Das legendäre Hebmüller-Cabrio (1950)

Foto: VW / Kai-Uwe Knoth

Bruno Kreiskys sonnenkönigsgelbes Käfer-Cabrio für 85.100 Euro verkauft: zum fast Dreifachen des Schätzpreises, unlängst bei der Oldtimer-Sommerauktion des Dorotheums in Wien. Jetzt, wo das Geld bald nichts mehr wert ist, wird sich weisen, ob historische Automobile eine krisenfeste Anlage sind.

Die Faszination immer breiterer Bevölkerungsschichten an Fahrzeugen längst vergangner Tage ist jedenfalls Faktum, die Gründe reichen von Nostalgie über Bastlerleidenschaft und Ablehnung der sterilen aktuellen Hochtechnologie bis hin zu Überlegungen hinsichtlich einer krisensicheren Mobilitätsreserve: Wenn Strom und Gas ausfallen, die heutigen sauberen Sprits knapp werden und dann vom E-Auto bis zum sonstigen Neuwagen alles am Straßenrand liegen bleibt, kann man mit diesen Vehikeln aus der Vorelektronikära notfalls auch mit "Selbstgepanschtem" fahren.

Ach, blicken wir lieber nicht in eine sich immer düsterer abzeichnende Zukunft, sondern bleiben einfach beim Old- und Joungtimer – und lugen in eine Lagerhalle, zu der man sonst eher selten Zutritt bekommt: VW Klassik Depot in Warmenau, nahe Wolfsburg.

Mehrere Standorte

14. Juli. Manche erstürmen an einem solchen Tag Staatsgefängnisse, andere beschäftigen sich ganz friedlich mit dem rollenden Kulturgut Automobil. Und was da nicht alles für Schätze drinnen stehen!

Obwohl 1961 ein extrem guter Jahrgang war, brachte es dieses Fahrzeug nicht über das Prototypen-Stadium hinaus: VW 1500 Cabriolet.
Foto: Andreas Stockinger

Doch erst einmal zur Positionierung. Die Bestände historischer Fahrzeuge seien bei Volkswagen auf mehrere Standorte mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung verteilt, erläutert Depot-Leiter Sascha Neumann. In Osnabrück (Karmann) befänden sich rund 150 Fahrzeuge, hier in Warmenau 120, allesamt aus der VW-Historie, wohingegen das Zeithaus in der Autostadt (Wolfsburg) seine erlesene Sammlung aus mehr als 60 Automarken rekrutiert. Hinzu komme noch das "Auto Museum Volkswagen" in der Wolfsburger Dieselstraße, gleich ums Eck beim Schloss, eine reine VW-Sammlung wiederum und absoluter Geheimtipp.

Nehme man die 30 Autos hinzu, die im Einsatz seien oder in restauro, käme man zusammen mit Osnabrück auf 300 Fahrzeuge. Autostadt und Zeithaus mit eingerechnet ergäbe sich ein rund 800 Stück starker Bestand. Konkurrenz herrsche da kaum, im Gegenteil: "Wir tauschen uns laufend untereinander aus."

"Rollendes Museum"

Das Depot selbst, so Neumann weiter, verstehe sich als "rollendes Museum" und beschicke laufend Klassikveranstaltungen und Oldtimer-Rallyes. Aber, wie allerorten: "Mit Corona sind uns die Veranstaltungen weggebrochen. Heuer stellt sich erstmals wieder so was wie Normalität im Betrieb ein."

Fünf Personen seien in Warmenau beschäftigt, eine Dame, vier Herren. Drei Fahrzeuge würden gerade restauriert und aufgebaut: ein Typ 181, ein 411 und ein Golf 3 Citystromer. Ältestes Fahrzeug ist ein schwarzer Käfer von 1946, ältestes einsetzbares das Hebmüller-Cabrio, dazu später noch ein paar Worte. Was sie mit dem großen Bestand an Fahrzeugen aus dem Motorsport unternähmen, will ich nach einem Rundgang durch die Halle wissen. Lakonische Antwort: "verwalten".

Links der Rallye- oder Salzburg-Käfer, daneben ein Karmann Ghia Typ 14 Cabriolet von 1958.
Foto: VW / Kai-Uwe Knoth

Kurz noch das blaue Mäntelchen über einem Typ 166 Schwimmwagen gelüftet (zwei wuchsen der Sammlung aus US-Beutebeständen zu), Sanitätsausführung der Wehrmacht, drinnen der Hinweis: "Vorsicht bei Gesprächen! Feind hört mit!, und ja, da stehen sie auch schon, die zur Ausfahrt bereitstehenden Schmuckstücke. Ein Typ 3 1500 Cabriolet ist mir vorhin aufgefallen, Baujahr 1961, ist ja angeblich ein großartiger Jahrgang. "Fahrbereit?" "Fahrbereit." Ist es dann doch nicht ganz, ausgehakte Handbremse – aber "kein Problem, wir bringen es zum Mittagstreff."

Heute kennt man von allem den Preis, aber von nichts den Wert, sinnierte Oscar Wilde einmal. Dieses Auto ist so ein Sonderfall, der belegt, warum sich schwer sagen lässt, welches Vermögen sich da in der nüchternen Warmenauer Halle versammelt: ein Prototyp, 1961 auf der IAA in Frankfurt gezeigt und nie gebaut – Preis? Nicht einschätzbar.

