22,5 Kilometer ist immerhin länger als ein Halbmarathon – und an der Erdoberfläche die Rekorddistanz für einer Verschiebung von Landmassen, zumindest in jüngerer Vergangenheit: So weit wurden nämlich im Jahr 1980 beim gigantischen Vulkanausbruch des Mount St. Helens Erdmassen maximal verrückt. Die Volumina, die damals im Süden des US-Bundesstaats Washington ins Rutschen kamen, waren ebenfalls enorm und betrugen immerhin 2,8 Kubikkilometer.

Der größte unterseeische Erdrutsch, der sich Anfang 2020 vor der Küste Südwestafrikas zutrug, war zwar etwas weniger massereich, aber die Strecke dafür umso länger: Wie Peter Talling (Durham University) mit einem Team im Fachblatt "Nature Communications" berichtet, rutschten Anfang 2020 bis zu 2,7 km3 Sedimentmassen die submarine Kongo-Rinne im Atlantik hinunter – und zwar maximal 1.130 Kilometer weit. Das ist mehr als die Distanz zwischen Wien und Kiew (rund 1.050 Kilometer Luftlinie).

Die Mündung des Kongo. Von hier aus reicht ein submariner Canyon hunderte Kilometer weit in den Südatlantik.
Foto: Nasa

Zwei zerstörte Unterseekabel

Das Naturereignis, das sich von 14. bis 16. Jänner 2020 zutrug, blieb schon damals nicht unbemerkt: Die submarine "Lawine", die bis zu 30 Meter dicke Sedimentschichten abtrug und bis zu 2.675 Megatonnen Material verschob, kappte damals auch zwei Unterseekabel und beeinträchtigte damit unter anderem auch den Datenverkehr und die Internetverbindungen an der gesamten Westküste Afrikas. Mitgerissen wurden aber auch elf Messbojen, die erst 2019 entlang des bis zu neun Kilometer breiten und bis zu 1.100 Meter hohen Canyons verankert worden waren.

Ausgelöst wurde der Erdrutsch durch heftige Überschwemmungen entlang des Kongo, die besonders viel Sediment ins Meer schwemmten. Die Unterseelawine, die sich daraufhin bildete, raste mit rund 30 km/h den Kongo-Canyon hinab und riss dabei alle elf Messbojen aus ihrer Verankerung.

Schematische Darstellung eines sogenannten Suspensionsstroms ("Turbidity Current"), wie er sich Anfang 2020 in der Kongo-Rinne zutrug.
Grafik: NOAA

Wie gewaltig dieser sogenannte Suspensionsstrom war, zeigte sich erst nach und nach – und eher unverhofft: Dank einer großangelegten Suchaktion, an der sich auch private und kommerzielle Schiffe beteiligten, konnten die Forschenden um Talling die kleinen Bojen und das darauf gespeicherte Datenmaterial bergen.

Die minutiöse Auswertung dieser Informationen offenbarte dann die kaum vorstellbaren Dimensionen der Sedimentverlagerung: Die Bahn der Lawine kam erst 1.130 Kilometer von der Mündung des Kongo entfernt in 4,5 Kilometern Tiefe zum Stillstand. Damit übertraf diese Lawine zumindest an Länge auch das sogenannte "Great Banks Turbidity Event", bei dem im Jahr 1929 im Nordwestatlantik ein Sedimentstrom den Kontinentalhang vor dem Neufundlandschelf hinabstürzte. Damals wurde zwar fast 100-mal mehr Material transportiert, allerdings "nur" 800 Kilometer weit.

Praktischer Nutzen

Die neue Studie zeige damit nicht nur, dass solche Sedimentströme weiter ins Meer hinaus reichen können als gemeinhin angenommen, wie die Forschenden resümieren. Die Daten hätten auch einen höchst praktischen Nutzen: Sie würden nämlich auch buchstäblich Anhaltspunkte liefern, wo man in submarinen Canyons am besten Unterseekabel installiert. (tasch, 25.7.2022)