Das Eulex-Gebäude im Kosovo.

Foto: AP/Visar Kryeziu

Es war einmal die größte Rechtsstaatsmission, die die EU je unternommen hat. Als die Eulex 2008 anlässlich der Unabhängigkeit des Kosovo ihre Arbeit begann, arbeiteten bis zu 2.000 Polizisten, Richter, Gefängnisaufseher und Zollbeamte daran, den Kosovaren und Kosovarinnen zu transparenten und gerechten Verfahren zu verhelfen und korrupte Beamte und Politiker dingfest zu machen. Heute ist die Mission stark geschrumpft, und es gab Kritik, weil wichtige Verfahren wegen der mangelnden Entsendung von Experten seitens der EU nicht beendet werden konnten. Mitunter wird aber auch das EU-Personal selbst unter die Lupe genommen.

Wertebewusstsein

"Als Rechtsstaatlichkeitsmission mit bestimmten begrenzten Exekutivfunktionen ist die Sicherstellung der Rechenschaftspflicht für die Eulex Kosovo von grundlegender Bedeutung. Es ist ein wesentliches Element, um die allgemeinen Missionsziele zu erreichen", ist auf der Homepage der Eulex zu lesen, die damit ihr Wertebewusstsein hochgehalten wissen will. Eulex habe eine interne Ermittlungseinheit und Disziplinarausschüsse, die Untersuchungsausschüsse würden regelmäßig einberufen, um sich mit Verstößen, auch wenn es um den Verhaltenskodex gehe, zu befassen, wird dort verkündet.

Seit Wochen brodelt bereits die Gerüchteküche in der kosovarischen Hauptstadt Prishtina. Der Vorwurf: Der Chef der Eulex, der Schwede Lars-Gunnar Wigemark, habe dem Paralympischen Komitee im Kosovo Unterstützung zukommen lassen, unter anderem auch weil er ein privates Verhältnis mit der Chefin des kosovarischen Paralympischen Komitees, Frau E., unterhalte. Konkret geht es um Sachspenden, aber auch um ein Event.

Fünf gebrauchte Fahrzeuge

Die Eulex-Mission hat die mehrmalige Frage des STANDARD, ob Wigemark ein privates Verhältnis zu E. unterhält, nicht beantwortet. Die Rechtsstaatmission verweist vielmehr darauf, dass die Unterstützung dem Büro des Paralympischen Komitees zugutegekommen sei. So habe die Eulex im Dezember 2021 "aus ihrem Überbestand gebrauchte IT-Geräte und Büromöbel an das Büro des Paralympischen Komitees gespendet". Am 16. und 17. Juli habe die Eulex dann eine Veranstaltung des Paralympischen Komitees in Vushtrri unterstützt, das hätten aber auch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und die Nato-Mission KFOR getan.

Eulex werde auch fünf gebrauchte Fahrzeuge dem Paralympischen Komitee spenden, die von mehreren Sportverbänden für Menschen mit Behinderungen genutzt werden, so die Mission zum STANDARD. Von 2012 bis heute habe Eulex aber auch über 490 Fahrzeuge an verschiedene andere kosovarische Institutionen und lokale NGOs gespendet.

Broschüren und T-Shirts

Sieht man sich die Sache aber etwas genauer an, so gibt es durchaus Hinweise, dass die Zuwendungen von Eulex, wenn es um Organisationen geht, mit denen E. zu tun hat, außergewöhnlich sind.

Laut Dokumenten, die dem STANDARD vorliegen, hat E. die Eulex-Mission ganz konkret um die Fertigstellung von Broschüren und T-Shirts gebeten, die die Teilnehmer der Veranstaltung am 16. und 17. Juli tragen sollten, zudem wurde ein medizinisches Team der Eulex zur Verfügung gestellt, das sogar über Nacht von 16. auf 17. Juli vor Ort blieb. Weiters forderte E. die Eulex auf, eine Vertragsfirma der Eulex zu fragen, ob sie das Event begleiten könnte und ein Video zu Promotionszwecken über die ganze Veranstaltung herstellen könnte.

