Wladimir Putin setzt darauf, dass dem Westen, und vor allen den Europäern, angesichts explodierender Energiepreise, Inflation und drohender Rezession die Lust vergeht, die Ukraine in ihrem Widerstand gegen die russische Aggression zu unterstützen. Und tatsächlich mehren sich die Stimmen, die ein Ende der Sanktionspolitik fordern. Der Preis sei zu hoch, der eigene Wohlstand in Gefahr, und die Sanktionen würden ihr Ziel, Russland zum Einlenken zu bewegen, ohnehin nicht erreichen. Stattdessen sollten USA und EU Kiew mit Druck zu Verhandlungen bewegen, um so den Krieg zu beenden. Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer sprach nicht nur für sich, als er die Zwangsmaßnahmen der EU recht offen kritisierte.

Die Sanktionen sind nicht so wirksam wie erhofft. Sie sind aber auch nicht so scharf wie möglich.
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Aber würde ein Ende der Sanktionen oder auch nur eine Lockerung die Wirtschaftskrise tatsächlich mildern? Schon vor dem 24. Februar waren die Preise weltweit gestiegen. Nach dem russischen Überfall ließ vor allem die Unsicherheit die Energiekosten explodieren. Dazu kam der schwache Euro, der alle Importe teurer gemacht hat.

Weder Öl noch Gas sind von den derzeitigen EU-Sanktionen erfasst. Auf den Weltmarktpreis von Erdöl hat die EU nur wenig Einfluss, und beim Gas hat Brüssel auf einen Boykott aus Angst vor den Folgen überhaupt verzichtet. Damit haben die Europäer die Gaswaffe dem russischen Diktator in die Hand gegeben, statt sie selbst zu ergreifen. Es sind die Lieferkürzungen durch Gazprom und Putins laufende Drohungen, die Gas nun knapp und teuer werden lassen.

Die Alternative ist völlige Unterwerfung

Die Alternative zur jetzigen Politik ist daher nicht ein sanfterer Umgang mit Moskau, sondern eine völlige Unterwerfung. Der Westen müsste nicht nur alle Sanktionen beenden, sondern auch die Waffenlieferungen sowie die finanzielle Unterstützung für die Ukraine einstellen und dann hoffen, dass Putin nun beschwichtigt ist und den Gashahn wieder aufdreht. Doch so schnell wird sich der Kreml nicht zufriedengeben. Russlands Kriegsziele sind weit gesteckt: Regimewechsel und Unterjochung der Ukraine, wie Außenminister Sergej Lawrow gerade erst bestätigt hat, und die Zurückdrängung der Nato aus Osteuropa, was Putin schon vor Kriegsbeginn forderte. Der Westen müsste also die elementare Sicherheit unserer Nachbarn opfern – und müsste auch dann weiterhin fürchten, von Moskau erpresst zu werden.

Weder die Ukraine noch Russland würden eine Waffenruhe an der jetzigen Frontlinie als endgültige Lösung akzeptieren.

Letztlich geht es Putin um die Spaltung und Zerstörung des demokratischen Westens, den er als Bedrohung seiner Macht betrachtet. Ungarns Autokrat Viktor Orbán, der schärfste Sanktionsgegner in Europa, oder FPÖ-Chef Herbert Kickl hätten kein Problem damit. Ihr Weltbild ist von jenem Putins nicht weit entfernt. Aber sind auch die österreichischen Unternehmer, die über die Sanktionen klagen, bereit, diesen Preis zu zahlen? Wollen sie in einer Welt leben, in der Macht und nicht Rechtsstaatlichkeit die Regeln bestimmt?

Ein Sanktionsende würde ebenso wenig den Krieg beenden; weder die Ukraine noch Russland würden eine Waffenruhe an der jetzigen Frontlinie als endgültige Lösung akzeptieren und daher den Kampf bald wiederaufnehmen.

Zugegeben, die Sanktionen sind nicht so wirksam wie erhofft; sie sind auch nicht so scharf wie möglich. Ihre Aufhebung würde Putin und andere Autokraten erfreuen. Europas und Österreichs Wirtschaft würde es wenig nützen. (Eric Frey, 26.7.2022)