Auch die gestörten Lieferketten machen der Weltwirtschaft weiterhin zu schaffen.

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Hohe Inflation, enorm teure Energie, Versorgungsängste bei Gas und gestörte Lieferketten – Probleme für die Wirtschaft in Europa gibt es derzeit zuhauf. Wahrscheinlich zu viele, um die Konjunktur am Laufen zu halten. Das befürchtet Clemens Fuest, Chef des Münchener Ifo-Instituts: "Deutschland steht an der Schwelle zur Rezession", erklärt er. Darauf deutet zumindest der starke Rückgang des Geschäftsklimaindex seines Hauses hin. Er weist im Juli mit 88,6 Zählern, dem tiefsten Stand seit der Corona-Krise, auf eine rückläufige Wirtschaftstätigkeit hin.

Im Frühjahr ist die Konjunktur nach Ansicht der Deutschen Bundesbank angesichts des Inflationsschubs und der Unsicherheit über die künftige Energieversorgung bereits kaum von der Stelle gekommen. Diese Faktoren lasteten auch über den Sommer hinaus auf der deutschen Wirtschaft. Diese ist laut einer Umfrage des US-Finanzdienstleisters S&P Global im Juli auf Talfahrt gegangen.

In Deutschland und Österreich sind die Konjunktursorgen wegen der Gasabhängigkeit von Russland zwar besonders stark ausgeprägt, alleine stehen beide Länder damit aber nicht da. Vielmehr plagen viele Wirtschaftsräume derzeit eine stark nachlassende Dynamik. Dazu kommt, dass wegen der hohen Teuerungsraten in vielen Ländern die Zinsen ungewöhnlich stark und schnell erhöht werden.

Starke Zinserhöhungen

In den USA etwa schon um 1,5 Prozentpunkte, und für diese Woche wird ein weiterer Zinsschritt der Notenbank Fed um zumindest 0,75 Prozentpunkte erwartet. Die Europäische Zentralbank (EZB) hinkt mit ihrer ersten Erhöhung seit elf Jahren am Donnerstag freilich hinterher.

Jedenfalls ist – wie die Geschichte lehrt – das Rezessionsrisiko umso höher, je aggressiver eine Notenbank die geldpolitischen Zügel anzieht. Auch OeNB-Chef Robert Holzmann räumte zuletzt ein, dass es im Zuge der Bekämpfung der Inflation zu einer leichten Rezession kommen könne. Die EZB werde abhängig von der Entwicklung der Konjunktur erst im Herbst entscheiden, ob oder wie stark die Zinsen weiter angehoben werden. Am Donnerstag setzte die Notenbank mit einer Leitzinsanhebung um einen halben Prozentpunkt der Nullzinsphase nach mehr als sechs Jahren ein Ende.

Probleme in China

Zudem ist die Konjunktur auch in China ins Schlingern geraten. Mit einem neuen Konjunkturpaket will die Regierung in Peking nun die von den harten Maßnahmen der eigenen Zero-Covid-Politik gebremste Wirtschaft wieder in Schwung bekommen. Dazu schwelt in dem Land eine Immobilienkrise. Im Frühjahr brachen die Immobilienverkäufe so stark ein wie seit 16 Jahren nicht, etliche Immobilienentwickler stehen vor der Pleite, weshalb auch sehr viele Baustellen stillstehen.

Wenig Gutes lässt auch die Entwicklung des Kupferpreises erahnen. Das Industriemetall wird auch als "Dr. Copper" bezeichnet, da seine Kursentwicklung oft die Richtung für die Weltwirtschaft vorwegnimmt. Warum? Weil Kupfer von Handys über Autos bis zu Häusern in fast unzähligen Produkten steckt. Kurz nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs verzeichnete der Preis noch ein Rekordhoch, seitdem ging es – im Gegensatz zu den Energiepreisen – stetig bergab. Seit Jahresbeginn steht ein Minus von fast einem Viertel zu Buche.

"Was zu viel ist, ist zu viel", sagt Thomas Gitzel, Chefökonom der Liechtensteiner VP Bank, über die wirtschaftlichen Aussichten für Europa. "Die Rezession rauscht an." (Alexander Hahn, 26.7.2022)