Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) sorgte schon vergangene Woche mit dem geplanten Quarantäne-Aus für politische Irritationen.

Foto: REUTERS/ LISA LEUTNER

Es sind keine leichten Tage für Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne). Es begann damit, dass vergangene Woche ein brisanter Verordnungsentwurf aus seinem Ressort über ein Aus für die Corona-Quarantäne öffentlich wurde. Das brachte ihm den Zorn der roten Bundesländer ein, die davon nur aus den Medien erfuhren. Rauch versuchte zu kalmieren, dass "noch nix fix" sei. Als er die Abschaffung der Quarantänepflicht dann mit einem Anstieg psychischer Erkrankungen und der Suizidalität bei Kindern und Jugendlichen durch die Corona-Regeln argumentiere, setzte es einen Shitstorm.

Und in dieser aufgeheizten Stimmungslage drückt die türkis-grüne Bundesregierung nun aufs Tempo. Am Montag setzten sich Rauch und Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) mit den Landeshauptleuten zusammen. Man besprach unter anderem den sensiblen Entwurf, wonach ab August nur noch sogenannte Verkehrsbeschränkungen gelten sollen. Das heißt, Corona-Infizierte dürften sich mit Maske fast überall frei bewegen.

Landeschef Kaiser hat sich mehr erwartet

Aufseiten der Sozialdemokraten herrschte nach der Sitzung mit dem Bund große Verstimmung. Für Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser seien die Gespräche "enttäuschend" verlaufen. "Ich hätte mir fachlich aufbereitete Entscheidungsgrundlagen erwartet", sagte er.

Noch deutlicher wurde Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ): "Ich sehe diesen Vorstoß der Bundesregierung als Schritt in die falsche Richtung", erklärte er am frühen Abend in einer eilig einberufenen Pressekonferenz. "Notwendig und sinnvoll" wäre es stattdessen, sich auf den Herbst vorzubereiten. Und Ludwig sparte nicht mit einer versteckten Spitze gegen die Türkisen: Werde die Quarantäne zum gewöhnlichen Krankenstand, müssten die Unternehmen – ihres Zeichens in der Regel ÖVP-Klientel– die Kosten tragen, gab er zu Bedenken.

In Vorarlberg setzte es ebenfalls rote Kritik am türkis-grünen Quarantäne-Aus. Die SPÖ Landesparteivorsitzende und praktische Ärztin Gabi Sprickler-Falschlunger warnte in einer Aussendung: "Ein Aus für die Quarantäne in Anbetracht der vor der Tür stehenden Herbstwelle und bereits hoher Sommerzahlen ist mit Sicherheit die falsche Entscheidung von Gesundheitsminister Rauch. Die jetzt schon hohen Infektionszahlen werden durch die Urlaubsrückkehrer und den Schulbeginn nochmals kräftig ansteigen."

Familiäre Kritik aus Vorarlberg

Sprickler-Falschlunger glaubt nicht an eine Verringerung von Krankenständen: "Dass sich die Zahl der Krankenstände nach einem Aus für die Absonderung von infizierten Personen senken lassen, darf stark angezweifelt werden. Das Virus ist hochansteckend und wird sich dann noch schneller und leichter ausbreiten und somit sehr viele Krankenstände verursachen." Ebenso nicht mitgedacht habe Gesundheitsminister Rauch die Folgen von "Long Covid". Je mehr Personen mit dem Virus infiziert werden, desto höher wird die Zahl von Menschen mit dieser Folgeerkrankung sein, die wiederum längere Krankenstände auslösen wird, kommentierte die SPÖ Landesparteivorsitzende Sprickler-Falschlunger die Pläne der Bundesregierung. Die Kritik ist zudem bemerkenswert, als Sprickler-Falschlunger die Ehefrau von Gesundheitsminister Rauch ist.

In den schwarzen Bundesländern sieht man das fundamental anders. Der steirische Landeschef Christopher Drexler hält es für richtig, die Quarantäne auszusetzen, da trotz hoher Infektionszahlen die Belagszahlen in den Spitälern noch niedrig seien. Vor die Presse traten der Kanzler und sein Gesundheitsminister am Montag noch nicht. Im Gegenteil wurde die Quarantänediskussion in einer dürftigen Aussendung der Bundesregierung geradezu verräumt. Heute, Dienstag, stehen für Rauch und Co schon die nächsten Gespräche mit den Gesundheitslandesreferenten an, am Mittwoch wird das Quarantäne-Aus beim Sommerministerrat beraten.

Wie streng kann Wien bleiben?

Rauchs Plan wäre jedenfalls ein Novum. Bis dato sind die Regeln für die Corona -Quarantäne nämlich in keiner eigenen Verordnung festgehalten. Die Absonderung von Infizierten ist bloß eine Empfehlung des Ministeriums. Wie hart die Bundesländer sie auslegen, ist ihre Sache. Dieser Grundsatz könnte ab August Geschichte sein.

Die Grundlage für die Verkehrsbeschränkungen gibt es erst seit wenigen Wochen, und sie steht im Epidemiegesetz. Aus Sicht des Verfassungsrechtlers Peter Bußjäger steht dieser Paragraf (7b) aber in einem unklaren Verhältnis zu einer bestehenden Regelung (43a). Laut der einen Bestimmung (7b) könne nämlich ausschließlich der Gesundheitsminister Verkehrsbeschränkungen erlassen. Gleichzeitig heißt es in der anderen (43a), dass auch die Länder Regeln in Verordnungen gießen können, wenn es Rauch nicht tut. "Welche der beiden Vorschriften die Spezialnorm ist, erscheint mir nicht ganz klar", sagt Bußjäger.

In dieser rechtlichen Gemengelage hegt Büßjäger jedenfalls Zweifel daran, dass es für Länder wie Wien, die an der Quarantäne festhalten wollen, gesetzliche Spielräume gebe. "Ich glaube, dass Wien mit dem Argument, dass nach der Verordnung mehr Infizierte drohen, beispielsweise die Maskenpflicht ausweiten könnte", sagt der Verfassungsjurist. "Aber dass die Länder die Verordnung des Gesundheitsministers aushebeln können, davon gehe ich nicht aus." Dass der Spielraum Wiens wohl begrenzt sein dürfte, räumte selbst Ludwig ein: "Wenn es eine Verordnung gibt, dann wird es keine Möglichkeit geben, dass wir das anders regeln in Wien". Die gesetzlichen Möglichkeiten dafür wolle er aber dennoch ausloten lassen. (Jan Michael Marchart, Stefanie Rachbauer, 25.7.2022)