Die Junta will Myanmar zum Überwachungsstaat umbauen. Auch viele Monate nach dem Putsch gehören in Yangon Straßensperren zum Alltag.

Foto: FP/Stringe

Am Rücken des Rappers prangte eine Karte von Myanmar, in deren Mitte ein Mikrofon gestochen war. Das Tattoo hatte sich Phyo Zeya Thaw stechen lassen, weil es seinen dringendsten Wunsch darstellte: für die Menschen von Myanmar zu sprechen. Der Burmese saß bereits 2008 im Gefängnis, weil er im Zuge der Safran-Revolution gegen die Militärjunta demonstriert hatte. Mit der bald folgenden demokratischen Öffnung des Landes kam er frei, er wurde Politiker und war bis 2020 Abgeordneter im Parlament eines neuen Myanmars, das weltweit und im Land selbst so viele Hoffnungen nährte.

Am Sonntag wurde der 41-Jährige hingerichtet. Er war einer von vier politischen Gefangenen, die zum Tode verurteilt worden waren, weil sie im Zuge der Massenproteste gegen den Militärputsch im Februar 2021 "terroristische Akte" durchgeführt hätten. Unter den Opfern war auch der 53-jährige Ko Jimmy, bekannter Aktivist, der bereits 1988 demonstrierte. Dafür saß er rund zwanzig Jahre im Gefängnis, länger, als Aung San Suu Kyi im Hausarrest ausharrte – auch die Demokratie-Ikone von damals ist mittlerweile wieder inhaftiert.

Hier ist Phyo Zeya Thaw mit der – mittlerweile inhaftierten – Aung San Suu Kyi zu sehen.
Foto: Reuters/Soe Zeya Tun

So brutal die Junta sich seit der Niederschlagung der damaligen Proteste auch immer wieder zeigte: Ein Todesurteil hatte das Regime seit 1990 nicht vollstreckt. Die Todesstrafe gab es zwar in der Theorie, doch sogar Amnesty International führte das Land in der Spalte "in der Praxis abgeschafft".

Mit Kameras zur Dystopie

Der brutale Rückschritt kommt zu einer Zeit, in der die internationale Gemeinschaft mit anderen Dingen als Myanmar beschäftigt ist. Im Schatten des Ukraine-Kriegs baut die Junta das Land in Südostasien immer mehr zum dystopischen Überwachungsstaat aus, kaum etwas ist übrig von den demokratischen Ansätzen der Zehnerjahre.

In vielen Teilen des Landes etwa installiert das Regime gerade Kameras mit Gesichtserkennungsfunktion. In mindestens fünf Städten sei die Technologie bereits im Einsatz, in allen Regionen wird das System gerade entwickelt, berichtet Reuters. Die Produkte kommen aus China, wo die Technologie schon seit mehreren Jahren angewandt wird. Der Nachbar im Norden ist eines der wenigen Länder, die weiterhin mit Myanmar kooperieren. Eine andere Ausnahme ist Russland: Staatschef Min Aung Hlaing war erst vor zwei Wochen dort auf Stippvisite, um Militärdeals zu sichern. Außerdem wollte er die "friedliche Anwendung nuklearer Energie" besprechen.

Sonst ist Myanmar international wieder isoliert wie früher, viele ausländische Investoren haben sich zurückgezogen. Was die Bevölkerung ohnehin hart trifft, wird noch durch Missmanagement von oben verschärft. Schlüsselpositionen werden nach Zugehörigkeit zur Junta besetzt, etwa bei der Zentralbank. "Sie glauben, man befiehlt Wachstum, dann passiert Wachstum", sagt Georg Bauer von der Uni Wien. Ähnlich wie Sri Lanka geht auch Myanmar das Geld aus. 2017 lebten laut Weltbank noch rund 25 Prozent unter der Armutsgrenze, heute sind es 40.

Terrormittel nach außen und innen

So zeigen die Hinrichtungen vom Sonntag auch, unter welchem Druck die Junta steht. Einerseits dient der Schritt als Terrormittel gegen die Bevölkerung, meint Bauer. Andererseits müsse er auch "innenpolitisch" gelesen werden: Die Hardliner, die die Vollstreckung schon seit Monaten fordern, hätten sich durchgesetzt. Und das, obwohl es dem Regime international klar schadet. Sogar der kambodschanische Langzeitautokrat und aktuelle Asean-Vorsitzende Hun Sen hat in einem Brief um Begnadigung der Verurteilten gebeten – vergeblich.

Nach Bekanntwerden haben viele Staaten, NGOs und Organisationen den Schritt heftig verurteilt. In Yangon kam es zu einem spontanen Flashmob, bei dem Menschen Plakate hochhielten: "Wir haben nie Angst."

Seit dem Putsch 2021 wurden in Myanmar über hundert weitere Todesurteile verhängt. Und seit Sonntag ist klar: So ein Urteil ist keine leere Drohung mehr. (Anna Sawerthal, 25.7.2022)