Eva Nowotny, Vorsitzende des Universitätsrats der Universität Wien, erklärt im Gastkommentar was einen guten Rektor, eine gute Rektorin, heute ausmacht.

Wie steht es um die Internationalisierung der Universitäten in Österreich? Darüber ist erneut eine Debatte entstanden.
Foto: Heribert Corn

Die internen Abläufe der Rektorenbestellung an der Universität Graz sind mir nicht bekannt, und ich will sie daher nicht kommentieren. Einige der Feststellungen von Tanja Traxler (Kommentar "Raus aus der Provinz") und Thomas König (Gastkommentar "Das Prinzip Bequemlichkeit obsiegt") im STANDARD, die sich auf Österreich als Wissenschaftsstandort sowie die Universität Wien beziehen und den Vorwurf der Provinzialität beziehungsweise der Bequemlichkeit angesichts eines politischen Umfelds vorbringen, bedürfen doch einer Replik.

Intensive Vernetzung

Nach zehnjähriger Tätigkeit als Vorsitzende des Universitätsrats der Universität Wien weiß ich aus eigener Erfahrung, wie intensiv die internationale Vernetzung der Universität tatsächlich ist. Sie vollzieht sich auf zwei Ebenen – einer strukturell/organisatorischen durch die Kooperationsabkommen der Universität, die von San Francisco bis Tokio reichen, und durch die Einbindung der Universität in europäische und internationale Netzwerke. Beispielhaft sei hier Cercle U, ein europäischer Universitätsverbund, oder GUILD, eine Vereinigung forschungsstarker Universitäten, erwähnt.

Ebenso wichtig scheint mir jedoch die zweite Ebene, nämlich die Selbstverständlichkeit, mit der von österreichischen Wissenschafterinnen und Wissenschaftern Internationalität gepflegt und gelebt wird, und das in allen Disziplinen. Die Tatsache, dass sie mit einem Gegenüber in Schanghai, Oslo oder Harvard ein Forschungsprojekt betreiben und eine gemeinsame Publikation erarbeiten, ist nicht mehr ein Ausnahmefall, sondern täglich gelebte Normalität. Außerdem hat die Universität Wien in den letzten beiden Jahren 70 Professuren und Tenure-Track-Stellen neu besetzt, zum überwiegenden Teil mit Forscherpersönlichkeiten aus dem Ausland. Einige der Fakultäten, beispielhaft seien nur Mathematik, Philosophie, Quantenphysik oder Mikrobiologie erwähnt, liegen in den internationalen Rankings im Spitzenfeld.

Gesetzliches Korsett

Bei der Wahl des Rektors, die durch das Universitätsgesetz 2002 und die im Oktober 2021 in Kraft getretene Novelle in ein enges gesetzliches Korsett geschnürt ist, spielen eine Reihe anderer Kriterien eine Rolle. Zunächst einmal lassen sich viele gute Gründe finden, warum eine interne Besetzung sinnvoll ist. Kenntnis der Organisation, der Abläufe, aller handelnden Akteure, des politischen Umfelds und Verbundenheit mit der jeweiligen "Universitätskultur" sind zweifellos ein Vorteil. Auch wird die Kenntnis des österreichischen Universitätssystems vom Gesetzgeber eigens stipuliert.

Ebenso wichtig ist allerdings die internationale Erfahrung eines Rektors oder einer Rektorin, die gerade angesichts der ständig wachsenden Herausforderungen und des ständig wachsenden Leistungsdrucks zunehmend an Bedeutung gewinnt. Eine erfolgreiche Rektorswahl wird beide Elemente verbinden müssen. Ich bin überzeugt, dass dies für die Universität Wien gut gelungen ist und ein Rektor gewählt wurde, der als Dekan einer großen Fakultät die Interna der Universität gut kennt, aber gleichzeitig über große internationale Erfahrung und ein internationales Profil verfügt.

Der Universitätsrat der Universität Wien hat im Einvernehmen mit dem Senat zu Beginn des Suchverfahrens beschlossen, dieses von einem international arbeitenden Personalberatungsunternehmen begleiten zu lassen. Diese Entscheidung hat sich auch sehr bewährt. Durch die Expertise der Agentur konnte die Findungskommission das Auswahlverfahren bei einer großen Anzahl von infrage kommenden Persönlichkeiten beginnen, die dann im Laufe der Diskussionen und durch die unabhängigen Evaluierungen der Agentur reduziert werden konnte.

Sehr bewusst wurden dabei auch Wissenschafterinnen kontaktiert und versucht, sie zu einer Bewerbung zu motivieren. In keiner Phase des Prozesses hat es den Versuch einer politischen Einflussnahme gegeben, und die Findungskommission, der ich vorsitzen durfte, hätte auch einen derartigen Versuch nicht akzeptiert.

Monatelanges Verfahren

Eine besondere Schwierigkeit liegt allerdings im Prozess selbst. Durch das im Gesetz vorgesehene Zusammenspiel von Universitätsrat, Senat und dem Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen kann das Verfahren unter Einhaltung aller Fristen mehrere Monate in Anspruch nehmen. Eine angesehene Persönlichkeit in verantwortungsvoller Position an einer Universität oder an einem Forschungsinstitut in England, Deutschland, der Schweiz oder den Niederlanden wird sich sehr gut überlegen, ob es in ihrem Interesse ist, sich um eine andere Position zu bewerben und damit die aktuelle Position vielleicht zu gefährden, ein monatelanges Verfahren mit mehreren Anhörungen zu akzeptieren und am Ende vielleicht nicht gewählt zu werden!

Für viele infrage kommende Kandidatinnen und Kandidaten spielt auch eine Rolle, dass der Schritt in das Amt des Rektors oder der Rektorin gleichbedeutend mit dem Ende der eigenen wissenschaftlichen Arbeit ist. Für den Rektor der Universität Wien mit 90.000 Studierenden, einem großen wissenschaftlichen und administrativen Apparat und einem Budget in Milliardenhöhe bleibt für eigene Forschungstätigkeit kein Raum. Aus vielen persönlichen Gesprächen, die ich in den letzten Monaten führen konnte, weiß ich, dass diese Überlegungen eine große Rolle gespielt haben. (Eva Nowotny, 25.7.2022)