Das Archiv sei die Rache der Journalisten, soll Robert Hochner gesagt haben. Diesmal ist das Archiv eine Küchenschublade. Und von Rache kann keine Rede sein, allein der Wahrheitsfindung ist die Suche nach einem bereits in die Jahre gekommenen Bieröffner geschuldet. Doch der Reihe nach.

Hornsteins Bürgermeister Christoph Wolf (ÖVP) bringt bereits sein Werbematerial für die Gemeinderatswahlen unter sein Volk. In großen bunten Kästchen stehen die einzelnen Buchstaben des Team Wolf auf dem Notizblock. Lediglich das vorletzte Kästchen ist in einem Türkis ähnlich der Parteifarbe gehalten. Auf dem Bieröffner sind die Kasterln um die Buchstaben schwarz. Den Wortlaut ÖVP sucht man vergebens.

Aktuelles und historisches Werbematerial von Christoph Wolf (ÖVP), Bürgermeister von Hornstein.
Foto: Guido Gluschitsch

"Wir sind nach wie vor die ÖVP Hornstein, und ich stehe hinter den Werten der Volkspartei", erklärt Wolf, "wir haben auch schon bei der letzten Wahl als Team Wolf kandidiert." Eine Distanzierung von der ÖVP, etwa wegen der aktuellen Skandale, sei das nicht. Nun kommt der Bieröffner ins Spiel. Er stammt aus einer Zeit, als Sebastian Kurz noch Bundeskanzler war. "Die neue Volkspartei" steht darauf in türkisen Lettern, kein Wort von einem Team Wolf, aber der Name des Bürgermeisters steht am unteren Ende.

Ex-Kanzler Kurz

Christoph Wolf kann man, oder konnte man zumindest, durchaus als Kurz-Intimus bezeichnen. Inzwischen sei der Kontakt viel seltener geworden. Doch seine Meinung über den ehemaligen Kanzler ist voller Glanz und ohne Kratzer: "Mir war immer klar, dass er ein Getriebener ist, und mir war klar, dass er irgendwann die Reißleine ziehen wird. Ihm jetzt irgendwelche Skandale anzuhängen finde ich einen Witz. Außer Hypothesen gibt es nichts Stichhaltiges, und es wird herauskommen, dass ihn keine Schuld trifft."

Wolf selbst galt bei manchem Kommentator in der Zeit des Aufstiegs von Sebastian Kurz zum Kanzler als die neue Hoffnung der Landespartei. Nach der Landtagswahl 2020 begann er sich allerdings vermehrt auf sein Engagement als Bürgermeister und seinen Beruf als Steuerberater zu konzentrieren. Zumindest in ersterem Fach war er durchaus erfolgreich.

750-Jahr-Jubiläum

Mit viel Pomp und Trara ließ er – wegen Corona erst 751 Jahre nach Gründung der Gemeinde – ein mehrtägiges Fest zum 750-Jahr-Jubiläum steigen. Er begann den Ort umzubauen, zu modernisieren, versuchte nach eigenen Angaben aber stets im Blick zu behalten, dass Hornstein ein "lebendiges Dorf" sein soll. In der Bevölkerung kommt das seiner Meinung nach gut an. "Net g'schimpft ist genug gelobt", sagt er. Doch geschimpft wird auch. Und wie!

Christoph Wolf bei den Feierlichkeiten zu 750 Jahren Hornstein.
Foto: Marktgemeinde Hornstein

Die SPÖ in Hornstein scheint nur eine Agenda zu haben: Christoph Wolf in ein schlechtes Licht zu stellen. Das klingt dann oft eher hilflos und weinerlich als konstruktiv. Die Bürgerbewegung "Initiative Zukunft Hornstein" zeigt da schon mehr Biss, obwohl auch hier persönliche Angriffe nicht ausbleiben. An den Stammtischen zählt man die Rekorde, die Wolf mit der Anzahl von Abbildungen seiner selbst in jeder Ausgabe der Gemeindezeitung bricht.

Das rote Hornstein wurde türkis

Wolf drehte die einst ewig rote Gemeinde 2017 um. Angeblich soll die Art, wie zuvor mit den Finanzen der Gemeinde umgegangen wurde, ein Grund für den Richtungswechsel in der Bevölkerung gewesen sein, hört man im Ort. Im aktuellen Transparenzbericht von Transparency International Austria liegt Hornstein auf dem 15. Platz österreichweit und ist die transparenteste Gemeinde im Burgenland. Weniger transparent ging es da in der Vergangenheit in der Bundes-ÖVP zu. Doch das wird ihm nicht zum Nachteil gereichen, ist Wolf überzeugt.

"Die Bürgermeisterwahl ist eine Persönlichkeitswahl. Wenn dem nicht so wäre, hätte ich Hornstein nie umdrehen können. Die Leute unterscheiden sehr wohl, auf welcher Ebene gewählt wird", sagt er und gibt zu: "Es gibt das eine oder andere in der Partei, das nicht so rosig ist. Aber wegen zwei, drei Personen, die in den Gatsch gegriffen haben, die ganze Partei zu verunglimpfen ist weit hergeholt." So weit, dass er sich bei der kommenden Wahl Zugewinne wünscht, aber wie jeder gelernte Politiker sagt er auch: "Erst wenn die Wahlurne leer ist, wissen wir mehr."