"Legendäres Aufreißerauto"

VW Classic Depot heißt das übrigens offiziell, britische Besatzungsmacht und die Nachwirkungen. Wir schreiben Klassik Depot, es heißt ja auch nicht Deutsche Classic, und apropos: Quedlinburg liegt nicht weit weg von hier, da machen wir doch einem der Wegbereiter dieser Klassik, Klopstock, unsere Aufwartung. König Heinrich I. auch, Herr Heinrich saß am Vogelherd und so, mit diesem Burschen ist Quedlinburg gewissermaßen auch Gründungsort des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, damit letztlich auch Österreichs. Weltkulturerbe.

Das ist der 1500er-Prototyp noch nicht, aber der steht erst mittags zur Verfügung. Womit lege ich also los runter ins idyllische Städtchen am Harzrand? Warum nicht mit dem Ur-GTI. Auch längst ein Klassiker. Der Volkssportler schlechthin, debütierte 1976, mit 110 PS und 810 kg Leergewicht, "legendäres Aufreißerauto", kommentiert Karin Angerer, Sprecherin von VW bei Porsche Austria, schmunzelnd vom Beifahrerinnensitz, und mag schon sein, aber ein Erlebnis heut’ ist’s allemal.

Wobei: Erste und Zweite sind kaum reinzuzwingen, Herrschaftszeiten, "ja, stimmt, das Getriebe muss erst noch aufbereitet werden", bestätigt Neumann nachher. Dritter und vierter Gang flutschen immerhin halbwegs problemlos.

Käfer mit Stimmbruch

140 auf der Autobahn ... Ja was ist denn da los? Zieht doch tatsächlich ein Käfer bollernd an uns vorbei, mit 150, 160 Sachen, und Steuermann Walter grinst herüber. Wir machen große Augen, die Leute anschließend in Quedlinburg und in den Dörfern, die wir später durchfahren, auch, Applaus, Applaus.

"Theo Decker"-Käfer (1972; 130 PS!) der erste Golf GTI (Baujahr 1978; 110 PS).
Foto: VW / Kai-Uwe Knoth

Geht tatsächlich "wie die Feuerwehr", wie Walter kommentiert, verbläst den GTI locker, und das liegt an: Theo Decker. Frisierter geht Käfer kaum. Der Essener Tuner blies die 50 rasselnden Boxer-PS auf 135 auf, der Depot-1302 stammt von 1972, und die Stimmlage ist, wie gesagt, statt Rasseln Bollern, nach dem Stimmbruch, quasi.

Der Salzburg-Käfer kommt am nächsten ran, konstruiert von der Motorsportabteilung von VW Porsche Austria und 1965 bis 1974 im (Rallye-)Einsatz, eine wunderbare 1302 S Replika mit 125 PS ist an diesem Tag ebenfalls im rollenden Einsatz, es ist ein wahres Griss drum bei der Kollegenschaft.

Das legendärste Gerät

Jetzt aber, husch, husch, in das legendärste Gerät der Klassik-Ausfahrt. Hebmüller Cabriolet. So elegant konnte Käfer sein. Zweisitzer, voll versenkbare Dachkonstruktion, langgezogenes Heck, erotisch fast, Zweifarbenlackierung. VW hatte 2000 Stück bei Hebmüller bestellt, die Serienproduktion lief im BRD-Gründungsjahr 1949 an – gebaut wurden nur 696 Stück, denn im Juli ’49 ging das Werk in Flammen auf.

Kostete weiland eine Stange Geld, dieses Cabrio, heute existieren noch 130, 140 Stück. Startknopf drücken, schon legt die 25-PS-Maschine los. Fährt sich prachtvoll, gleiten statt hetzen, Entschleunigung, und weil der Winker nicht funktioniert, heißt es beim Richtungswechsel Hände raus in die Frischluft; von der es auch im Cabrio reichlich gibt. Gut, wenn man da eine unverwüstliche Frisur Marke "militärischer Langhaarschnitt" hat.

K 70, VWs erster Versuch in Sachen Luxuslimousine: tolles Auto, aber leider ein Flop.
Foto: VW / Kai-Uwe Knoth

Jedenfalls, kleine Runde um den Mittagstreff, Wechsel auf halber Strecke, und was macht Walter, dieser wandelnde Erbe Andreas Hofers? Übersieht doch glatt fast eine Kurve und bringt den Hebmüller zum Driften. Das ginge also auch.

Dann noch kurz in das 1500 Cabriolet, richtig, sie haben den Prototyp von 1961 hergeschafft, wieder so ein sympathisches Spreißl-Lenkrad, wieder ganz rarer Genuss. Und zum Abschluss, bereits zurück im Depot, noch ein kurzer Ausritt mit dem K 70. VWs erste Luxuslimousine.

Tolles Schiff, fährt sich staatstragend, sieht heute noch gut aus, wie fast jedes Auto des Designkünstlers Claus Luthe (von NSU Wankel Spider und Ro 80 bis zu den BMWs seiner Zeit) – und teilt sich das Schicksal mit dem jüngsten Premiumversuch, dem Phaeton: ein Flop. In der Nachbetrachtung ist das wurst, da gerinnt alles zu: mobiler Kulturgeschichte. Adjö denn, Warmenau. (Andreas Stockinger, 25.7.2022)