aber dafür gibt es kein Rezept. Unklar ist, für wen was als Karotte gilt, welche Strafen auf wen wie wirken etc. Einige Zusammenhänge sind klar, werden aber nicht angewendet: Belohnungen wirken nur, wenn sie maßgeschneidert ausgeschüttet werden, sie binden die Motivation an das Zuckerl, nicht an den Inhalt der Arbeit. Trotzdem sind Boni üblich und in vielen Bereichen kennt die Vergütung nur eine Richtung: nach oben, oft unabhängig vom Erfolg.

Unentschlossene ansprechen

Befürworterinnen und Gegner sieht man schnell, Unentschlossene sind oft schwer fassbar. Wie man weiß, sind die Fence-Sitters eine entscheidende Größe. Sie sind oft unentschlossen, weil sie zu wenig oder zu unterschiedliche Informationen haben. Und manche hüpfen erst vom Zaun, wenn sie wissen, auf welcher Seite die Gewinner stehen. Deshalb sollten nicht die Gegner, sondern die Unentschlossenen die wichtigste Zielgruppe sein, für die man Kommunikationsstrategien konzipiert und in Hinblick auf die man überlegt, wer sie ansprechen kann.

Wer Erfahrung mit Umsetzungsprojekten hat, die Routinen ändern wollen, setzt auf vier Grundannahmen:

  • Glaubwürdigkeit erhöht die Bereitschaft, Forderungen nachzukommen. Wer bestimmte Verhaltensweisen fordert, braucht Vertrauen, Appelle reichen nicht aus. Manipulation wirkt meist nur einmal, ist aber ein Notausgang – für Feiglinge.
  • Arbeitshandeln ist zielgerichtet. Ein Beispiel: Arnold Schwarzenegger plädiert dafür, sich jeweils nur ein einziges Ziel vorzunehmen, ein Problem, das jeder versteht. So hat er als Gouverneur seine Umweltschutzgesetze als Vermeidung von Verschmutzung durchgebracht, ohne Republikaner mit dem Wort Klimawandel zu reizen.
  • Verbindliche Ziele kann nur ein Management setzen, das Verantwortung übernimmt. Verbindlich sind Ziele, wenn sie klar definiert und überprüfbar sind. Ein Laisser-faire-Management ist Gift. Überlässt die Leitung eines Betriebes die Sicherheit der Eigenverantwortung der Belegschaft, würde man von Organisationsversagen sprechen.
  • Ziele geben die Richtung vor, aber was hilft, sie einzuhalten? Das Wissen, was man davon hat, und die Bestärkung durch wichtige andere. Welches Menü man in der Kantine wählt, hängt wesentlich von Kolleginnen und Kollegen ab, mit denen man zusammen isst. Gruppenregeln bestimmen also das Verhalten mit. Das schilderte auch Toni Innauer, Olympiasieger im Skispringen, 2020 im STANDARD-Interview: "Wir waren so verrückt damals, dass jeder als Feigling gegolten hat, der einen Helm aufgesetzt hätte, das Gummikapperl hat zwar keinen Schutz geboten, aber eine bessere Aerodynamik als die gestrickte Haube."

Alle bisher genannten Faktoren zielen darauf ab, Gewohnheiten zu etablieren, die notwendig sind, um eine Entscheidung wirksam werden zu lassen. In der kurzen Aufzählung fehlt ein wichtiger Punkt, der auch sonst oft zu kurz kommt. Stellen Sie sich die Frage: "Was hindert die Leute daran, das zu tun, was man von ihnen verlangt?" Hemmende Faktoren zu beseitigen ist oft wirksamer, weniger aufreibend und billiger als "Pull-Faktoren" zu konstruieren oder Druck auszuüben. (Stefan Titscher, 26.7.2022)