Bestsellerautorin Delia Owens hat Fragen zu beantworten.

Dawn Marie Tucker

Autor und Werk voneinander trennen? Was die Literatur zu Recht für sich in Anspruch nimmt, bekommt in einem aktuellen Fall Risse. 2018 erschien in den USA der Roman Der Gesang der Flusskrebse und wurde schnell zum Überraschungserfolg. Vergangenes Jahr war der Titel das zweitmeistverkaufte Taschenbuch in Österreich. Jüngst kam ein darauf basierender Film heraus. Im August läuft er hierzulande an. Autorin Delia Owens könnte zufrieden sein.

Doch im Zuge des Hypes um die Verfilmung entbirgt sich eine neue, diesmal böse Überraschung. Bis zum Gesang der Flusskrebse hatte Owens keinen literarischen Text veröffentlicht, sondern als Wildtierbiologin gearbeitet. Von 1974 bis 1996 lebte sie mit ihrem Mann und dessen Sohn in Afrika, untersuchte etwa das Verhalten von Löwen.

Mord an einem Mann

Davon handelt Der Gesang der Flusskrebse zwar nicht. Das Buch spielt in den 1950ern und 1960ern in den Sumpfgebieten von North Carolina, Hauptfigur ist das Mädchen Kya. Owens’ Erfahrungen als Naturforscherin schlagen sich aber im Buch nieder. Der Roman gipfelt in einem Mord an einem Mann, der Kya erst verführt, sie dann aber fallenlässt. Einen Vergewaltigungsversuch kann sie abwehren. Als er einige Jahre später tot aufgefunden wird, zählt Kya zu den Verdächtigen. Ob sie ihn umgebracht hat, bleibt unklar, aber Indizien deuten darauf hin.

Und hier kommt der Tod eines mutmaßlichen Wilderers in Sambia ins Spiel, wo Owens ab 1985 nahe dem North Luangwa National Park lebte und auf Patrouillen zum Schutz von Wildtieren ging. 1995 wurde das Opfer bei einer solchen Patrouille erschossen. Der Zwischenfall wurde zufällig von einem Kamerateam aufgenommen, aber ohne verwertbare Hinweise. Ein Kameramann belastete später Owens’ Stiefsohn. Eine Untersuchung verlief ergebnislos.

Realität und Roman

Das Magazin The Atlantic recherchierte den Fall nun und fand heraus, dass die Owens den Schutz von Tieren auch mit Drohungen gegen Menschen verfolgten. Ein sambischer Staatsanwalt behauptet, die Owens hätten illegal Waffen eingeführt, um Wilderer zu stellen. Owens, die wieder in den USA lebt und inzwischen geschieden ist, wies in der Vergangenheit jede Schuld von sich. In Interviews hat sie Kyas Charakter öfters mit sich verglichen. Manche strapazieren Parallelen zwischen Realität und Roman nun noch weiter. Bricht die Erfolgswelle? Mehrere Auftritte von Owens wurden zuletzt abgesagt.
(Michael Wurmitzer,22.7.2022)