Foto: APA/Hans Klaus Techt

Nach einer heißen Woche bleibt es in Österreich mit Temperaturen über 30 Grad Celsius noch einige Tage sehr warm. Wer gesund ist, ächzt vielleicht nur etwas unter der Hitze und kann sich schlechter konzentrieren. Wer aber schon älter und krank ist, dem können die heißen Tage ernsthaft zur Gefahr werden.

Nicht nur das: Die tendenziell immer wärmer werdenden Sommer verändern Flora und Fauna. Fische sterben in Seen, die auszutrocknen drohen, Pflanzen wandern in höhere Gefilde. Nutzpflanzen mit langer Tradition wie etwa der Grüne Veltliner gedeihen in einigen Regionen plötzlich nicht mehr wie gewohnt. Nicht nur die Landwirtschaft leidet, sämtliche Branchen erleben Leistungseinbußen.

Alles zum Verzweifeln? Es ist sehr ernst, aber der Mensch ist nicht machtlos. Zum Beispiel werden in einigen Städten abkühlende Maßnahmen ergriffen. Manches, wie Wasserinstallationen, hilft nur punktuell. Aber jeder gepflanzte Baum und jede entsiegelte Fläche ist ein kleiner Schritt, um der Erwärmung des Planeten etwas entgegenzusetzen. Eine Erkundung der Herausforderungen und potenzieller Lösungen in fünf Feldern.

1. Wasser: Am Zicksee ist es dramatisch

Der Neusiedler See ist am Austrocknen. Die Lacken im Seewinkel sind schon ausgetrocknet. Im großen Zicksee in St. Andrä gab es in dieser Woche eine Evakuierungsaktion für bereits nach Luft schnappende Karpfen. Für die empfindlicheren Zander und Hechte war es schon zu spät. Das einstige Bade- und Surfparadies ist gerade einmal 20 Zentimeter tief. Und pro heißen Tag verdunstet ein Zentimeter. Dort schaut es also bitter aus.

Zicksee im Juli 2022: Notevakuierung nach Luft schnappender Karpfen.
Foto: APA/ Hans Klaus Techt

Auch die Schotterteiche rund um das niederösterreichische Wiener Neustadt – abgesoffene Schotterabbaugruben – verlieren rasant ihr Wasser. Joseph Kyselak, der große Wanderer des frühen 19. Jahrhunderts, der gern allerorten seinen Namen hinterlassen hat, hat für die Gegend zwischen Wiener Neustadt und Neunkirchen einen trefflichen Namen gefunden, den man sich merken sollte: österreichische Wüste.

Unter Wiener Neustadt bis hinauf nach Fischamend liegt in der sogenannten Mitterndorfer Senke eines der größten Grundwasserreservoirs Europas. Auch hier schwindet das Wasser. Von 2008 bis heuer sank der Grundwasserspiegel unterhalb von Wiener Neustadt um elf Meter. Die Mitterndorfer Senke versorgt auch das nördliche Burgenland mit Wasser. In Neudörfl steht der größte Brunnen des Landes. Dort fehlen neun Meter. "Bilanziert man die letzten fünf Jahre, so fehlt uns ein gesamter Jahresniederschlag", sagt Gerhard Zapfl, der Obmann des burgenländischen Wasserleitungsverbands Nord. Vor allem der Winterniederschlag hat ausgelassen.

Der vor allem fehlt auch am Neusiedler See und im Seewinkel. Ein Bewässerungskanal aus Ungarn soll darum das Grundwasser des Seewinkels dotieren. Der Zicksee und die Lacken konkurrieren um dieses immer rarere Wasser mit der ansässigen Landwirtschaft. Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil drohte am Donnerstag den Bauern mit Bewässerungsbeschränkungen.

Blick auf einen ausgetrockneten Nebenarm des Neusiedler Sees im Juni 2022.
Foto: APA/Nina Kornberger

5.000 Brunnen seien bewilligt. "Ich sehe aber nicht ein, dass bei sengender Mittagshitze bewässert wird, als gebe es kein Morgen", so der Landeshauptmann. Zumal der besonders durstige Mais hauptsächlich für den Export bestimmt sei. "Und ein paar Meter weiter diskutieren wir über den See. Da wird es sicherlich entsprechende Maßnahmen geben müssen."

