Aus der Luft betrachtet zeigt sich das dramatische Ausmaß der Veränderung. Die Landschaft erscheint kahl, und wo sonst grüne Felder und Wiesen sind, dominieren Ockertöne. Auf dem Boden kommen Prozesse in Gang, die man sonst aus Trockengebieten kennt.

Die Rede ist nicht vom Mittelmeerraum, sondern von Dänemark. Viele Landstriche in Europa haben es mit Entwicklungen zu tun, die hier bisher unbekannt waren. Das ist ein Problem für Wetter- und Klimamodelle. Ein Forschungsteam aus Israel und den USA hat nun versucht, Mechanismen aus Trockengebieten in Modelle zur Simulation des Klimas für gemäßigte Gebiete zu übertragen. Man hat herausgefunden, dass solche Prozesse dort in Hitzephasen ebenfalls relevant sind, und diese Erkenntnisse nun im Fachjournal "Nature Ecology & Evolution" publiziert. Mit dabei war auch der Innsbrucker Ökologe Michael Bahn.

Eine dänische Landschaft – links in einem typischen Sommer im Jahr 2017, rechts im Dürresommer 2018.
Foto: Jose Gruenzweig, The Hebrew University of Jerusalem, European Space Agency; CC BY-SA 3.0 IGO

Ungenaue Modelle

Etwa 40 Prozent der Landfläche gelten als Trockengebiete, also Regionen, in denen Wassermangel relevant ist. Die dort wirksamen Mechanismen sind in bisherigen Modellen nicht gut abgebildet, weil sich Letztere meist auf gemäßigte Regionen konzentriert haben. In der Vergangenheit kam es deshalb immer wieder zu Fehleinschätzungen, etwa was die Verrottung von Pflanzenresten durch starke Sonneneinstrahlung angeht.

"In der Arbeit präsentieren wir zwölf unterschiedliche Mechanismen aus Trockengebieten, die dort Routine sind, aber nicht in feuchten Regionen", sagt Co-Autorin Heather Throop. Das Team hat sich auf Vorgänge konzentriert, die auf Umwelteinflüsse wie Hitze, starke Sonneneinstrahlung, brache Flächen und wechselnde Verfügbarkeit von Wasser zurückzuführen sind. Diese wurden in Mechanismen mit unmittelbaren Auswirkungen und solche mit längerfristigen Folgen unterteilt.

Mehr Relevanz durch Klimawandel

Es zeigte sich, dass diese Vorgänge zunehmend für gemäßigte Breiten relevant werden, wie die Forschungsgruppe um Erstautor José M. Grünzweig nun berichtet. So sei etwa in der Dürre in Europa im Jahr 2018 sichtbar geworden, dass durch die geringe Bedeckung des Bodens durch Pflanzen auf landwirtschaftlichen Flächen wüstenartige Prozesse in diesen sonst feuchten Regionen auftraten, ganz konkret etwa in Dänemark.

"Schon jetzt verwenden wir mathematische Modelle, um vorherzusagen, wie sich Systeme unter trockeneren oder heißeren Bedingungen verhalten werden. Doch üblicherweise nehmen wir an, dass die Regeln des Systems gleichbleiben", sagt Throop. Das sei einfach nicht richtig.

Michael Bahn von der Universität Innsbruck betont, dass diese Arbeit gerade auch für Österreich relevant sei. "Wir führen seit vielen Jahren Experimente durch, mit denen wir herauszufinden versuchen, was geschieht, wenn in Gebieten wie den Alpen, die bis jetzt feucht waren, sich wiederkehrende Dürren einstellen", sagt Bahn.

Zu solchen Dürreereignissen komme es immer häufiger, die Frage sei: "Was passiert in Regionen, die das eben nicht gewohnt sind?" Er verweist auf Übergangsphasen, in denen das lokale Ökosystem sich anpasse. "Wir wollen wissen, wie und in welchem Ausmaß solche Mechanismen in diesen Übergangsphasen relevant werden können", betont Bahn.

Oberflächentemperatur von 40 Grad

Die Forschungsgruppe verwendete angepasste Modelle, die eine Reihe von Mechanismen aus Trockengebieten berücksichtigen, um Vorhersagen über die Zukunft von Nicht-Trockengebieten zu machen. Dabei stellte sich heraus, dass bis zum Ende des Jahrhunderts die Landfläche, die eine durchschnittliche Oberflächentemperatur des Bodens von 40 Grad aufweist, weltweit dramatisch steigen wird. Die Zunahme entspricht einem Gebiet so groß wie die USA und Brasilien zusammen.

Wüstenphänomene gibt es auch in Europa: Vor kurzem näherten sich Waldbrände der "Dune du Pilat" in Frankreich, der höchsten europäischen Wanderdüne.
Foto: EPA

Die neuen Ergebnisse untermauern aktuelle Warnungen der Uno vor den Gefahren der Trockenheit: Jedes Jahr gingen zehn Millionen Hektar Land durch Verödung oder Verwüstung verloren, das 1,2-Fache der Fläche Österreichs. Mehr als 250 Millionen Menschen seien durch Landverödung betroffen. Eine 2018 veröffentlichte Studie kam zu dem Schluss, dass sich die Sahara seit 1920 um zehn Prozent ausgedehnt hat, vor allem an ihrem nördlichen Rand. Das hat Auswirkungen auf das Wetter im Mittelmeerraum, der zunehmend ins Einflussgebiet der größten Wüste der Welt gerät.

Nicht nur Wüsten

Doch Grünzweigs Team betont, dass es nicht notwendigerweise Verwüstung oder die Verwandlung von Gebieten in Trockengebiete braucht, damit die aus trockenen Regionen bekannten Mechanismen wirksam werden. Eine Hitzewelle genügt, um Wüstenphänomene auszulösen und die bisherigen, auf feuchte Regionen ausgerichteten Modelle an ihre Grenzen zu bringen.

Bei der Zamg rechnet man damit, dass 40 Grad in Österreich in Zukunft normal sein werden, besonders in Europa nimmt die Zahl der Hitzetage stark zu, was in zuletzt in einer weiteren "Nature"-Publikation auf Änderungen hochgelegener Winde zurückgeführt wurde. Phänomene aus Trockengebieten werden also künftig in unseren Breiten wohl Normalität werden. (Reinhard Kleindl, 25.7.2022)