Das Gaskraftwerk Donaustadt von Wien Energie rüstet sich bereits für den Wasserstoffeinsatz.

Foto: Wien Energie/Johannes Zinner

Wien – Viel Zeit gibt die im Klimaschutzministerium angesiedelte Energiesektion den Energieversorgern und Industriebetrieben nicht: Bis 1. Oktober müssen Großabnehmer, Energieerzeuger und Fernwärmeunternehmen melden, ob und wie viel ihrer für die Strom- und Wärmeerzeugung sowie für die Industrieproduktion benötigten Gasanlagen sie auf andere Energieträger umrüsten können.

Das geht aus dem Entwurf der Erdgaslenkungsverordnung hervor, die soeben in Begutachtung ging.

Die Frist ist angesichts der Herausforderung und mitten in der Haupturlaubszeit extrem knapp bemessen, sie kann bei Bedarf um sechs Monate nach Inkrafttreten der Verordnung verlängert werden, heißt es im Entwurf, der dem STANDARD vorliegt.

Betroffene sehen Herkulesaufgabe

Viel bewirken werde allerdings auch die längere Frist nicht, heißt es bei großen Gasabnehmern in einer ersten Reaktion. Denn um eine Umrüstung auf Erdöl oder andere Energieträger überhaupt bewerkstelligen zu können, brauche es teils erhebliche Umbauten bei bereits stillgelegten Anlagen beziehungsweise die Umrüstung von bestehenden Anlagen. Zudem stelle sich die Frage, woher die neuen Anlagen kommen sollen.

Allein Planung und Beschaffung seien in Zeiten brüchiger Lieferketten und hoher Rohstoffpreise eine Herkulesaufgabe, heißt es bei einem Industriekonzern, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Man habe die zwecks Senkung der CO2-Emission ausrangierte Anlagen nicht als eiserne Reserve herumstehen. Zudem sei nicht klar, woher die alternativen Brennstoffe kommen sollten.

Ziel: Über den Winter kommen

Die Gassubstitution selbst soll laut dem in der Verordnung skizzierten Szenario relativ niederschwellig und unbürokratisch erfolgen. Allein die Fristen deuten auf eine sehr überschaubare Phase hin, von vier Monaten ist die Rede, für die im Bedarfsfall längstens umgerüstet werden soll. Offenbar ist das oberste Ziel, über den Winter zu kommen. Auch regiert in der Verordnung der Pragmatismus. Grundsätzlich strenge Auflagen zu den Emissionsgrenzwerten von Betriebsanlagen etwa werden vorübergehend aufgeweicht, also de facto ausgesetzt. Andernfalls wäre eine Gassubstitution weder technisch noch organisatorisch machbar, sagen mit der Materie befasste Unternehmen.

Ziel der verordneten Lenkungsmaßnahme ist die Sicherung der Erdgasversorgung sowie die Abwendung einer unmittelbar drohenden Störung der Energieversorgung in Österreich, heißt es in dem Entwurf. Es soll "die Deckung des lebenswichtigen Bedarfs an Energie, einschließlich jenes für militärische Landesverteidigung, die Aufrechterhaltung einer ungestörten Güterversorgung und Leistungserstellung sowie die Versorgung der Bevölkerung ... sichergestellt werden".

Gasersatz muss bereit sein

Verpflichtet, konkrete Vorbereitungs-, Überprüfungs- und Einsparmaßnahmen hinsichtlich Erdgassubstitution zu ergreifen, sind laut Verordnung Energieversorger und Industriebetriebe, die mehr als 50.000 Kilowattstunden (KWh) Erdgas pro Stunde verbrauchen. Das gilt auch für "Endverbraucher", also natürliche oder juristische Personen bzw. Personengesellschaften mit "Eigenbedarf" an Erdgas.

Das Switchen weg vom Gas selbst soll erst im Anlassfall erfolgen, da jedoch "ohne unnötigen Aufschub". Heißt auf gut Deutsch: Der Gasersatz, in den meisten Fällen wohl Erdöl, muss verfügbar, also eingelagert sein, um im Fall eines Lieferstopps aus Russland sofort Ersatz bei der Hand zu haben.

Bund zahlt Vermögensnachteile

Die Vermögensnachteile aus der betriebswirtschaftlich mit Sicherheit unrentablen Umrüstung auf Erdöl – sie soll für maximal vier Monate erfolgen – samt der dazugehörigen Wartung, Instandsetzung und Reaktivierung stillgelegter Anlagen übernimmt der Bund. Wie viele Millionen dafür reserviert sind und vor allem, wie viele Unternehmen die Verpflichtung einer allfälligen Umrüstung treffen könnte, war im Ministerium nicht zu erfahren.

Zu den größten Gasverbrauchern gehören Stahl-, Papier-, Glas- und Chemiebranche – und natürlich die Energieversorger. Von rund 4.200 Megawatt (MW) thermischer Energie in Österreich lassen sich notfalls rund 380 MW, also knapp zehn Prozent, von Gas auf Öl umstellen. Aber sicher nicht mehr rechtzeitig für diesen Winter. Weitere 200 MW sollen von Gas auf Kohle umgestellt werden. (Luise Ungerboeck, 25.7.2022)