Ein Pkw, der auf der Autobahn statt 130 nur 100 km/h fährt, verbraucht laut Umweltbundesamt um 23 Prozent weniger Sprit.

Foto: APA/dpa/Marijan Murat

"Langsamer fahren ist ein Beitrag, den jede und jeder leisten kann", sagte Energie- und Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) vergangenen Freitag im Ö1-"Mittagsjournal". Die Ministerin setzt in Sachen Tempo 100 also vorerst auf Freiwilligkeit – und das aus rechtlichen Gründen, wie sie betont. Sie selbst habe als Ministerin nur wenig Handhabe, ein Tempolimit könne sie nämlich nur im Fall eines Versorgungsnotands verordnen. Aber stimmt das auch?

Gesetzesänderung möglich

Die Regelgeschwindigkeiten für Ortsgebiete (50 km/h), Freilandstraßen (100 km/h) und Autobahnen (130 km/h) sind in der Straßenverkehrsordnung (StVO) festgelegt. Eine Änderung dieser gesetzlichen Bestimmungen wäre mit einfacher Mehrheit im Nationalrat möglich. Dafür fehlt derzeit allerdings der politische Wille – trotz aller Sorgen vor Energieengpässen infolge des Kriegs in der Ukraine.

So erteilte etwa ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner Tempo 100 auf Autobahnen eine deutliche Absage. Die Maßnahme bringe "wenig Nutzen" und sorge für "Ärger bei den Betroffenen". Man sei "gegen Verbote und Schikanen für Autofahrer und Pendler." Ähnlich argumentiert die FPÖ. Und auch bei der SPÖ gibt es laut Klimasprecherin Julia Herr derzeit keinen internen Beschluss für ein Tempolimit.

Verordnung schwierig

Obwohl die Regelgeschwindigkeiten gesetzlich vorgegeben sind, können Behörden im Einzelfall per Verordnung niedrigere Tempolimits festlegen. Das ist jedoch nur für einzelne Gebiete und unter bestimmten Voraussetzungen möglich – zum Beispiel aus Gründen der Verkehrssicherheit, des Lärmschutzes oder des Umweltschutzes, wovon etwa Tirol auf der A12 und der A13 Gebrauch machte. Auch das Immissionsschutzgesetz (IG-L) ermöglicht Temporeduktionen.

Zuständig für die Verordnungen ist die jeweilige Landesregierung. Betreffen Tempolimits kleinere Straßenabschnitte, können aber auch Bezirks- oder Gemeindebehörden tätig werden. Das Klimaministerium ist für Autobahnen zuständig, darf Geschwindigkeitsbeschränkungen jedoch ebenfalls nur für einzelne Gebiete ändern. Der damalige FPÖ-Verkehrsminister Norbert Hofer erhöhte etwa im Sommer 2018 auf bestimmten Streckenabschnitten der A1 das Tempolimit vorübergehend auf 140 km/h.

Energielenkung nur im Notfall

Da in der Praxis derartige Maßnahmen häufig angefochten werden, müssen die Behörden dabei behutsam vorgehen. "Bevor eine diesbezügliche Verordnung erlassen wird, sind die näheren Umstände und Interessen der Beteiligten zu berücksichtigen", sagt Michael Grubmann, Jurist und Experte für Verkehrsrecht, in einer ersten Einschätzung zum STANDARD.

Eine "Notverordnung aus Einsparungsgründen" für das gesamte Bundesgebiet wäre seiner Ansicht nach in der Straßenverkehrsordnung nicht gedeckt. Eine solche Vollmacht gäbe es für Gewessler jedoch im Energielenkungsgesetz. Demnach darf die Ministerin im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrats im Fall eines Engpasses weitreichende Maßnahmen treffen – und etwa bundesweite Tempolimits einführen. Die Möglichkeit dazu hat sie allerdings nur dann, wenn eine Störung der Energieversorgung bereits eingetreten ist oder "unmittelbar droht". Nach der Rechtsansicht des Ministeriums ist das derzeit zwar bei Gas der Fall (eine entsprechende Verordnung ist in Arbeit), nicht aber bei Benzin oder Diesel.

Erklärvideo: Die Preise für Strom und Gas sind enorm. Der Aufruf zum Energiesparen wird lauter. Warum und wie das auch dem Klima helfen kann.
DER STANDARD

Tempolimit würde Sprit sparen

Beim Spritsparen würde ein Tempolimit jedenfalls helfen, wie Berechnungen des Umweltbundesamts zeigen. Demnach würde ein Pkw, der auf der Autobahn statt 130 nur 100 km/h fährt, 23 Prozent weniger Treibstoff verbrauchen. Auch die Umweltbelastung wäre deutlich geringer: Pro gefahrenem Kilometer emittiert ein Pkw mit 100 km/h im Schnitt um 49,7 Prozent weniger Stickoxide und um 34,2 Prozent weniger Feinstaub. Rein rechnerisch benötigt man für eine Strecke von 20 Kilometern circa drei Minuten länger. (Jakob Pflügl, 26.7.2022)