Dominic Thiem ist zuletzt ein "bisserl ein Knopf aufgegangen".

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Kitzbühel – Dominic Thiem ist nach Kitzbühel zurückgekehrt. Der 28-jährige Niederösterreicher spielt zum ersten Mal seit seinem Titel 2019 wieder in der Gamsstadt. Damals hatte er, wie er selbst sagt, eine "Traumwoche" mit dem ersten Heim-Titel abgeschlossen. Seither ist er nicht nur US-Open-Sieger (2020) geworden, sondern hat auch eine lange Verletzungspause hinter sich.

Seine Auftritte zuletzt in Baastad und Gstaad (Viertelfinale, Semifinale) haben sein Selbstvertrauen gestärkt, wie er bei einem Medientermin am Montag in Kitzbühel bestätigte. Am Dienstag (19.30 Uhr/Ticker auf derStandard.at und live in ServusTV) eröffnet er sein Turnier gegen Alexander Schewtschenko, einen russischen Lucky Loser, der pikanterweise von Thiems Ex-Coach Günter Bresnik betreut wird.

Frage: Sie sind ja ein bisschen auch Titelverteidiger in Kitzbühel, weil Sie Ihren Titel von 2019 bisher noch nicht verteidigen konnten. Wie stufen Sie Ihre aktuelle Form im Vergleich zur Zeit vor Ihrer Verletzung ein?

Thiem: Wenn ich trainiere, wenn ich die Schläge so anschaue, bin ich sehr nahe dran an vor der Verletzung. Im Match fehlen natürlich noch einige Sachen, aber es ist auch viel besser geworden. Von Salzburg an habe ich mich jede Woche gesteigert und hoffe, dass ich es diese Woche wieder schaffe. Natürlich bin ich noch nicht dort, wo ich 2019 war, aber ich bin zumindest wieder guter Dinge, was ich in Paris und davor nicht war. Das ist ein sehr gutes Zeichen.

Frage: Was hat sich sonst geändert seit damals?

Thiem: Es ist schon ganz anders, vor allem mit der Herangehensweise. Wenn alles angerichtet ist, sind sogar auch ein paar Sachen besser als damals, aber natürlich – damals bin ich in jedes Match mit dem Glauben, es zu gewinnen, reingegangen. Jetzt gehe ich so rein, dass jeder Match-Erfolg noch immer was sehr Schönes ist.

Frage: Wie sehr freuen Sie sich auf die erste Runde?

Thiem: Sehr, seit Baastad und Gstaad noch mehr, weil ich weiß, ich muss mich nicht verstecken mit meinem Spiel, wie es vorher der Fall war. Ich kann dem Publikum auch richtig gutes Tennis bieten.

Frage: Was ist im Vergleich zu Salzburg vor drei Wochen passiert? Ist im mentalen Bereich eine Tür aufgegangen, sodass es auch spielerisch wieder besser läuft?

Thiem: Ja, das eine enge Match gegen Ruusuvuori hat sicher geholfen, dass ich das gewonnen habe, aber auch das Match gegen Filip Misolic – der erste Sieg. Da ist schon ein bisserl ein Knopf aufgegangen. Dann habe ich mich jede Woche steigern können. Einerseits ist mental extrem viel weitergegangen, durch das gute Gefühl und durch das Selbstvertrauen. Andererseits durch die paar engen Matches, die ich gewonnen habe. Gegen Ruusuvuori und gegen Bautista habe ich mir die Chance erspielt, gleich wieder gegen Topgegner zu spielen. Matches gegen sie ist das, was im Moment am meisten weiterhilft.

Frage: Sie sind nach den Absagen von Ruud und Berrettini wohl gegen keinen Spieler im Feld Außenseiter. Sehen Sie das auch so?

Thiem: Na ja, ich habe mir das Feld nicht wirklich angeschaut, aber ich will nicht unbedingt auf den Zug aufspringen, der von außen kommt, wo viele wieder sagen, dass ich der Turnierfavorit bin oder so. Einfach, weil ich das selber nicht so sehe, obwohl es natürlich in eine gute Richtung gegangen ist. Ich schaue mal, dass ich eine gute erste Runde spiele.