Doskozil fuhr am Freitag mit einer einschlägigen Delegation nach Budapest, um dort mit Außenminister Péter Szijjártó über das ungarische Donauwasser für den Seewinkel zu verhandeln. Es geht um eine Verlängerung des ohnehin schon bestehenden Kanals, der Wasser aus der Mosoni duna abzweigt, bis über die Grenze nach Andau. Der Besuch in der ungarischen Hauptstadt drängt. Eines der Orbán’schen Großprojekte, das Strandbad in Fertörákos, ist aus Geldmangel auf Eis gelegt worden. Da und dort wird befürchtet, dass das ungarische Interesse an der Kanalverlängerung dadurch nachgelassen hat. Der in Ungarn als Bewässerungskanal genutzter Wasserlauf soll, geht es nach den Burgenländern, Wasser dorthin bringen, wo einst das Überschwemmungsgebiet des Neusiedler Sees lag, im Sumpfgebiet des Waasen oder Hanság. Der wurde im späten 19. Jahrhundert trockengelegt.

Schon im Hitzejahr 2003 hatte die damalige Politikergeneration den Plan, die zahlreichen Drainagegräben mit Sperren zu versehen, um so das Wasser zurückzuhalten. Das scheiterte am kommunalen Widerspruch. Bürgermeister fürchteten um neu aufgeschlossene, dann aber hochwassergefährdete Siedlungen. Also geschah bis heute nichts. Man gründete Arbeitskreise und beließ es beim Planen und Ins-Auge-Fassen.

2. Wirtschaft: Die Produktivität sinkt

Die Klimakrise macht um den Wirtschaftssektor keinen Bogen – ganz im Gegenteil. Bereits jetzt sind einige Branchen stark von den Folgen der Erhitzung betroffen: Im Bau zum Beispiel, wo Arbeiterinnen und Arbeiter oftmals direkter Sonne ausgesetzt sind, sorgen steigende Temperaturen für eine sinkende Produktivität.

Darüber hinaus sind die Gefahren für die Beschäftigten nicht ohne. Die Gewerkschaft fordert daher einen Rechtsanspruch auf Hitzefreistellung bei Temperaturen ab 32,5 Grad. Viele Betriebe setzen diese Regelung schon freiwillig um. Die "Hitze.App", die sich mit der nächstgelegenen meteorologischen Messstelle verbindet, warnt Betroffene zudem, wenn der Wert überstiegen wird.

In der Baubranche führen steigende Temperaturen für eine sinkende Produktivität.
Foto: APA/AFP/LOIC VENANCE

Auch die Landwirtschaft ächzt unter den steigenden Temperaturen: Knospen bilden sich immer früher aus und überstehen darauffolgenden Frost häufig nicht. Im Sommer setzen Hitze, Dürre und neue Schädlinge Pflanzen zu. Manche Sorten wie etwa der in Österreich beliebte Grüne Veltliner könnten sich im Geschmack nachhaltig verändern. Immer mehr Bäuerinnen und Bauern satteln deshalb um – und setzen vermehrt hitzeresistentere Pflanzen an.

Bei vielen Nutzpflanzen gibt es durchaus Alternativen, die in wärmern Gefilden gut gedeihen. Darüber hinaus werden heimische Bauern kreativ und beginnen, Sorten zu kultivieren, die in Österreich bisher kaum zu finden waren: So gedeihen hierzulande bereits Ingwer, Oliven oder Reis.

In vielen Teilen Europas brennen die Wälder – und auch in heimischen Forsten steigt aufgrund der Hitzewellen die Brandgefahr, was wiederum zu massiven wirtschaftlichen Schäden führt. Die Landforstbetriebe appellieren daher an Waldbesucher, ein paar Vorsichtsmaßnahmen einzuhalten: Im Wald soll nicht geraucht werden, Flaschen oder Dosen sollen nicht als Spiegelfläche zurückgelassen werden. Offenes Feuer ist derzeit klarerweise tabu. Außerdem sollen auch Autos nicht auf trockenem Gras abgestellt werden.

Löscharbeiten bei den Waldbränden in der Gironde.
Foto: Reuters/SARAH MEYSSONNIER

Insgesamt frisst die Klimakrise ein großes Loch ins Budget. In Österreich wurde im Jahr 2020 erhoben, wie hoch die Kosten des Nichthandelns sind. In der vom Climate Change Centre Austria erstellten Studie werden die Kosten für die Klimawandelanpassung von öffentlicher Seite mit einer Milliarde Euro pro Jahr beziffert, hinzu kommen wetter- und klimabedingte Schäden von zwei Milliarden Euro pro Jahr. Letzterer Wert könne sich demnach bis zum Jahr 2030 bis zu verdreifachen und bis 2050 gar versechsfachen.