Unterstützung von anderen

Auf Anfrage des STANDARD gibt die Eulex bekannt, kein Werbevideo für die Veranstaltung für den 16. und 17. Juli in Vushtrri (serb. Vučitrn) produziert zu haben. Man habe lediglich Foto- und Videoaufnahmen gemacht, um für mehr Sichtbarkeit zu sorgen. Die Mission mache das immer bei wichtigen Veranstaltungen, bei denen der Leiter der Mission mit anderen kosovarischen oder internationalen Rednern auftrete. Eulex räumt aber ein, Flyer und T-Shirts für die Athleten mit Behinderungen und für diejenigen, die ihnen halfen, produziert zu haben. Auch räumt die Eulex ein, dass "die Eulex Medical Unit medizinische Unterstützung" während der Veranstaltung geleistet habe, allerdings "ohne zusätzliche Kosten für die Mission, außer Treibstoff für den Krankenwagen".

Immer wieder weist die Eulex darauf hin, dass auch andere internationale Organisationen wie die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und die KFOR sowie Botschaften die Veranstaltung unterstützt hätten. Unklar bleibt jedoch, weshalb die alten Eulex-Autos zum Beispiel nicht an jene notorisch unterversorgten Polizeibehörden im Kosovo gespendet wurden, die unter anderem Kriegsverbrechen im Kosovo untersuchen, was mehr mit dem Eulex-Mandat zu tun hätte als das Paralympische Komitee. Interessant ist auch, dass auf der Facebook-Homepage des "Forum for Leadership and Diplomacy", das von Frau E. geleitet wird, Leute zu sehen sind, die Schilder in Händen halten, um sich bei der Eulex zu bedanken.

Gute Beziehungen zu vielen Diplomaten

Auch Frau E. wurde vom STANDARD kontaktiert. Auch sie verweist auf die zahlreichen internationalen Organisationen, die das Event in Vushtrri jenseits der Eulex unterstützten. Weiters gibt sie an, dass die Eulex dem "Forum for Leadership and Democracy" nicht mit Geld geholfen habe. Jedoch habe das "Forum for Leadership and Diplomacy" mit der Eulex eine Veranstaltung für 45 Frauen organisiert, um über Eigentumsrechte und häusliche Gewalt zu diskutieren. Anderen Quellen zufolge sollen dafür 2.500 Euro an das "Forum für Leadership and Democracy" – möglicherweise als Kostenrückerstattung – von der Eulex zugeflossen sein.

Frau E. schreibt weiters, dass sie gute und enge Arbeitsbeziehungen zu vielen Diplomaten habe. Sie habe als erste Bürgerin des Kosovo außerdem den Orden der Ehrenlegion von Frankreich bekommen. "Ich bin sehr stolz darauf, enge Arbeitsbeziehungen zu vielen angesehenen Diplomaten und internationalen Führungspersönlichkeiten zu haben, und ich nutze diese Kontakte, um für die Rechte von Frauen und Menschen mit Behinderungen im Kosovo zu kämpfen", schrieb E. dem STANDARD. Die Frage nach der Beziehung zu Wigemark beantwortet sie nicht.

Dank an die tollen Frauen

Eulex erklärt gegenüber dem STANDARD, die Mission habe keine Spende an das "Forum for Leadership and Diplomacy" getätigt. "Anlässlich des Internationalen Frauentags 2022 hat Eulex eine Diskussion über die Gleichstellung der Geschlechter und die Rechte der Frau mit einer Gruppe von Frauen aus Minderheitengemeinschaften unterstützt", erklärt die Rechtsstaatsmission. Auf der Facebook-Seite des "Forum for Leadership and Diplomacy" ist ein Post der Eulex vom 14. Dezember 2021 zu lesen. Dort heißt es: "Das ist so lohnend! Vielen Dank an die tollen Frauen vom Forum for Leadership and Diplomacy! Wir werden weiter zusammenarbeiten, um die Rechte der Frauen voranzubringen!"

Die Eulex selbst verweist darauf, dass alle Eulex-Mitarbeiter an den Verhaltensdisziplinarkodex für die EU-Missionen gebunden seien. So heißt es in den "verbesserten allgemeine Verhaltensstandards" für EU-Missionen vom 7. März 2018: "Die Entwicklung einer persönlichen Beziehung zu Personen des Gastlandes kann zu Einsatz- oder Sicherheitsrisiken sowie zu kulturellen Spannungen führen. Das Personal sollte sich dieser potenziellen Risiken bewusst sein und jegliches Verhalten unterlassen, das die Integrität, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit seiner Position und Funktion sowie das Image einer Mission oder Operation der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik beeinträchtigen könnte." Das Personal müsse die höchsten professionellen und persönlichen Verhaltensstandards im Umgang miteinander und in den Beziehungen zu den lokalen Behörden und der Gastbevölkerung einhalten. (Adelheid Wölfl, 14.8.2022)

Facebook-Seite des "Forum for Leadership and Diplomacy".
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