Uno-Chef Guterres (li.) und der türkische Präsident Erdoğan in Istanbul.

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Uno-Generalsekretär António Guterres war nach Istanbul gekommen, um – ebenso wie Gastgeber Recep Tayyip Erdoğan – bei diesem Durchbruch zugegen sein. Schließlich sorgte das von Russland und der Ukraine am Freitagnachmittag unterzeichnete Abkommen in zahlreichen afrikanischen und asiatischen Ländern für Aufatmen. Mit dem Deal – genau genommen waren es zwei Abkommen, die die Ukraine und Russland getrennt voneinander mit der Uno und der Türkei unterschrieben – wollen die beiden Kriegsparteien der Blockade ukrainischer Getreideexporte ein Ende bereiten.

Millionen Tonnen können nun bald dorthin gebracht werden, wo Hungersnöte drohen oder gar schon akut sind. Laut Uno-Angaben soll die Vereinbarung in den kommenden Wochen umgesetzt werden. Der türkische Präsident Erdoğan sagte, der Getreide-Deal werde Milliarden Menschen vor Hunger bewahren.

Sichere Korridore

Vorausgegangen waren wochenlange Verhandlungen. Das Problem: Bis zu 25 Millionen Tonnen Getreide sind derzeit in ukrainischen Häfen am Schwarzen Meer gelagert, russische Kriegsschiffe und ukrainische Minen blockieren den Weitertransport. Nun soll ein gemeinsames Kontrollzentrum die Ausfuhr des Getreides überwachen. Die Leitung obliegt den Vereinten Nationen, besetzt werden soll es von Vertretern und Vertreterinnen Russlands, der Ukraine und der Türkei.

Experten zufolge könnte das Kontrollzentrum in drei bis vier Wochen einsatzfähig sein. Außerdem ist vorgesehen, dass alle Schiffe, die die Ukraine ansteuern oder verlassen, in Istanbul von Vertretern aller vier Parteien kontrolliert werden. Damit sollen heimliche Waffenlieferungen verhindert werden. Dies war eine Forderung Moskaus. Die Ukraine und Russland verpflichten sich, die sicheren Korridore für die Frachtschiffe zu respektieren und dort auf Kriegshandlungen zu verzichten. Bei der Abfahrt sollen die Frachtschiffe von ukrainischen Militärbooten begleitet werden.

Das Abkommen soll für vier Monate gelten und sich automatisch verlängern. Man rechnet damit, dass monatlich acht Millionen Tonnen Getreide ausgeführt werden können. Ergänzt werden soll all das durch ein Abkommen zwischen Russland und der Uno, das garantieren soll, dass westliche Sanktionen den Export russischen Getreides und Düngers nicht beeinträchtigen.

Kämpfe im Osten

Abseits dieser positiven Nachricht ging das Kriegstreiben in der Ukraine auch am Freitag unvermindert weiter. Der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass zufolge griffen ukrainische Truppen die von prorussischen Separatisten kontrollierte Großstadt Donezk an. Als Quelle wird die selbsternannte "Volksrepublik Donezk" genannt. Indes meldete die ukrainische Nachrichtenagentur Unian starken Beschuss in der Oblast Dnipropetrowsk. In der Kleinstadt Apostolowe hätten russische Raketen gleich drei Schulen und mehrere Wohngebäude getroffen. Die Angaben beider Seiten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

London geht in seinem täglichen Bericht inzwischen davon aus, dass es Russland mittlerweile an spezifischen Bodenraketen mangelt. Deshalb würden verstärkt Luftabwehrraketen auch für Landangriffe eingesetzt, berichtet das britische Verteidigungsministerium unter Berufung auf seine Geheimdienste. Da diese aber eigentlich für den Abschuss von Flugzeugen sowie Raketen gedacht seien, könnten sie am Boden ihre Ziele verfehlen. Deshalb seien sie insbesondere für Soldaten oder Zivilisten gefährlich. Bei massiven Gebäuden hätten sie kaum Schlagkraft. (Kim Son Hoang, Thomas Fritz Maier, Gerald Schubert, 22.7.2022)