Im Chat kann es schon einmal ruppiger zugehen, egal wie alt das Gegenüber ist.

Foto: Rockstar/Take Two

Der Bildschirm färbt sich kurz rot. Meine Spielfigur hat das Zeitliche gesegnet – schon wieder. Ich habe den Gegner nicht einmal gesehen. Erst in der Wiederholung wird klar, dass meine Chancen auf einen Sieg aufgrund seiner Reaktionsgeschwindigkeit nie vorhanden waren. Lustlos werfe ich das Spielgerät in die Couch und wünsche mir einmal mehr Server für alte Menschen, die trotzdem noch Lust auf Videospiele haben.

Generation Zerstörung

Laut mehreren Studien waren bereits 2020 über 50 Millionen US-Gamer über 50. Wenn diese allerdings Handygames wie "Clash of Clans" oder "Raid: Shadow Legends" spielen, bringt mir das weder auf dem PC noch auf der Playstation allzu viel. Im selben Jahr stellte in Deutschland eine Forsa-Umfrage fest, dass bereits damals rund 23 Prozent der 50- bis 69-Jährigen fast täglich auch an Spielkonsolen spielten. Ich befürchte, diese Generation wird allerdings eher zu diversen Simulationsspielen greifen, als mich in "Rainbow Six Siege" zu fordern, aber vielleicht täusche ich mich ja.

Im täglichen Scharmützel mit dem Internet sind mir in jedem Fall einige Dinge aufgefallen. Beispielsweise sind diese wirren Zeichen im Nickname und diese Unterstriche, bevor eine Zahl kommt, die möglicherweise das Geburtsdatum verraten soll, eindeutige Hinweise darauf, dass ich es hier mit Leuten zu tun habe, die geschätzt 20 bis 25 Jahre jünger sind als ich. Als ich meinen Playstation-Account angelegt habe, konnte man quasi noch frei wählen, wie man heißen möchte. Heute versuchen die Kids offenbar mit absichtlichen Tippfehlern und Sonderzeichen mit Namen wie Zerstoerrer235123 oder _HittmanZZ-Supersoldier-2009 virtuellen Ruhm zu sammeln, weil alles andere bereits vergeben war.

Abseits von der durch das Alter fortschreitenden Reaktionslatenz bei meinen befreundeten Mitspielern und mir ist natürlich auch das Zeitkontingent eines Teenagers in der Regel umfangreicher als das eines berufstätigen Vaters. Damit kann man nicht nur mehr und intensiver üben, nein, auch die "besten zehn Tricks für diese Map" und ähnliche Videos werden erfahrungsgemäß von dieser Zielgruppe vor dem Spiel intensiv studiert. Wohl ein Grund, warum Plattformen wie "Dad's Life" eine Anlaufstelle für Väter sein wollen. Diese können sich dann mit ähnlichen Voraussetzungen entweder gegen- oder miteinander in Spielen wie "Fifa" oder "Gran Turismo" messen und sich so der jugendlichen Treffsicherheit des restlichen Internets entziehen.

Einen anderen Schritt geht – nach knapp zehn Jahren – "GTA Online". Mit dem Update, das am 26. Juli erscheint, wird man endlich normale Aufträge auch auf privaten Servern spielen können. Bisher was es so, dass man im schlimmsten Fall alle drei Minuten von einem Kind – ja, der aktivierte Sprachchat verrät, dass ihr alle Kinder seid – aus der Luft geschossen wird. Ein Spaßkiller, wenn man einfach mal am Abend ein paar Missionen erledigen und etwas Geld verdienen will.

Meme-Schlacht

Diverse Social-Media-Plattformen lassen die älteren Herren der Schöpfung immer wieder in Videos auftauchen, wo sie genau von dieser Problematik erzählen. Alle träumen von diesen zwei abendlichen Stunden, die man in "Fifa", "Apex" oder anderen kompetitiven Games mit Gleichgesinnten verbringen kann, die vielleicht im Ansatz einen ähnlichen Fähigkeitslevel haben wie man selbst. Aber trotz ausgeklügelter Matchmaking-Systeme in so manchem Spiel trifft man trotzdem immer wieder auf Menschen, die wenig mit den eigenen Leistungsgrenzen zu tun haben – nein, sogar weit darüber liegen.

Was bleibt, ist, sich eine gewisse Coolness zu erhalten und den hoffentlich witzigen Chat mit Freunden als oberste Priorität zu sehen. Daneben zockt man eben – und wie im Leben üblich, gehört da auch das Verlieren dazu. Spaß macht das nicht immer, aber wenn man dann das coole Kind mit den pinken Haaren und der besonders bunt bemalten Waffe doch mal in seine Schranken weist, feiert man eben diese kleinen Siege etwas größer. Den Spaß am Hobby sollte man sich in keinem Fall vermiesen lassen. (Alexander Amon, 25.7.2022)