Den elektrisch angetriebenen Ortsbus machte Christoph Wolf (Mitte) zum Leithalandbus und wurde sich sogar mit dem roten Bürgermeister Ernst Edelmann (links) aus der Nachbargemeinde Wimpassing einig.
Foto: Ernst Edelmann

Eine nicht ganz so gmahte Wiesen erwartet sich Ernst Edelmann (SPÖ) in der Nachbargemeinde Wimpassing. Auch er hat bei der vergangenen Wahl seine Gemeinde gedreht, allerdings von schwarz auf rot, und war damals vom Ergebnis selbst überrascht: "Ich habe gehofft, dass wir dazugewinnen werden, aber mit dem Bürgermeister habe ich fix nicht gerechnet." Drei große Brocken hatte er zu stemmen. Da war einmal der Umbau der Volksschule zum Gemeindeamt, wo er die Aufträge an Firmen in der Obersteiermark zurückgezogen habe, um örtliche Betriebe zu engagieren, womit er ganz nebenbei die Kosten erheblich reduzierte. Beim Bauprojekt Kindergarten ist ihm ein ähnliches Vorhaben nicht gelungen, und bei der Errichtung eines großen Solarparks auf einer Ackerfläche ist er überhaupt komplett gescheitert.

Über den Druck von Doskozil

Edelmann hat es mit einer starken und scharfen Opposition zu tun. Vor allem die ÖVP kann den Ideen des Bürgermeisters nur selten etwas abgewinnen. Und er hat den burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil im Nacken sitzen. Dieser hätte den großen Solarpark gerne in Wimpassing gesehen, allein schon, um sein Ziel zu erreichen, das Burgenland bis 2030 energieautark zu machen. Doch von ehrgeizigen Forderungen aus Eisenstadt, wegen der mancher rote Bürgermeister angeblich schon einmal zu stöhnen beginnen soll, will Edelmann nichts wissen: "Hans Peter Doskozil hat mich persönlich noch nie angerufen und Druck gemacht. Auch sein Büro nicht. Natürlich gibt er auf Landesebene ein Tempo vor. Er will eben nicht verwalten, er will gestalten, und das ist gut so. Aber es gibt kein Doskophon, wie es ein Moltophon gab."

Doch auch auf einer anderen Ebene, die abermals mit dem Landeshauptmann zu tun hat, knirscht es im Gebälk. Ernst Edelmann hat in Wimpassing, nach Vorbild des Landes, den Mindestlohn für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf 1.700 Euro angehoben. "Die ÖVP sagt, das bringt die Gemeinde in finanzielle Bedrängnis. Ich sage, nein, das tut es nicht, wir müssen halt woanders sparen. So haben wir gute und qualifizierte Mitarbeiter. Am Ende zählen Wertschätzung und Lohn", ist Edelmann überzeugt.

Ernst Edelmann (SPÖ) stammt aus der Südsteiermark und lebte erst kurze Zeit in der Gemeinde Wimpassing, als er dort auf einmal in der zuvor ewig schwarzen Gemeinde den roten Bürgermeister stellte.
Foto: Ernst Edelmann

Wie sich das alles auf das Ergebnis der nächsten Gemeinderatswahl auswirken wird, wagt auch er nicht zu prognostizieren. "Es würde mich freuen, wenn ich bestätigt werden würde und die acht Mandate halte. Alles was mehr ist, freut mich", sagt er.

Mattersburg

"Weiter als Bürgermeisterin gestalten zu dürfen und so das Beste für die Bürgerinnen und Bürger in Mattersburg und Walbersdorf umsetzen zu dürfen", ist das erklärte Ziel von Claudia Schlager (SPÖ) in Mattersburg. Sie übernahm 2021 das Amt der Bürgermeisterin von Ingrid Salamon, die im Untersuchungsausschuss zur Commerzialbank aussagen musste, weil eine anonyme Anzeige gegen sie eingebracht worden war. Doch mit ihrem Rücktritt habe das, entgegen der Vermutung der ÖVP, nichts zu tun. Mit 63 Jahren und nach 22 Jahren im Amt wollte sie dieses aus freien Stücken übergeben. Dass dies einen Schatten auf die Kandidatur von Claudia Schlager werfen könnte, fürchtet diese nicht und meint: "Furcht ist generell kein guter Berater."

Claudia Schlager (SPÖ) übernahm das Amt der Bürgermeisterin von Ingrid Salamon.
Foto: Birgit Machtinger

Sie erkennt vielmehr an den Wahlergebnissen der letzten zwei Jahrzehnte einen Rückhalt in der Bevölkerung: "Die sind der beste Beweis, dass wir mit unseren Themen wie Soziales, Umwelt und Bildung die große Mehrheit unserer Bevölkerung ansprechen." Weniger ansprechend ist das im Volksmund Pucher-Brache genannte Areal im Stadtzentrum. "Für die Neugestaltung des Areals in der Michael-Koch-Straße, haben wir im Jänner einen Architektenwettbewerb ausgeschrieben. Im Areal ist nicht nur die Unterbringung des neuen Rathauses geplant, sondern auch neue Dienstleister und die Polizei, während im hinteren Teil, der an der Hirtengasse liegt, Wohnraum entstehen soll. Der Gewinner des Architektenwettbewerbes steht bereits fest. Aktuell werden in das Konzept noch Adaptierungsvorschläge eingearbeitet, bevor es der Öffentlichkeit präsentiert werden kann", erklärt die Bürgermeisterin. Der Spatenstich solle aber jedenfalls noch im Herbst stattfinden.