Die gute Nachricht zum Schluss: Wie sich die Klimakrise auf Österreich auswirkt, ist bereits relativ gut erforscht. Immer mehr Gemeinden erkennen auch den Bedarf, entsprechende Anpassungsmaßnahmen umzusetzen. Doch nach wie vor gibt es viel zu tun – sonst wird die Klimakrise nicht nur für Mensch und Tier gefährlich, sondern auch teuer.

3. Pflanzen und Tiere: Enziane müssen wandern

Kräuter gehen ein und sind schnell verschwunden, während Bäume 30 Jahre vor sich hin leiden", sagt Christian Berg. Er ist Leiter des Botanischen Gartens der Uni Graz und beschäftigt sich mit den Auswirkungen des Klimawandels auf die Pflanzendecke im Alpenraum. Sein Fazit: Einzelne Pflanzen haben keine Chance, sich an die steigenden Temperaturen anzupassen, der Klimawandel ist zu schnell.

Was er allerdings beobachtet: Pflanzenpopulationen wandern. Blumen wie Enzian und Primel flüchten in Klimabereiche, an die sie angepasst sind und ziehen von der Sonne in den Schatten oder in höhere Lagen. Letzterem sind allerdings Grenzen gesetzt.

Ein Murmeltier auf einer Blumenwiese mit Enzianen.
Foto: imago images/blickwinkel

Während es Pflanzen in der untersten, montanen Höhenstufe, auch Bergwaldstufe genannt, zu warm wird, bietet die alpine Stufe oberhalb der Waldgrenze noch potenziellen Lebensraum. Theoretisch geht es noch kühler: Darüber befindet sich die nivale Stufe, wo derzeit noch Gletscher oder große, unbewachsene Gesteinsformationen liegen. Durch das Schmelzen des Schnees werden zwar Flächen frei, bis sich der Boden für Enziane aber gebildet hat, vergehen mehrere Tausend Jahre. Außerdem werde die verfügbare Fläche Richtung Gipfel immer kleiner, "irgendwann ist Schluss", sagt Berg.

Neben der Hitze machen Gewächsen auch häufige Trockenperioden zu schaffen. Ein trockenes Jahr sei kein Problem. Löst aber eine Stressphase die nächste ab, haben Pflanzen keine Erholung. Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass Südhänge im Alpenraum deutlich wärmer und trockener werden.

Durch die steigenden Temperaturen verschiebe sich auch die Phänologie, die wiederkehrenden Wachstums- und Entwicklungserscheinungen von Pflanzen und Tieren. Damit Pflanzen blühen, brauchen sie Bestäuber, also Insekten. Deren Flugzeit umfasst oft nur wenige Wochen. Der Zeitraum ist durch die Evolution mit der Blütezeit der Pflanzen abgestimmt. Wird die Blütezeit nun vorverlegt, weil die warmen Temperaturen der Blüte signalisieren, auszutreiben, könnten die passenden Insekten noch nicht geschlüpft sein. Bis sie sich entwickeln, sind die Blumen verblüht, und sie verhungern. Berg: "Die Vernetzungen innerhalb der Ökosysteme geraten aus den Fugen, das haben viele noch nicht am Schirm."

4. Städte: Grün und helles Pflaster helfen

Besonders in den Städten ist die Hitze eine Belastung für die Bewohnerinnen und Bewohner. Denn dichtbewohnte Gebiete sind im Allgemeinen wärmer als ihre ländliche Umgebung. Der Grund für diese "urban heat islands" – also stätischen Hitzeinseln – ist die Bebauung: Asphalt und Beton heizen sich nicht nur besonders stark auf, sondern speichern die Wärme auch gut.

Das führt dazu, dass Städte nachts nicht gut abkühlen, wenn Straßen und Gebäude die Wärme langsam abgeben. Hinzu kommt: Die dichte Verbauung bremst den Wind, der mit frischer, kühler Luft Abhilfe schaffen könnte. Das enge Grau an Grau der Stadt sorgt dafür, dass die Bevölkerung die Hitze besonders abbekommt, es wird geschwitzt.

