Visualisierung des eigentlichen Siegerprojekts für die Kunstintervention am Landhaus Innsbruck von Franz Wassermann. Die Aufschrift: "Wir haften für unsere Geschichte".
Foto: Franz Wassermann

Innsbruck – "Wir haften für unsere Geschichte" steht in einem Entwurf des Künstlers Franz Wassermann an der Fassade des Neuen Landhauses. Die Textinstallation nimmt Bezug auf die NS-Geschichte des Monumentalbaus, der einst als "Gauhaus für Tirol-Vorarlberg" errichtet wurde und heute Sitz der Tiroler Landesregierung ist. Der Künstler nehme Vergangenheit und gegenwärtiges und zukünftiges Handeln in den Blick, so das Urteil der Fachjury, die Wassermanns Vorschlag zum Siegerprojekt eines vom Land Tirol ausgelobten künstlerischen Wettbewerbs kürte.

Nun sieht es jedoch so aus, als sei der Gegenwartsbezug der Installation nicht ganz nach dem Geschmack der Tiroler Volkspartei: Umgesetzt werden soll nämlich nicht Wassermanns Projekt, sondern der von dem Juryvotum auf dem zweiten Platz gelandete Balkensturz von Künstlerin und Präsidentin der Wiener Secession, Ramesch Daha, und dem Architekturkollektiv AKT. Das gaben die zuständigen VP-Landesräte Beate Palfrader und Johannes Tratter in einer gemeinsamen Aussendung bekannt.

Vorgaben als Vorwand

Mit keinem Wort erwähnt wurde darin der eigentliche Wettbewerbssieger. Das sorgt auch bei den Jurymitgliedern für Irritation, zumal sie selbst erst knapp vor der Presse von der Entscheidung in Kenntnis gesetzt wurden. Jurymitglied Hannes Sulzenbacher findet die Vorgehensweise befremdlich, zumal hier Steuergeld aufgewendet werde. Im Sinne der Transparenz sollte "die Abkehr vom Siegerprojekt auch in der Öffentlichkeit diskutiert werden", sagt er. Dass das nicht geschehen sei, halte er für den "eigentlichen Skandal. Ich bin nicht in erster Linie als Juror, sondern als Staatsbürger verärgert."

Warum aber gab die Politik dem Balkensturz den Vorzug? Auf Nachfrage heißt es aus dem Büro von Kulturreferentin Palfrader: "Wesentlich" für die Entscheidung war, "dass die Intervention den Vorgaben der Ausschreibung entspricht und sich innerhalb des gekennzeichneten Planungsareals befindet."

Visualisierung des zweitplatzierten Projekts von Ramesch Daha und dem Architekturkollektiv AKT, "Balkensturz", das nun umgesetzt werden soll.
Foto: Ramesch Daha, AKT

In der Tat war in der Ausschreibung ein Bereich vor dem Landhaus als Standort vorgeschlagen, eine Intervention an der Fassade aber keinesfalls ausgeschlossen – sofern mit den Vorgaben des Denkmalamtes vereinbar. Kurioserweise gab es gegen Wassermanns Projekt auch keine denkmalpflegerischen Einwände, ein Vertreter des Denkmalamtes saß beratend im Gremium.

Bestellung Gregor Bloébs

Kritik an der Vergabepraxis kommt nun auch aus der Opposition: SPÖ-Abgeordnete Elisabeth Fleischanderl sieht "öffentliche Ausschreibungen politisch ad absurdum geführt" und spricht von "politischer Intervention" – auch im Hinblick auf die Tiroler Volksschauspiele Telfs. Ende März wurde Gregor Bloéb zum neuen künstlerischen Leiter des Festivals gekürt. Allerdings war dieser nicht die erste Wahl der eigens installierten Findungskommission, sondern eine in Salzburg tätige Regisseurin und Dramaturgin mit Tiroler Wurzeln. Das bestätigten auf Anfrage sowohl Theatermacher Adi Hirschal als auch Drehbuchautor Uli Brée, beide Mitglieder der Kommission.

Die Entscheidung fiel dann im Gemeindevorstand unter dem Vorsitz des Telfer VP-Bürgermeisters Christian Härting. Bloéb war im Übrigen bereits 2019 der Wunschkandidat des Landes, das wiederum der Hauptsubventionsgeber der Volksschauspiele ist.

Erkennbares Muster?

Was Projekte zur Gauhaus-Geschichte betrifft, erhielt Franz Wassermann nicht zum ersten Mal eine Abfuhr seitens des Landes. Einer geplanten Performance wurde 2018 keine Genehmigung erteilt. Auch mit unliebsamen Textbotschaften machte die Tiroler Politik nicht zum ersten Mal kurzen Prozess: Bereits 2012 scheiterte der Künstler Oliver Ressler mit seiner Plakatserie Wahlen sind Betrug am Widerstand der VP-Kulturlandesrätin. Zuvor hatte sich eine unabhängige Jury für die Förderung des Projekts ausgesprochen.

Wann die Kunstintervention am Landhaus umgesetzt wird, ist übrigens noch unklar. Im Herbst wird in Tirol gewählt. (Ivona Jelcic, 25.7.2022)