Landeshauptstadt Eisenstadt

Gleich eine ganze Reihe von Baustellen, im wahrsten Sinne des Wortes, hat Eisenstadts Bürgermeister Thomas Steiner (ÖVP) bereits abgearbeitet und neu aufgetan. Der neue Kindergarten wäre hier unter "erledigt" zu erwähnen, wie auch das Hallenbad und die Leichtathletik-Arena. Neue Baustellen sind das Stadtmuseum, das Haydnkino und St. Georgen zu einem Begegnungsort zu machen. "Wir haben ständig eine große Agenda, Eisenstadt ist eine wachsende Stadt, und wir müssen immer neue Akzente setzen", sagt der Bürgermeister, der aber auch einen umfassenden Baustopp erlassen hat. "Weil Bauunternehmen angefangen haben, verdichtet zu bauen, haben wir einen Bauzonenplan beschlossen. Damit ist nun für alle klar, für wen wie gebaut werden darf. Wir haben Einfamilienhausgebiete, aber auch Gebiete, wo wir bewusst verdichtet bauen lassen." Letzteres, weil es wichtig sei, Bodenressourcen zu schonen und das Klima zu schützen.

Eisenstadts Bürgermeister Thomas Steiner (ÖVP) in der Mitte, umgeben auch von Oppositionspolitikerinnen und -politikern, bei der Eröffnung eines Parks, der das zentrale Element einer Wohnanlage sein wird.
Foto: Freistadt Eisenstadt

Bei den Kirchäckern wurden bekannte Baumodelle überhaupt ganz auf den Kopf gestellt und erst ein 10.000 Quadratmeter großen Park errichtet. Eine Allee aus mehr als 100 Platanen wird den Weg zu einem Wohnprojekt säumen, wo zwar verdichtet gebaut wird, aber auch genug Grünraum vorhanden sein werde. Bei anderen Projekten musste Thomas Steiner aber seine Wünsche zurückschrauben. Beim Hallenbad etwa. Das hätte erweitert und "zu einem sportpolitischen Meilenstein" für das Land und die Stadt werden sollen. Angedacht war eine Drittelfinanzierung durch Bund, Land und Stadtgemeinde. Doch das rot geführte Land wollte diese Finanzierung nicht tragen – was dem Hallenbad in Neusiedl am See zugute kam.

Special Olympics

Parteipolitik vermuten manche auch hinter dem Beschluss, dass die Special Olympics nicht in der neuen Leichtathletik-Arena ausgetragen werden. "Das ist eine Entscheidung, die so gefallen ist, die ich aber nicht ganz nachvollziehen kann", sagt der Bürgermeister, der das Stadion aber den Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Eisenstadt zum Trainieren zur Verfügung stellte.

Thomas Steiner mit seiner Pressesprecherin Bettina Eder ziemlich lässig bei der Besichtigung eines der neuen Radwegprojekte in Eisenstadt.
Foto: Freistadt Eisenstadt

Sehr schaden werden ihm die Querschläge, die vom Land aus kommen, wohl nicht. Steiner betont sogar, dass es bei einzelnen Projekten ja auch durchaus gut gelinge, "im Sinne der Sache" zusammenzuarbeiten. Und auch die eigene Bundespartei und ihre Skandale fürchtet er nicht. "Die Leute sprechen mich nur selten darauf an, weil sie auch erkennen, dass die Skandalisierung übertrieben ist. Es gibt überall Probleme – auch in der ÖVP. Dass aber jetzt alles, was schiefläuft, der ÖVP in die Schuhe geschoben wird und welche Vereine der ÖVP zugeschoben werden", dafür hat er kein Verständnis.

Doch er gibt auch zu: "Die Gesamtstimmung ist immer ein Thema. Wenn die gut ist, tun wir uns leichter." Der eine oder andere Prozentpunkt könne sich deswegen schon verschieben, meint Thomas Steiner, aber auch er weiß, dass die Gemeinderatswahl eine Persönlichkeitswahl ist. "Ich bin der Meinung, dass man bei jeder Wahl bei null beginnt. Man muss jede Stimme, die man bei der letzten Wahl hatte, wieder gewinnen. Wir hoffen, dass wir bleiben, was wir sind, mehr als 50 Prozent der Stimmen bekommen und bestimmende Kraft bleiben."

Werbematerial habe er noch keines. Er sei noch nicht im Wahlkampf. Aber die ÖVP wird in seiner Wahlwerbung klar erkennbar sein, sichert er zu. (Guido Gluschitsch, 29.7.2022)