Grünes Band: Die Mariahilfer Straße in Wien aus der Vogelperspektive.
Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Um die Städte zu kühlen, setzen diese auf mehr Grün und Blau sowie helle Oberflächen und Windschneisen. Wird in Städten gebaut, wird mittlerweile auch bei der Straße angesetzt. Bei der Umgestaltung der Wiener Mariahilfer Straße wählte man statt dunklen Asphalts Pflastersteine in hellere Farben, denn diese reflektieren Wärmestrahlung stärker.

Gesäumt ist die Einkaufsstraße von einer Allee aus Bäumen. Denn: Diese und anderes Grün – etwa an Fassaden oder auf Dächern – gelten als wichtigstes Mittel gegen den Hitzeinseleffekt. Das liegt daran, dass Pflanzen über ihre Blätter Wasser verdunsten und dabei der Umgebung Wärme entziehen. In Wien sind Gebiete mit Bäumen im Sommer daher im Schnitt um elf Grad kühler als bebaute Flächen.

Immer mehr wird in der Stadt auch auf Wasser gesetzt. In der Bundeshauptstadt bekommt dieses auch komische Namen von Karlsplatsch bis Brunnhilde. Zwar ist der tatsächliche Kühleffekt von Sprühnebel, angelegten Wasserrinnsalen und Co begrenzt, gesteigert wird dadurch aber die Aufenthaltsqualität.

Sprühnebelduschen und ähnliche Spielereien sorgen zumindest kurzfristig für Abkühlung.
Foto: APA/Roland Schlager

Spürbare Erleichterung bringen Kaltluftschneisen: Das sind möglichst unversiegelte Zonen, über die kühle Luft vom Stadtrand ins Zentrum hineinfließt. Schon ein falsch platziertes Gebäude kann diesen Strom deutlich abschwächen. Um das zu verhindern, erfasst die Stadt Wien diese Zonen für Planungszwecke künftig mit einer Spezialsoftware.

5. Gesundheit: Der Mensch kann noch mehr tun

Sonne und Hitze sorgen zwar für Bilder von vollen Freibädern und Seeufern, die Sommeridylle zeigt aber nur einen Aspekt heißer Sommertage. Denn für ältere Menschen, Kleinkinder und chronisch Kranke können hohe Temperaturen problematisch werden. Es steigen die Sterblichkeitszahlen: in Österreich im Schnitt um einige Hundert Fälle im Jahr. Auch fitte Personen, die die Belastung durch hohe Temperaturen unterschätzen, sind darunter.

Trockene Hitze ist dabei erträglicher als feuchte. Das Schwitzen, das Kühlung verschafft, hat mit steigender Luftfeuchtigkeit weniger Effekt. Und Leistungseinbußen erleiden an heißen Tagen ohnehin alle.

Hohe Temperaturen sind eine Herausforderung für den Körper.
Foto: IMAGO/Andreas Friedrichs

Der Mensch kann sich physiologisch an Hitze anpassen. Allerdings hat dies seine Grenzen. "Viel größeres Potenzial haben Maßnahmen, die der Mensch ergreifen kann", sagt Hans-Peter Hutter von der Abteilung für Umwelthygiene und Umweltmedizin an der Med-Uni Wien. Damit meint Hutter nicht nur Tipps, was jede und jeder Einzelne tun kann: mehr Trinken (aber keinen Alkohol), leichte Kost essen, an möglichst kühlen Orten aufhalten, Anstrengungen vermeiden, insbesondere das Schlafzimmer so gut es geht kühl halten, damit die nächtliche Erholung für den nächsten heißen Tag möglich bleibt.

Auch Adaptionen an Häusern (wie etwa die Montage von Außenrollos) oder städtebaulicher Natur (z. B. Wasserinstallationen oder grüne Fassaden), betont Hutter, seien kurz- bis mittelfristig sinnvoll für die Spezies Mensch. "Man kann eine Stadt aber nicht über Nacht hitzeresilient machen." Daher würden auch "Cooling Spots", beispielsweise in Einkaufszentren, wo überhitzte Menschen sich abkühlen können, sinnvoll sein.

Langfristig würden umfassende Maßnahmen gegen den Klimawandel helfen, meint Hutter. Wenn es so weitergehe wie bisher, werde es sonst bald jährlich mehr Hitzetote geben. "Der Hoffnungsschimmer ist: Wir wissen, was wir tun müssen. Es ist nicht wie bei Corona, als wir anfangs nichts über das Virus wussten. Wir müssen nur handeln." (Julia Beirer, Oona Kroisleitner, Nora Laufer, Stefanie Rachbauer, Gudrun Springer, Wolfgang Weisgram, 23.7.2022)