Jonas Vingegaard stürzte Tadej Pogacar vom Thron.

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Der König ist tot, lang lebe der König! So riefen sie einst in Frankreich den neuen Regenten aus. Ein neuer Monarch herrscht seit gestern über die Tour de France. Der Däne Jonas Vingegaard Rasmussen entschied die 109. Auflage der größten Radrundfahrt für sich – König Jonas I. brachte das Gelbe Trikot auf die Champs-Élysées und stürzte damit den Slowenen Tadej Pogacar vom Thron.

Dänemark drückte der heurigen Frankreich-Rundfahrt von Beginn an den Stempel auf. Auf den ersten drei Etappen durch Dänemark herrschte Volksfeststimmung. Der aus Nordjütland stammende Vingegaard ist der zweite Toursieger aus Dänemark. Bjarne Riis gewann 1996, gestand aber später systematisches Doping ein. Anders als der bärbeißige Egomane Riis ist Vingegaard nahbar und emotional. Bei der Teampräsentation im Kopenhagener Tivoli kamen ihm die Tränen.

Auf dem Rad zeigt sich Vingegaards sportliche Klasse – und seine Zähigkeit. Es war ein ständiges Zähne-Zusammenbeißen. Das Duell der beiden Ausnahmesportler Pogacar und Vingegaard war jedoch immer von gegenseitigem Respekt geprägt. Im Geiste des Sportes gratulierten sie einander zu Teilerfolgen oder warteten, wenn der Kontrahent vom Rad musste. Der Däne ging letztlich auch als Sieger hervor, weil sein Team weniger Ausfälle zu beklagen hatte. Der Triumph des 25-Jährigen ist somit auch der Triumph des niederländischen Teams Jumbo-Visma, das mit dem Slowenen Primoz Roglic dem Toursieg hinterherfuhr. Dann verletzte sich Roglic, Vingegaard übernahm wie selbstverständlich. Neben dem Gastsieg holte er sich auch noch die Bergwertung.

Fußball und Fischerei

Vorgezeichnet war dessen Weg auf den Gipfel nicht. Vom Fußball wandte sich Vingegaard ab. Der schmächtige Bub bekam kaum Bälle zugespielt. In seiner Jugend arbeitete er in einem Fischverarbeitungsbetrieb. Nach der Arbeit stieg er zum Training aufs Rad. Im flachen, aber windigen Jütland, dessen höchste Erhebung 170 Meter über Meeresniveau liegt, erfuhr er sich die Grundlagen. Veredelt wurden sie im Alpenurlaub mit dem Vater. So schufen dänischer Gegenwind und alpines Bergtraining einen einzigartigen Fahrer, der in Paris von Ehefrau Trine Marie und der einjährigen Tochter Frida geherzt wurde.

Das Drehbuch der Tour war dramaturgisch einwandfrei. Die Fortsetzung verheißt großen Sport. Pogacar, der den Siegeshattrick verpasste, will zurückschlagen, König Jonas kann sich seines Thrones nicht sicher sein. (Jens Wohlgemuth, 25.7.2022)