Bundesheersoldaten trainierten jüngst den Einsatz auf Demos.

Foto: Bundesheer / Daniel Trippolt

Das Bundesheer war jüngst in ungewöhnlicher Rolle zu sehen: Mit Helmen, Schildern und Schlagstöcken ausgestattete Soldaten begleiteten eine politische Demonstration. Als Gegendemonstranten die Kundgebung angriffen, schritten die martialisch anmutenden Bundesheerler ein, rangen Gegendemonstranten nieder und fixierten sie am Boden.

Die Armee im Inlandseinsatz auf Demos? Soldaten mit Schlagstöcken gegen österreichische Bürgerinnen und Bürger? Was am Sonntag für Unruhe in sozialen Medien sorgte, waren Bilder und Videos einer Übung des Bundesheers. In der Steiermark hatte man militärische Fähigkeiten trainiert – und eben auch den Einsatz auf politischen Kundgebungen.

Geübt werde das für den Auslandseinsatz, versichert man im Verteidigungsministerium. In internationaler Mission würde die Begleitung von Kundgebungen nämlich mancherorts zum täglichen Brot österreichischer Soldatinnen und Soldaten gehören. Im Inland dagegen ist die Sache an sich einfach: Die Polizei ist zuständig für die Innere Sicherheit. Dem Militär dagegen obliegt die militärische Landesverteidigung. So legt das auch die österreichische Bundesverfassung fest.

Berechtigtes Tabu

Es gibt allerdings eine Ausnahme: Bei gravierender Überforderung der Polizei und wenn dadurch etwa die "Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit im Inneren" gefährdet sei, wie es in Artikel 79 der Verfassung heißt. Dann darf das Heer zum "Assistenzeinsatz" gerufen werden. Dies allerdings nur in absoluten Ausnahmefällen – nicht etwa, weil der Staat bei Ressourcen für die Polizei gespart hat und bei Bedarf eben auf unausgelastete Soldatinnen zurückgreift.

Und das ist gut und richtig so. Ein verstärkter Einsatz der Armee im Inneren – in welchem Rahmen auch immer – wäre hierzulande ein einschneidender Paradigmenwechsel. Denn Bundesheereinsätze in Österreich waren aus historischen Gründen zu Recht ein jahrzehntelanges Tabu: Zu präsent sind die Ereignisse der Februarkämpfe 1934, als im Dollfuß-Regime heimische Soldaten nicht nur auf Gemeindebauten schossen, sondern auch auf österreichische Bürgerinnen und Bürger – und hunderte Menschen starben.

Laut Bundesheer lassen neue hybride Bedrohungen die Grenzen zwischen "Innen" und "Außen" verschwimmen, darauf müsse man reagieren. Und in der Tat kann etwa die Abwehr von Cyberattacken, die ohnehin bereits den militärischen Nachrichtendiensten zufällt, eine Aufgabe fürs Heer sein. Das Jahr 1934 ist zudem fast ein Jahrhundert her, die sozialen, die ökonomischen, die politischen Verhältnisse sind heute völlig andere.

Ein Blick in jedes Geschichtsbuch zeigt aber: Katastrophen verhindert man nicht, wenn sie kurz vor der Tür stehen – sondern durch langfristige Prävention: Auch deshalb darf der Einsatz des Bundesheers für Aufgaben im Inland nicht unbemerkt eintröpfeln. Er braucht engmaschige demokratische Kontrolle. Und muss weiter "Ultima Ratio" bleiben. (Martin Tschiderer, 25.7.2022)