Frage: Was fehlt denn genau noch?

Thiem: Von allem ein bisserl was. Die Schläge sind da, im Training sind sie sehr gut, im Match, wenn ich nicht weiß, wo der Ball hinkommt, tue ich mir noch ein bisserl schwer. Größtenteils ist es der Fokus. Vor drei Jahren war ich in absoluter Hochform. Da war es keine Frage, ob ich jetzt vier, fünf Partien mit vollem Fokus durchspielen kann. Dadurch, dass ich so lange raus war, ist das alles noch ein Fragezeichen. Es wird auch am längsten dauern, bis das wieder zurückkommt.

Frage: Spielt es für Sie irgendeine Rolle, dass Ihr erster Gegner von Günter Bresnik gecoacht wird?

Thiem: Nicht wirklich. Ich versuche, mich voll aufs Match zu konzentrieren. Ich habe mich eigentlich mehr auf Gasquet (ursprünglicher Gegner, Anm.) vorbereitet. Aber natürlich ist es ein bisserl besonders das Match, weil ich auch den Sascha Schewtschenko seit Ewigkeiten kenne. Dann auf dem Platz spielt das eh keine Rolle.

Frage: Wie wichtig waren die Tage mit dem Training mit Andrej Rublew in Barcelona?

Thiem: Das war mit das Beste, was ich machen habe können, aber ich glaube auch, dass der Zeitpunkt richtig war. Ich habe vor Barcelona zwei, drei Wochen in Traiskirchen trainiert, da habe ich mir die Basics zurückgeholt. Auch in Paris habe ich in den Wochen davor mit Topleuten trainiert, aber teilweise hat es mir leid für die getan, weil ich viel zu viele Fehler gemacht habe.

Frage: Es ist einige Jahre her, dass Sie hier in Kitzbühel waren. Was kommt Ihnen in den Sinn?

Thiem: Wenn ich an Kitzbühel denke, kommt mir natürlich das Jahr 2019 als Allererstes in den Kopf, weil es eine absolute Traumwoche mit unglaublicher Stimmung war. Jedes Match war ausverkauft, ich habe richtig gut gespielt, und ich habe zum ersten Mal zu Hause ein Turnier gewonnen. Sicher eine Woche, die ich nie vergessen werde. Und auch viele Momente sind da passiert, die für immer in meiner Erinnerung sein werden. Ich habe mein Debüt hier gefeiert, meine ersten Punkte gemacht. Ich spiele unter ein bisschen anderen Voraussetzungen dieses Jahr hier, was aber auch interessant ist. Ich fühle mich ein bisserl zurückversetzt in die ersten Jahre, wo jeder Sieg ein absoluter Erfolg war. Weil die letzten Jahre 2019, 2018 war eigentlich alles andere als ein Turniersieg eine Enttäuschung. Es ist schon ein bisserl schöner, so herzukommen, ohne den ganz großen Druck.

Frage: Wie sieht Ihre Erwartungshaltung denn nun aus?

Thiem: Ich habe bei der letzten Pressekonferenz in Traiskirchen gesagt, dass mein Ziel ist, hier gut spielen zu können und dem Publikum eine gute Show bieten zu können. In Paris und die Turniere davor war es nicht so schön anzuschauen, es war eher ein Trauerspiel. Das Ziel ist hundertprozentig möglich, und natürlich ist auch das Selbstvertrauen viel höher wieder nach Gstaad und Baastad.

Frage: Was bedeutet die Absage von Ruud und Berrettini für Sie?

Thiem: Für mich hat es nicht so viel bedeutet. Jetzt hat sich mein Erstrundengegner geändert, aber das war auch das Einzige. Für das ganze Turnier ist es ein bisserl schade natürlich, aber auf der anderen Seite haben sich die Chancen für uns Österreicher dadurch erhöht. Wenn die Österreicher gut spielen, kann man das Fehlen von den zweien hundertprozentig auffangen. (APA, 25.7.2022)